Gebäudtyp E

"Baurechtliche Lösung im Mietrecht spiegeln"


Gebäudetyp E: Rechtliche Bewertung der Gesetzespläne

Die Bundesregierung will den Gebäudetyp E rechtlich absichern. Eine Neuregelung ist auch nötig, sagen die Juristen Prof. Stefan Leupertz und Prof. Dr. Markus Artz. Wie die Gesetzespläne zu bewerten sind und warum das Mietrecht nicht vernachlässigt werden sollte.

Herr Prof. Leupertz, was steckt hinter der Idee des Gebäudetyps-E?

Prof. Stefan Leupertz: Wir alle wissen, dass der Wohnungsbau in eine schwere Schieflage geraten ist, weil die Baupreise in den vergangenen Jahren durch die Decke geschossen sind. Ein wichtiger Grund für diese katastrophale Entwicklung liegt in überbordenden bautechnischen Anforderungen, von denen sich die Projektbeteiligten nur sehr schwer rechtssicher befreien können. Also werden in Normen und anderen bautechnischen Regelwerken niedergelegte Baustandards realisiert und eingepreist, die eigentlich keiner braucht und oft auch keiner will.

Die von der Architektenschaft gestartete Gebäudetyp E-Initiative greift diesen Umstand auf und bietet dem Markt eine Möglichkeit an, von der kostentreibenden Realisierung solcher verzichtbaren bautechnischen Anforderungen einvernehmlich Abstand zu nehmen, ohne in haftungsrechtliche Probleme zu geraten. Das ist zu begrüßen.

Allerdings ist die Diskussion um den Gebäudetyp E etwas verrutscht, weil es entgegen einem weit verbreiteten Missverständnis nicht um die Schaffung eines bestimmten einfachen Gebäudetyps geht, sondern um die Gestaltung eines Prozesses für die Herstellung von Wohnungen aller Art – die Projektbeteiligten sollen möglichst frei entscheiden können, was und wie sie bauen wollen.

Das Maß aller Dinge beim Bauen sind die anerkannten Regeln der Technik. Was versteht man darunter genau?

Leupertz: Anerkannte Regeln der Technik sind bautechnische Regeln, die sich in der Wissenschaft als richtig erwiesen haben und in der Praxis erfolgreich erprobt wurden. Ihre Einhaltung ist gemäß § 633 Abs. 2 BGB geschuldet, wenn die Parteien nichts anderes ausdrücklich vereinbart haben. Der Unternehmer, der hiervon abweicht, haftet also auch dann, wenn seine Baulösung einwandfrei funktioniert!

Und genau da liegt das Problem: Weil die rechtsgeschäftliche Abstandnahme von den anerkannten Regeln der Technik erheblichen Aufwand erfordert und Haftungsrisiken birgt, findet sie in der Praxis nicht statt. Also wird nach diesen Regeln gebaut, auch wenn dadurch unnötiger Aufwand betrieben werden muss, der sich bautechnisch ohne Qualitätseinbußen vermeiden ließe.

Fast wichtiger ist aber, dass die Einhaltung von anerkannten Regeln der Technik, eine enorme Innovationsbremse darstellt. Wer wird neue Bauverfahren – denken Sie etwa nur an die Verwendung recycelter Baustoffe – ausprobieren, wenn er befürchten muss, hierfür schon deshalb zu haften, weil er nicht nach den anerkannten Regeln der Technik gebaut hat.

Der umstrittene Gesetzentwurf der Ampel-Regierung zum Gebäudetyp E wurde nicht mehr umgesetzt. Union und SPD haben sich im Koalitionsvertrag auf einen neuen Anlauf geeinigt. Der Vorschlag der neuen Regierung knüpft teilweise an die alten Pläne an, enthält aber auch neue Impulse. Was halten Sie davon?

Leupertz: Der Gesetzesentwurf der Ampel war misslungen. Er war nicht nur rechtsdogmatisch fehlerhaft, sondern auch für die praktische Umsetzung des angestrebten Ziels, nämlich preiswerter und nachhaltiger bauen zu können, unbrauchbar. Die Details würden hier zu weit führen.

Umso wichtiger wird es sein, den durch den Koalitionsvertrag erneuerten und bekräftigten Impuls jetzt in einer Art und Weise aufzugreifen und umzusetzen, die wirklich die erhoffte Erleichterung für den gesamten Wohnungsmarkt bringt.

Wie könnte eine solche Lösung aussehen?

