Entscheidungsstichwort (Thema)

Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung. Rechtsbeschwerdeverfahren. 20/10 Gebühr

 

Leitsatz (amtlich)

Dem Rechtsanwalt steht, soweit sich seine Vergütung noch nach der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung richtet, für seine Tätigkeit im Verfahren über eine kraft Gesetzes statthafte Rechtsbeschwerde eine Gebühr von 20/10 zu (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 16.12.2004 - IX ZB 463/02, MDR 2005, 718 = BGHReport 2005, 748 = ZIP 2005, 313).

 

Normenkette

ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 1; BRAGO § 11 Abs. 1 S. 5, § 61a Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2/11 S 345/02)

AG Frankfurt am Main

 

Tenor

Auf die Erinnerung des Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 1) wird der Beschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftstelle v. 4.3.2005 aufgehoben.

Die dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 1) aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung wird auf 461,68 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der Beklagte zu 1) (künftig: Beklagter) hat, vertreten durch seinen ihm am 3.2.2004 im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Prozessbevollmächtigten, gegen die Verwerfung seiner Berufung als unzulässig Rechtsbeschwerde eingelegt, über die der Senat mit Beschluss v. 4.2.2004 entschieden hat. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat zunächst die Erstattung einer Vergütung von insgesamt 308,21 EUR beantragt und dabei eine 13/10-Rechtsbeschwerdegebühr aus einem Gegenstandswert von 2.676,72 EUR geltend gemacht. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat die zu erstattende Vergütung auf 126,07 EUR festgesetzt und den weiter gehenden Vergütungsantrag zurückgewiesen. Diese Festsetzung hat der Senat auf Erinnerung des Prozessbevollmächtigten des Beklagten mit Beschluss v. 14.9.2004 abgeändert und die Vergütung antragsgemäß auf 308,21 EUR festgesetzt.

Unter Berufung auf eine zwischenzeitlich ergangene Entscheidung des IX. Zivilsenats des BGH v. 16.12.2004 (BGH v. 16.12.2004 - IX ZB 463/02, MDR 2005, 718 = BGHReport 2005, 748 = WM 2005, 380 = ZIP 2005, 313) beantragt der Prozessbevollmächtigte des Beklagten nunmehr, die ihm aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung unter Ansatz einer 20/10-Rechtsbeschwerdegebühr auf insgesamt 461,68 EUR festzusetzen. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat dies abgelehnt und der Erinnerung nicht abgeholfen.

II.

Die nach § 128 Abs. 3 BRAGO zulässige Erinnerung hat Erfolg.

1. Auf die Festsetzung der dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu erstattenden Vergütung und die eingelegte Erinnerung sind die Vorschriften der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung anwendbar, weil der Prozessbevollmächtigte des Beklagten diesem vor dem 1.7.2004 beigeordnet worden ist (§ 61 Abs. 1 S. 1 RVG).

2. Im Rechtsbeschwerdeverfahren nach §§ 574 ff. ZPO sind in den Fällen des § 522 Abs. 1 S. 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO die Gebühren eines Rechtsanwalts nach § 2 BRAGO in sinngemäßer Anwendung von § 61a Abs. 3, § 11 Abs. 1 S. 5 BRAGO festzusetzen.

a) Mit Beschluss v. 30.1.2004 (BGH v. 30.1.2004 - IXa ZB 153/03, MDR 2004, 597 = BGHReport 2004, 705 = WM 2004, 494) hat der IXa-Zivilsenat im Einzelnen dargelegt, dass das durch das Zivilprozessreformgesetz v. 27.7.2001 (BGBl. I, 1887) neu eingeführte Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde von keinem der Gebührentatbestände der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung erfasst wird. Diese planwidrige Regelungslücke sei gem. § 2 BRAGO für die Fälle der zugelassenen Rechtsbeschwerde in Zwangsvollstreckungssachen durch eine entsprechende Anwendung der § 66 Abs. 3, § 11 Abs. 1 S. 4 BRAGO zu schließen. Danach steht dem Rechtsanwalt für die zugelassene Rechtsbeschwerde in Zwangsvollstreckungssachen vor dem BGH, für die eine eigene Gebührenvorschrift in der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung fehlt, eine 13/10-Gebühr zu. Dem hat sich der erk. Senat für andere zugelassene Rechtsbeschwerden angeschlossen (BGH, Beschl. v. 27.4.2004 - VIII ZB 103/02, BGHReport 2004, 1130 = MDR 2004, 1024).

