Leitsatz (amtlich)

Dem Rechtsanwalt steht für seine Tätigkeit im Verfahren über eine von Gesetzes wegen statthafte Insolvenzrechtsbeschwerde eine Gebühr von 20/10 zu (Fortführung von BGH, Beschl. v. 30.1.2004 - IXa ZB 153/03, MDR 2004, 597 = BGHReport 2004, 705 = WM 2004, 494).

 

Normenkette

ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 1; InsO § 7; BRAGO §§ 2, 11 Abs. 1 S. 5, § 31 Abs. 1 Nr. 1, § 61a Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Aachen (Aktenzeichen 3 T 267/02)

AG Aachen

 

Tenor

Auf die Erinnerung des Verfahrensbevollmächtigten des Schuldners wird die seine Vergütung betreffende "Festsetzung der PKH-Kosten" der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle v. 2.9.2004 geändert.

Die dem Verfahrensbevollmächtigten des Schuldners aus der Bundeskasse zu erstattende Vergütung wird auf 496,48 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der im Wege der Prozesskostenhilfe am 16.10.2003 beigeordnete Verfahrensbevollmächtigte des Schuldners hat die Erstattung einer Vergütung von insgesamt 496,48 EUR beantragt und dabei eine 20/10-Rechtsbeschwerdegebühr aus einem Gegenstandswert von 4.000 EUR geltend gemacht. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat die zu erstattende Vergütung unter Berücksichtigung einer 13/10-Gebühr gem. § 66 i.V.m. § 11 Abs. 1 S. 4 BRAGO auf insgesamt 330,84 EUR festgesetzt und den weiter gehenden Vergütungsantrag zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Erinnerung des Verfahrensbevollmächtigten des Schuldners. Er hält eine entsprechende Anwendung des § 11 Abs. 1 S. 5 BRAGO für geboten und eine Gebühr von 20/10 für angemessen. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen.

II.

Die nach § 128 Abs. 3 BRAGO zulässige Erinnerung hat Erfolg.

1. Auf die Festsetzung der PKH-Kosten und die eingelegte Erinnerung sind die Vorschriften der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung anwendbar, weil der Verfahrensbevollmächtigte des Schuldners diesem vor dem 1.7.2004 beigeordnet worden ist, § 61 Abs. 1 S. 1 RVG.

2. Im Rechtsbeschwerdeverfahren nach §§ 574 ff. ZPO sind in den Fällen des § 7 InsO, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO die Gebühren eines Rechtsanwalts nach § 2 BRAGO in sinngemäßer Anwendung von § 61a Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 1 S. 5 BRAGO festzusetzen.

a) Im Beschluss v. 30.1.2004 (BGH, Beschl. v. 30.1.2004 - IXa ZB 153/03, MDR 2004, 597 = BGHReport 2004, 705 = WM 2004, 494) hat der IXa-Zivilsenat im Einzelnen dargelegt, dass das durch das Zivilprozessreformgesetz v. 27.7.2001 (BGBl. I, 1887) neu eingeführte Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde von keinem der Gebührentatbestände der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung erfasst wird. Diese planwidrige Regelungslücke sei gem. § 2 BRAGO für die Fälle der zugelassenen Rechtsbeschwerde in Zwangsvollstreckungssachen durch eine entsprechende Anwendung des § 66 Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 1 S. 4 BRAGO zu schließen. Danach steht dem Rechtsanwalt für die zugelassene Rechtsbeschwerde in Zwangsvollstreckungssachen vor dem BGH, für die eine eigene Gebührenvorschrift in der BRAGO fehlt, eine 13/10-Gebühr zu. Dem hat sich der VIII. Zivilsenat für andere zugelassene Rechtsbeschwerden angeschlossen (BGH, Beschl. v. 27.4.2004 - VIII ZB 103/02, BGHReport 2004, 1130 = MDR 2004, 1024). Der Senat tritt dieser Auffassung aus den in den genannten Beschlüssen ausgeführten Gründen bei.

b) In den Fällen des § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, in denen die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde im Gesetz bestimmt ist, muss dagegen entsprechend § 61a Abs. 3 BRAGO die Vorschrift des § 11 Abs. 1 S. 5 BRAGO (Gebühr 20/10) angewendet werden.

Rechtsbeschwerden nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO sind nur unter den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO zulässig. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss in diesen Fällen gem. § 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO eine Darlegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO enthalten. Außerdem ist die Rechtsbeschwerde gem. § 575 Abs. 3 Nr. 1 und 3 ZPO in ähnlicher Weise wie die Revision gem. § 551 Abs. 3 ZPO zu begründen.

Die Rechtsbeschwerde nach §§ 574 ff. ZPO ist bewusst revisionsähnlich ausgestaltet worden und kann wirksam nur durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden (BGH, Beschl. v. 30.1.2004 - IXa ZB 153/03, MDR 2004, 597 = BGHReport 2004, 705 = WM 2004, 494 [495]; v. 21.3.2002 - IX ZB 18/02, BGHReport 2002, 849 = MDR 2002, 962 = NJW 2002, 2181).

Für die Nichtzulassungsbeschwerde ist gem. § 61a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, § 11 Abs. 1 S. 5 BRAGO eine 20/10-Gebühr anzusetzen. Dasselbe gilt für die Revision gem. § 11 Abs. 1 S. 5 BRAGO. Die Prozessgebühr im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wird allerdings auf die Prozessgebühr angerechnet, die der Rechtsanwalt in einem nachfolgenden Revisionsverfahren erhält, § 61a Abs. 4 BRAGO.

Bei einer Gesamtbetrachtung von Verfahrensgegenstand und Begründungsaufwand ist es im Falle der Rechtsbeschwerde nach § 7 InsO, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO angemessen und geboten, sie gebührenrechtlich wie eine Nichtzulassungsbeschwerde zu behandeln und folglich § 61a, § 11 Abs. 1 S. 5 BRAGO entsprechend anzuwenden und eine 20/10-Gebühr anzusetzen.

2. Demzufolge ist die Vergütung des Verfahrensbevollmächtigten des Schuldners nach dem Gegenstandswert von 4.000 EUR wie folgt festzusetzen:

20/10-Gebühr gem. §§ 2, 31 Abs. 1 Nr. 1, 61a Abs. 3, § 11 Abs. 1 S. 5, § 123 BRAGO

408 EUR

Pauschale gem. § 26 S. 2 BRAGO

20 EUR

428 EUR

16 % Umsatzsteuer

68,48 EUR

Gesamtsumme

496,48 EUR.

 

Fundstellen

BGHR 2005, 748

EBE/BGH 2005, 2

NJW-RR 2005, 696

WM 2005, 380

ZAP 2005, 502

ZIP 2005, 313

MDR 2005, 718

NZI 2005, 282

Rpfleger 2005, 278

RENOpraxis 2005, 126

RVGreport 2005, 194

ZVI 2005, 224

ZVI 2006, 13

ZVI 2006, 35

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