Leupertz: Es geht dabei nicht nur um den Wohnungsbau, sondern um alle Bereiche des Bauens. Deshalb schlage ich eine simple, abstrakt generelle Änderung im BGB vor, die dazu führt, dass die rechtliche Relevanz der anerkannten Regeln der Technik auf das ihnen sinnvoll zukommende Maß beschränkt wird und die Projektpartner die Freiheit gewinnen, sich leichtgängig und rechtssicher darüber verständigen zu können, nach welchen Standards sie bauen wollen. Am Ende steht die Frage, wie viel Freiheit und Verantwortung ich den am Austausch von Wirtschaftsgütern beteiligten Marktteilnehmern zubillige beziehungsweise zutraue.

Mietrecht darf kein Hemmschuh sein

Herr Prof. Dr. Artz, was halten Sie als Mietrechtsexperte von einer Regelung zur "Absicherung" des Gebäudetyp E?

Prof. Dr. Markus Artz: Wir müssen etwas tun, damit gebaut wird. Grundsätzlich begrüße ich deshalb die Idee des Gebäudetyps E. Aber das Mietrecht darf dafür kein Hemmschuh sein. Geplant war vor dem Ampel-Aus eine bauvertragliche Lösung. Bauherren, Planende und Bauunternehmen einigen sich auf den Bau eines Gebäudetyp-E-Hauses. Dabei muss nicht alles High-End-Standards genügen – das ist der Kern der Idee.

Die getroffene Vereinbarung betrifft jedoch nur diese Vertragsparteien, nicht das Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter. Nach der Rechtsprechung darf der Mieter zwar nicht auf die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik pochen, wohl aber auf einen dem Baujahr der Mietwohnung entsprechenden Mindestandard. Er kann damit im Grunde genommen Standards erwarten, die bei der Einigung auf einen E-Standard baurechtlich unterschritten werden dürfen.

Warum ist das ein Problem?

Artz: Nehmen wir mal den Trittschallschutz. Wenn man sagt, man muss hier nicht den besten Standard haben. Wenn über einem eine fünfköpfige Familie lebt und die Kinder Bobbycar-Rennen veranstalten, ist das keine Lappalie. Auch reduzierter Schallschutz zwischen den Wänden kann die Qualität des Wohnens beeinträchtigen. Hört man ständig die Nachbarn – sei es durch laute Diskussionen oder andere Aktivitäten –, strapaziert das die Nerven.

Der Vermieter kann mit dem Mieter zwar vertraglich vereinbaren, dass er ihm eine Wohnung vermietet, die einem bestimmten Standard entspricht, zum Beispiel in Bezug auf den Trittschall. Das ist dann in Ordnung.

Es würde dabei meines Erachtens aber nicht ausreichen, dass der Vermieter sagt, du bekommst eine Wohnung im Standard E. Denn der Mieter kann sich darunter ja nichts vorstellen. In diesem Fall läuft der Vermieter Gefahr, dass ein Mangel vorliegt, der die Gebrauchstauglichkeit der Wohnung beeinträchtigt. Der Mieter könnte ein Recht auf Minderung haben, also das Recht, die Miete nicht vollständig zahlen zu müssen.

Im schlimmsten Fall könnte der Wohnungseigentümer mietrechtlich sogar verpflichtet sein, die Wohnung nachzubessern, obwohl er sie baurechtlich so errichten durfte. Das wäre eine Katastrophe.

Wie kann sich der Vermieter diesbezüglich schützen?

Artz: Eine Einigung nur über den Mietvertag ist schwierig. Denn das Risiko ist groß, dass die Vereinbarung unsauber ist oder dass man etwas vergisst. Ich würde deshalb für eine gesetzliche Regelung plädieren. Man sollte die baurechtliche Lösung im Mietrecht spiegeln, damit gleiche Standards gelten. Möglich wäre auch eine ordnungsrechtliche Vorschrift, die fürs Bauen und fürs Vermieten gilt.

Herr Prof. Leupertz, kann man schon jetzt – auch ohne gesetzliche Neuregelung – entsprechend dem Gebäudetyp E bauen?

Leupertz: Absolut ja! Das wird auch gemacht. Allerdings setzt das eine fundierte Kenntnis der Projektbeteiligten von den rechtlichen Rahmenbedingungen und ihr Einvernehmen über deren Handhabung voraus. Ein schwieriges und störanfälliges Unterfangen, solange das Recht ist, wie es ist.


Prof. Stefan Leupertz, Richter am Bundesgerichtshof a. D., ist Geschäftsführer der 3D2L GmbH und war viele Jahre Vorsitzender des Deutschen Baugerichtstags.

Prof. Dr. Markus Artz ist Direktor der Forschungsstelle für Immobilienrecht an der Universität Bielefeld und Vorsitzender des Deutschen Mietgerichtstags.

Das Interview aus der Ausgabe 04/2025 des Fachmagazins "DW Die Wohnungswirtschaft" wurde nachträglich aktualisiert. Das gesamte Heft gibt es in der DW-App.


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