b) In den Fällen des § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, in denen die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde im Gesetz bestimmt ist, muss dagegen entsprechend § 61a Abs. 3 BRAGO die Vorschrift des § 11 Abs. 1 S. 5 BRAGO (Gebühr 20/10) angewendet werden. Die Begründung, mit der der IX. Zivilsenat dies in seinem Beschluss v. 16.12.2004 (BGH v. 16.12.2004 - IX ZB 463/02, MDR 2005, 718 = BGHReport 2005, 748 = WM 2005, 380 = ZIP 2005, 313) für die Rechtsbeschwerde nach § 7 InsO, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO entschieden hat, gelten ebenso für die - gleichfalls kraft Gesetzes statthafte - Rechtsbeschwerde nach § 522 Abs. 1 S. 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Rechtsbeschwerden nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO sind nur unter den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO zulässig. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss in diesen Fällen gem. § 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO eine Darlegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO enthalten. Außerdem ist die Rechtsbeschwerde gem. § 575 Abs. 3 Nr. 1 und 3 ZPO in ähnlicher Weise wie die Revision gem. § 551 Abs. 3 ZPO zu begründen.

Die Rechtsbeschwerde nach §§ 574 ff. ZPO ist bewusst revisionsähnlich ausgestaltet worden und kann wirksam nur durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden (BGH v. 30.1.2004 - IXa ZB 153/03, MDR 2004, 597 = BGHReport 2004, 705 = WM 2004, 494 [495]; v. 21.3.2002 - IX ZB 18/02, BGHReport 2002, 849 = MDR 2002, 962 = NJW 2002, 2181).

Für die Nichtzulassungsbeschwerde ist gem. § 61a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, § 11 Abs. 1 S. 5 BRAGO eine 20/10-Gebühr anzusetzen. Dasselbe gilt für die Revision gem. § 11 Abs. 1 S. 5 BRAGO. Die Prozessgebühr im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wird allerdings auf die Prozessgebühr angerechnet, die der Rechtsanwalt in einem nachfolgenden Revisionsverfahren erhält (§ 61a Abs. 4 BRAGO).

Bei einer Gesamtbetrachtung von Verfahrensgegenstand und Begründungsaufwand ist es im Falle einer kraft Gesetzes statthaften Rechtsbeschwerde angemessen und geboten, sie gebührenrechtlich wie eine Nichtzulassungsbeschwerde zu behandeln und folglich in entsprechender Anwendung der § 61a, § 11 Abs. 1 S. 5 BRAGO eine 20/10-Gebühr anzusetzen.

2. Demzufolge ist der den weiter gehenden Vergütungsantrag zurückweisende Beschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle aufzuheben, und die Vergütung des Prozessbevollmächtigten des Beklagten ist, wie von ihm zuletzt beantragt, nach dem Gegenstandswert von 2.676,72 EUR wie folgt festzusetzen:

20/10-Gebühr gem. § 2, § 31 Abs. 1 Nr. 1, § 61a Abs. 3, § 11 Abs. 1 S. 5, § 123 BRAGO

378 EUR

Pauschale gem. § 26 S. 2 BRAGO

20 EUR

398 EUR

16 % Umsatzsteuer

63,68 EUR

Gesamtsumme

461,68 EUR.

 

Fundstellen

BB 2005, 1473

NJW 2005, 2929

BGHR 2005, 1292

NJW-RR 2005, 1150

JurBüro 2005, 596

MDR 2005, 1254

Rpfleger 2005, 568

RVGreport 2005, 341

RVG-Letter 2005, 98

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