"Urban Block 4.0" – ohne Baurechtsreform keine smarte Stadt
Im April 2020 hat der Berufsverband RICS Deutschland das Positionspapier "Urban Block 4.0: Das intelligente Quartier" vorgelegt. Im Zentrum: Das Modell der klassischen Blockrandbebauung – wie es in den gründerzeitlichen Vierteln der deutschen Großstädte vorherrschte – soll in das digitale Zeitalter des 21. Jahrhunderts transformiert werden. Darauf baut das Konzept der RICS auf.
Um die Idee dieser Bebauung und Besiedlung in den Städten umzusetzen, verlangt es nach einer höheren bauliche Dichte, der sozialen und funktionalen Durchmischung und flexiblen Nutzungsmöglichkeiten – die selbst Light-Industrial-Immobilien in der Nähe zu Wohnen ermöglicht.
Das setzt Änderungen des öffentlichen Baurechts voraus. Die RICS regt im neuen Positionspapier "Urban Block 4.0 – Vorschläge für eine Reform des öffentlichen Baurechts" an, gesetzgeberisch tätig zu werden.
Bauliche Dichte: Kompakte Stadt der kurzen Wege
Um eine höhere bauliche Dichte in Städten zu erreichen, sind nach Auffassung der RICS zunächst Änderungen in der Baunutzungsverordnung (BauNVO) erforderlich – konkret bei den Vorgaben des Maßes der baulichen Nutzung (§§ 16 ff. BauNVO). § 17 BauNVO regelt die Obergrenzen für die Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung. Die dort gezogenen "Dichte-Obergrenzen" der Grundflächenzahl (GRZ), der Geschossflächenzahl (GFZ) und der Baumassenzahl (BMZ) stehen dem Ziel einer höheren baulichen Dichte entgegen.
Der Verband schlägt vor, diese Zahlen zumindest für urbane Gebiete und Kerngebiete, aber auch für andere Gebietstypen der BauNVO anzuheben. "Besser wäre es sogar, die Obergrenzen gänzlich zu streichen, um so eine höhere Flexibilität auch im Hinblick auf die mögliche innerstädtische Verdichtung bei der Planung beziehungsweise Weiterentwicklung von Stadtquartieren zu ermöglichen", so Frank Müller, Co-Autor des Positionspapiers.
Flexible Nutzung und Nutzungsmix
Ob ein Stadtquartier modern und zeitgemäß ist, hängt RICS zufolge auch davon ab, wie flexibel die Nutzungsmöglichkeiten (Art der baulichen Nutzung, §§ 1ff. BauNVO sind) – der Berufsverband kommt zu dem Schluss, dass die geltenden Baugebietsvorgaben der BauNVO den urbanen Megatrends nicht standhalten. Demzufolge müsste zum Beispiel die Umwandlung von gewerblich genutzten Flächen in Wohnraum erleichtert werden, ebenso wie soziale Nutzungsformen und eine funktionale Mischung planerisch und städtebaulich einfacher werden sollten.
"Nur so kann beispielsweise der Flächenbedarf reduziert und den steigenden Anforderungen des innerstädtischen Verkehrs Rechnung getragen werden", heißt es in dem Papier. In Ansätzen trägt das Urbane Gebiet nach § 6a BauNVO dem bereits Rechnung. Gleiches gilt für das Mischgebiet (§ 6 BauNVO). Insbesondere aber das Kerngebiet (§ 7 BauNVO) und auch die Wohngebiete nach §§ 2-4 BauNVO sollten hinsichtlich der zulässigen Arten der baulichen Nutzung erheblich flexibilisiert werden. Als konkretes Beispiel nennt RICS die Zulassung von Wohnnutzungen in Kerngebieten.
Urban Block: Auch TA Lärm muss angepasst werden
Für das Idealbild des flexiblen urbanen Block reichen RICS zufolge die oben genannten Anpassungen der BauNVO bei Art und Maß der baulichen Nutzung nicht aus. Änderungen sind auch ordnungsrechtlich, insbesondere in der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) und im Bundesimmissionsschutzgesetz (BImschG) notwendig, so die Autoren des Positionspapiers. Flankierend zu den bauplanerischen Maßnahmen müssten folgende vier Bereiche reformiert werden:
- Liberalisierung und Angleichung der Immissionsrichtwerte für die unterschiedlichen Gebietstypen – ohne Aufgabe der städtebaulichen (Quartiers-) Qualität (Ziffer 6.1 der TA Lärm).
- Flexibilisierung und Anpassung der Lärmkarten für Ballungsräume (§ 47c BImSchG).
- Überarbeitung des Verständnisses von typologischen Lärmquellen (unter anderem § 2 der 34. BImSchV sowie Ziffer 2.5 der TA Lärm in Verbindung mit § 3 Abs. 6 BImSchG).
- Überarbeitung beziehungsweise Verlegung des Messpunkts im Bereich Wohnen (richtet sich nach Ziffer 2.3 der TA Lärm nach Nummer A.1.3 des Anhangs zur TA-Lärm).
"Weiterentwickelter Schallschutz sowie neue Technologien zur Reduzierung von Emissionen schaffen heute die Möglichkeit, bisher immissionsträchtige Tätigkeiten immissionsarm auszuüben. Sie können damit an andere Nutzungsarten wie Wohnen heranrücken", erläutert Müller. Dies sollte sich in den technischen und ordnungsrechtlichen Regularien widerspiegeln, damit die gewünschte Flexibilisierung des Bauplanungsrechts in der Praxis umgesetzt werden kann.
Leipzig Charta 2.0
Mit der Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt haben sich die für Stadtentwicklung zuständigen Minister der EU-Mitgliedstaaten im Jahr 2007 dazu verpflichtet, sich für eine nachhaltige und integrierte Stadtentwicklung einzusetzen.
In Vorbereitung der EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands 2020 wird seit etwa zwei Jahren "The New Leipzig Charter – The Transformative Power of Cities for the Common Good" diskutiert. Sie soll künftig neben der "New Urban Agenda for the EU" als neue Grundlage der europäischen Stadtentwicklungspolitik dienen. Die "Charta von Leipzig 2.0" soll auf einem Treffen der Minister Ende November, Anfang Dezember 2020 in Leipzig beschlossen werden.
Mit deren Umsetzung in deutsches Recht würde sich nach Ansicht von Martin Eberhardt, dem Initiator der RICS-Positionen zum "Urban Block 4.0" und Mitglied im RICS Governing Council, ein Anlass bieten, die gesamte Baunutzungsverordnung neu zu fassen und Nachhaltigkeitsaspekte zu verankern. Man ermuntere Politik und Verwaltung, "den großen Wurf nicht aus dem Auge zu verlieren" und mutig zu sein, so Eberhardt.
RICS-Positionspapier "Urban Block 4.0 – Vorschläge für eine Reform des öffentlichen Baurechts"
RICS-Positionspapier "Urban Block 4.0 – zentraler Baustein für intelligente Stadtquartiere"
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