Ein KI-Konzept, das Baurecht zugänglich macht
"Als Jurist, sozusagen als anwaltlicher Pathologe, habe ich über mehr als 20 Jahre beobachtet, was unser System Recht ausbremst". Dieser Satz stammt von Ihnen, Herr Professor Koenen. Was genau behindert das System? Welche Vision verwicklichen Sie mit der digitalen Rechtsberatung Sovereign AI?
Prof. Dr. Andreas Koenen: Was mich seit Jahren umtreibt, ist ein Missverständnis über die Rolle des Rechts beim Bauen. Das Recht wird oft erst dann herangezogen, wenn es knallt. Juristen gelten als Ausputzer, nicht als Geburtshelfer. Das führt zu einer paradoxen Situation: Recht prägt jedes Bauprojekt von Anfang bis Ende, von der Vergabe über die Planung bis zur Abnahme, wird aber selten von Beginn an als strukturierendes Element begriffen.
Hinzu kommt ein systemisches Defizit. Damit meine ich, dass die rechtliche Orientierung der Beteiligten oft auf andere Berufe ausgelagert wird: auf Projektsteuernden, Planer, Berater. Diese stützen sich dann auf Erfahrungswissen, das – wie die Entscheidung des BGH vom 9.11.2023 (VII ZR 190/22) deutlich zeigt – keine rechtliche Beratung ersetzen darf. Wer keine anwaltliche Zulassung hat, darf keine Rechtsberatung erbringen, auch nicht im Gewand gut gemeinter Hilfe. Planer und Projektsteuernden sind aber regelmäßig nicht mehr greifbar, wenn es später zu Problemen kommt. Also bei der Abnahme, der Abrechnung oder der Mängelverfolgung. Der Bauherr stehen dann oft allein da.
In der Praxis kommt erschwerend hinzu, dass die meisten Bauverträge nicht von Juristen vorbereitet werden, sondern von Architekten, Fachplanern oder Projektsteuernden. Auch bei Ausschreibungen und Vergaben begleiten in der Regel und Nichtjuristen; mit enormer Verantwortung, aber oft ohne juristisches Fundament. Es fehlt ein stabiler rechtlicher Kompass im Alltag. Es fehlt eine verständliche, strukturierte Grundlage, die nicht erst dann aktiviert wird, wenn ein Konflikt bereits existiert, sondern im Vorfeld Orientierung gibt. Genau hier setzt Sovereign AI an.
Im Zentrum steht eine juristisch kuratierte Wissensbasis
Können Sie zusammenfassen, was Ihre KI leistet und was die Vorteile für die Nutzer sind?
Die KI ist keine Rechtsberaterin, sondern ein intelligentes Werkzeug zur Strukturierung, Einordnung und Dokumentation. Sie bietet tägliche Verfügbarkeit ohne Schwellenangst und stellt ein barrierefreies Fundament, auf dem souveräne Entscheidungen überhaupt erst möglich werden. Sovereign AI gibt juristisch fundierte Orientierung bei typischen Fragen der Projektpraxis wie Fristen, Formvorgaben, Mängelrechte und Vergabeformen. Bei Bedarf ermöglicht sie einen sauberen Übergang zur weiteren juristischen beziehungsweise anwaltlichen Prüfung. Die KI hilft, komplexe juristische Informationen verständlich und nachvollziehbar zu machen. Das Ziel ist es, Nutzer in die Lage zu versetzen, selbst zu denken, statt bloß eine fertige Antwort zu konsumieren.
Im Zentrum steht eine juristisch kuratierte Wissensbasis: Rechtsinformationen mit Systematik, Beiträge von Fachanwälten, etwa zu typischen Praxisproblemen wie Mängeln, Nachträgen und Genehmigungsfragen sowie eine von Fachanwälten kommentierte Urteilsdatenbank, beginnend mit den wichtigsten BGH-Entscheidungen, ergänzt durch relevante Instanzenrechtsprechung. Die Antworten der KI werden in der Regel mit Originalquellen aus Gesetz, Rechtsprechung, Kommentarliteratur belegt und bleibt damit nachvollziehbar. Das unterscheidet Sovereign AI von generativen Blackbox-Systemen.
Was wäre ein typischer Use Case in der Praxis?
