Der Modulbau bringt eine Reihe an Vorzügen mit, ist aber nicht das Allheilmittel für alle Herausforderungen der Baubranche. "Ein guter Weg ist es, Prozesse, Konstruktionen und Anforderungen zu reduzieren und vereinfachen – wie etwa beim Hamburg-Standard oder bei der novellierten Niedersächsischen Bauordnung“, sagt Dilek Ruf, Geschäftsführerin der Hannoveraner BBU Gruppe, deren Schwerpunkte Architektur und Projektentwicklung sind. Für manche Bauaufgaben werde der Modulbau die richtige Lösung sein, aber nicht für alle.
Modulbau vs. Flächenfraß und Nachverdichtung
Modulbau funktioniert am besten im großen Maßstab auf der grünen Wiese – also auf neu erschlossenen Grundstücken. Allerdings gibt es in Deutschland schon jetzt einen enormen Flächenfraß. Pro Tag werden derzeit 51 Hektar unbebauter Boden für Gebäude und Straßen asphaltiert und bebaut. Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, den täglichen Zuwachs an Siedlungs- und Verkehrsfläche bis zum Jahr 2030 auf weniger als 30 Hektar pro Tag zu reduzieren.
Damit dennoch Wohnraum dazukommen kann, müssen Städte nachverdichtet werden. Das ist mit Modulbau nur bedingt möglich. Vor allem in teils komplexe Baulücken wie zwischen 1950er-Jahre-Flachbauten und Gründerzeit-Brandwänden ist das nicht so leicht. "In Innenstädten ist es sehr schwierig, Modulbauten anzubinden und sie an die individuellen Grundstücksanforderungen anzupassen", erklärt Ingo Malter, Geschäftsführer der Stadt und Land Wohnbauten-Gesellschaft in Berlin.
"Wir sollten nicht konventionell gegen modular auszuspielen, sondern wir brauchen alles, was da ist, um der Wohnungsnot entgegenzuwirken", sagt Fabian Viehrig, Leiter im Bereich Bauen und Technik beim Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW). "In ein paar Jahren wird sich der Fachkräftemangel drastisch verschlimmern." Die Bauziele können aus seiner Sicht nur erreicht werden, wenn mehr industriell gebaut wird.
Kosteneffizienz und Zeitersparnis durch Standardisierung
Viele gehen davon aus, Modulbau sei unter freien Marktbedingungen kostengünstiger als der konventionelle Bau. Doch der Kostenvorteil entsteht erst bei hohen Wiederholungsraten – egal welche Bautechnologie dabei zum Einsatz kommt, bekräftigt Malter: "Darauf kann sich die Bauindustrie gut einstellen."
Architektin Ruf hat Zweifel, dass der Skalierungseffekt so schnell eintritt: "Kostenvor- und -nachteile heben sich beim Modulbau und seriellen oder konventionellen Bau bei gleicher Qualität und Quantität auf." Da sich Bauprojekte stets stark voneinander unterscheiden, sei ein Kostenvergleich zwischen konventionellem und modularem Bauen schwierig. "Bei gleicher Lage, gleichen Anforderungen und gleicher Qualität gibt es keinen Preisunterschied."
Das größte Sparpotenzial lässt sich beim Thema Bauen nicht unbedingt technisch erreichen, da sind sich viele Experten einig. "Es finden vor der Bauphase zu viele, zu lange, zu komplexe und kostspielige Prozesse statt", gibt Ruf zu bedenken. Allein die Aufstellung eines Bebauungsplans dauert mitunter fünf Jahre, darauf folgt noch die Planungsphase. Bauherren müssen bis zur Baugenehmigung zahlreiche Gutachten einholen. "Bis man handlungsfähig ist, vergehen schon mal mehrere Jahre, die Finanzierung läuft dann aber schon", sagt sie.
Kosten sparen: Der Hamburg-Standard
Dass sich mit jeder Bautechnologie immense Kosten sparen lassen, wenn man die Überregulierung herunterfährt, zeigt der Hamburg-Standard. Der Standard gibt auch Empfehlungen ab, wie der Modulbau sein Potenziale möglichst kostengünstig entfalten kann.
Empfohlen werden unter anderem "Design & Build"-Ausschreibungen, bei denen Planung und Bau an denselben Gewinner vergeben und auf starre Planungsvorgaben verzichtet wird. Besonders bei größeren Projekten lohne es sich außerdem, gemeinsam mit anderen Wohnungsunternehmen auszuschreiben, um von Mengenrabatten zu profitieren. Die Zahlungspläne sollten flexibel gestaltet sein, damit auch Module, die noch im Werk lagern, bereits finanziert werden können – das spart teure Zwischenfinanzierungen.
Begleitende Informationskampagnen und Werkstattgespräche helfen, Akzeptanz für diese Bauweise zu schaffen. Nicht zuletzt empfiehlt es sich, die Erfahrung der Anbieter frühzeitig einzubinden und Leistungen wie Außenanlagen oder Tiefgaragen im Zweifel separat auszuschreiben, aber die Schnittstellenkosten im Blick zu behalten.
GdW-Rahmenvereinbarung 2.0
Dass günstiger Modulbau möglich ist, hat die Rahmenvereinbarung 2.0 für serielles und modulares Bauen des GdW gezeigt. Ziel ist es, den Bau bezahlbarer Wohnungen deutlich zu beschleunigen und zu vergünstigen.
Die Rahmenvereinbarung macht es 3.000 Wohnungsunternehmen möglich, direkt auf geprüfte Systeme und Anbieter zurückzugreifen, ohne jede einzelne Bauleistung neu ausschreiben zu müssen. Das günstigste Angebot innerhalb des Rahmenvertrags liegt bei 2.370 Euro pro Quadratmeter, das teuerste bei 4.370. Im Median lag der Angebotspreis bei 3.210 Euro pro Quadratmeter, was deutlich weniger ist als auf dem freien Markt.
Allerdings herrschen auf dem freien Markt andere Bedingungen als bei einem Wettbewerb wie der GdW-Rahmenvereinbarung. Kritiker der Modulbauweise mahnen: Solange es keinen Nachweis gibt, dass modulares Bauen günstiger ist, gebe es auch keinen Grund, diese Bauweise zu fördern.
Kostensicherheit
Das bestätigt Michael Neitzel, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Neitzel Consultants. Er sitzt mit am Runden Tisch "serielles, modulares und systemisches Bauen" der Bundesregierung und unterstützt die gleichnamige Geschäftsstelle der Bundesstiftung Bauakademie. Der Ökonom gibt zu bedenken: "Selbst wenn Modulbauer günstiger produzieren könnten als der Markt – sie müssen es nicht unbedingt tun".
Womit der Modulbau aber schon jetzt punkten kann, ist die Kostensicherheit: Während der Bauzeit wird in der Regel nichts umgeplant, Witterungen spielen ebenfalls keine Rolle. Dadurch lassen sich Preise schon bei Abschluss der Planungsphase präzise kalkulieren. Das schützt Bauherren vor unerwarteten Kostensteigerungen während der Bauphase.
Terminsicherheit
Der entscheidende Vorteil des Modulbaus liegt in der verkürzten Bauzeit. So lassen sich das Fundament und der Keller eines Gebäudes parallel fertigen – in der Regel entstehen die Gebäude innerhalb von Wochen. Die gesamte Projektdauer muss nicht zwingend kürzer sein als beim konventionellen Bau. "Modulares Bauen setzt eine deutlich längere Planungsphase voraus", sagt Markus Steppler, Geschäftsführer der Modulbaufirma Derix. Anders als beim konventionellen Bau wird im Modulbau nicht baubegleitend geplant: es gibt vor Baubeginn eine lange, detaillierte Planungsphase. Dabei erstellt der Modulbauer einen digitalen Zwilling des Gebäudes, in dem er jedes kleine Detail – bis hin zur Positionierung der Steckdosen im Gebäude – festgelegt.
Aber auch das hat einen Vorteil: Modulbauer können Auftraggebern Terminsicherheit bieten. Immerhin gibt es keine witterungs- oder planungsbedingten Verzögerungen. Das ist gerade bei termingebundenen Projekten ein Vorteil, etwa bei Schulen oder Kitas, die nach den Ferien pünktlich ihre Pforten öffnen wollen. Lässt sich eine Immobilie früher nutzen oder weiterverkaufen, sparen Auftraggeber Geld, weil sie ihren Baukredit schneller bedienen können.
Höhere Anfangsinvestitionen bei Produktionsanlagen
Eine Herausforderung beim Modulbau sind die Anfangsinvestitionen. Modulbauer müssen eingangs Fabrikhallen bauen lassen und Maschinen anschaffen. Konventionelle Baustellen sind im Vergleich dazu schneller einzurichten. Das macht sich auch in den Produktionskosten bemerkbar. Deshalb rentieren sich bei der Kostenkalkulation hohe Abnahmezahlen für Modulbauer am meisten – die Maschinen amortisieren sich so schneller.
Berater Neitzel sieht im Modulbau noch viel Besserungspotenzial: "Modulbauer haben ihre Lernkurve noch nicht voll durchschritten. Sie können ihre Produktionslogistik und weitere Verfahren in Zukunft optimieren." So fertigen viele Modulbauer in Deutschland noch halbautomatisch. Sollte der Robotereinsatz eines Tages technisch weiter ausgebaut werden, könnte die Produktion noch effizienter werden.
Logistische Herausforderungen beim Transport großer Module
Die fertigen Module müssen auf die Baustelle gelangen. Das kann zu einer komplexen logistischen Aufgabe werden. Überschreiten die Module Standardmaße, fallen sie unter Schwer- und Sondertransporte, was umfangreiche Genehmigungen und individuelle Routenplanung erfordert. Je nach Strecke benötigt der Transport ab einer Breite von drei Metern eine Polizeibegleitung – das kann teuer werden.
Bereits in der Angebotsphase muss geprüft werden, ob die Module überhaupt zur Zieladresse gelangen können. In vielen Fällen sind verkehrslenkende Maßnahmen wie Halteverbote, das Entfernen von Schildern oder Vollsperrungen notwendig. Die Genehmigungsverfahren sind langwierig und je nach Bundesland unterschiedlich. Die Infrastruktur erschwert die Planung zusätzlich, etwa marode Brücken und enge Baustellen auf Autobahnen.
"Modulbauer müssen vorab ein Logistikkonzept erarbeiten, bei dem ein Spezialist genau plant, wie das Modul auf die Baustelle gelangt“, sagt Steppler. Normalerweise liegen die Logistikkosten im niedrigen einstelligen Prozentbereich der Gesamtkosten. "Das lässt sich durch andere effiziente Prozesse wieder reinholen.“ Viele Modulbauer liefern daher deutschlandweit.