Die technische Entwicklung erfolgte gemeinsam mit den Anwältinnen und Anwälten der Kanzlei Koenen Bauanwälte, nicht auf dem Reißbrett, sondern entlang echter Fallarbeit. In einer Beta-Phase wurde das System im Alltag getestet und stetig verfeinert. Sovereign AI ist allerdings ein Community-Projekt: Wenn Nutzer – nur mit Einwilligung – Hinweise geben oder Lücken benennen, erweitert sich das System und wächst mit der Praxis.
In einem typischen Anwendungsfall will ein Bauherr wissen, ob er eine Rechnung kürzen darf, weil die Leistung nicht vollständig oder mangelhaft war. Statt in Suchmaschinen oder Foren zu suchen, stellt er die Frage an Sovereign AI. Die KI strukturiert die Fragestellung, erläutert die Unterschiede zwischen Minderung, Zurückbehaltungsrecht und Schadensersatz mit Verweis zum Beispiel auf § 641 BGB und § 13 VOB/B und die BGH-Rechtsprechung und ergänzt mit Fachkommentierung. Der Nutzer sieht die Zusammenhänge und kann entscheiden, ob er den nächsten Schritt selbst geht oder anwaltliche Hilfe hinzuzieht. Die KI entscheidet nicht, sondern macht durch Wissen Souveränität möglich.
Gute Daten = gute KI?
Sie laden dazu ein, das Recht neu zu erleben. Wie dürfen wir uns das vorstellen?
Wir schaffen digitale und physische Erlebnisräume. Im Sovereign Store in Münster können sich Menschen aufhalten, lernen und zu Rechtsfragen austauschen. Hier gibt es einen leisen Raum für Konzentration, ein Atrium zur Begegnung, ein Scriptorium für Wissensarbeit mit KI und Literatur, ein Refugium zum Rückzug sowie kuratierte Displays und Events. In der Community und Academy sind über eine digitale Plattform wählbare Austauschformate, Workshops und Fortbildungen verankert. Hier werden auch die Inhalte der KI diskutiert und weiterentwickelt. R echt kann sich durch diese stets zugänglichen Formen als Prozesskompetenz im Projektalltag etablieren.
Gute Daten = gute KI. Auf welcher Datenbasis lernt Ihre KI? Und wie gehen Sie mit dem Thema Datensicherheit um?
Zur Datenbasis kann ich sagen, dass wir mit juristisch kuratierten Inhalten arbeiten und das Wissen entlang bau- und immobilienrechtlicher Prüfpfade strukturieren. Spezialisierte juristische Modelle liefern bekanntlich gerade dann belastbare Ergebnisse, wenn sie mit Rechtsprechung und Gesetzestexten trainiert werden. An diesem Prinzip orientiert sich unser Setup. Datenschutz und Datensicherheit haben für uns den höchsten Stellenwert. Die auf den Servern von Sovereign AI in Deutschland gespeicherten Daten werden nicht nur technisch geschützt, sondern auch regelmäßig überprüft – sowohl durch unseren Datenschutzbeauftragten als auch durch den bestellten KI-Beauftragten. Beide stellen sicher, dass sämtliche gesetzlichen Anforderungen eingehalten und die Daten jederzeit mit größtmöglicher Sorgfalt behandelt werden.
Sie bieten die Software kostenlos an. Wie finanziert sich die Sovereign KI?
Die Basisversion bleibt kostenfrei und ist unser Beitrag zur juristischen Teilhabe im Baurecht. Die Finanzierung erfolgt über komplementäre Säulen: Partner‑, Lizenz- und Servicemodelle mit erweiterten Funktionen, Academy- und Community‑Formate wie vertiefende Kurse, Zertifikate, kuratierte Events und Live-Programme im Store wie Workshops, Show‑&‑Tell, In‑house‑Schulungen. Damit bleibt einerseits der offene Zugang zur KI-Nutzung und Sovereign Community erhalten, andererseits können Erweiterungen dazu gebucht werden.
Expo Real Panel: KI-gestütztes Planen, Bauen und Entwickeln von Immobilien 6.10.2025, 11:00 Uhr - 11:50 Uhr | Halle A3, Stand TB80 Transform & Beyond Stage Auf dem Podium: Andreas Koenen (Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht sowie Fachanwalt für Verwaltungsrecht bei Koenen Bauanwälte / Gründer der Sovereign GmbH und der Sovereign AI GmbH), Philipp Gellert (iVivid GmbH), Nadine Bischoff (Landratsamt Neckar-Odenwald-Kreis), Lisa Lenz (Building Information Management GLW GmbH) |
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