BFH-Kommentierung: Abzinsung einer Darlehensverbindlichkeit

Wird eine zunächst bedingt verzinsliche Darlehensverbindlichkeit ohne Eintritt der Bedingung nachträglich in eine fest verzinsliche Darlehensverbindlichkeit umgewandelt, liegt ein verzinsliches Darlehen vor. Eine Abzinsung hat nicht zu erfolgen. Dies bringt der BFH in einem aktuellen Urteil zum Ausdruck.

Praxis-Hinweis: Wie die Abzinsung verhindert werden kann

Die Entscheidung des BFH (Urteil vom 18.09.2018 - XI R 30/16) betrifft einen Sonderfall, der in der Praxis eher selten vorkommen dürfte. Das Urteil bietet aber Gelegenheit, sich noch einmal die Rechtslage hinsichtlich der Abzinsung von Verbindlichkeiten im Allgemeinen vor Augen zu führen. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG sind Verbindlichkeiten mit einem Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn

  • die Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als 12 Monate beträgt,
  • die Verbindlichkeit verzinst wird oder 
  • eine Anzahlung darstellt.

Es ist also recht einfach, einer Abzinsung zu entgehen, da der Gesetzgeber keinen Mindestzins vorschreibt. Bereits eine minimale Verzinsung führt dazu, dass eine Abzinsung zu unterbleiben hat. Hinzu kommt, wie der BFH in seiner Entscheidung unter Verweis auf frühere Entscheidungen zum Ausdruck bringt, dass eine Zahlung der Zinsen nicht erforderlich ist. Die zentrale Aussage des hier vorliegenden BFH-Urteils ist aber, dass es keiner Verzinsungsabrede von Beginn an bedarf, sondern dass diese auch im Nachhinein erfolgen kann. Steuerpflichtige sind nach diesem Urteil etwas flexibler in der Gestaltung ihrer Darlehensverträge. Gleichwohl erscheint es im Regelfall angezeigt, bereits von Beginn an eine feste Verzinsung – und sei es in minimaler Höhe – zu vereinbaren, um gar nicht erst in lästige Diskussionen mit der Finanzverwaltung über das Erfordernis einer Abzinsung zu geraten.

Darlehen ohne Laufzeitvereinbarung und ohne Mindestverzinsung

Klägerin war eine Unternehmergesellschaft (UG). Diese erhielt von ihrem Alleingesellschafter Darlehen über 750 TEUR. Eine Laufzeit wurde für die Darlehen nicht vereinbart, es bestand aber eine Kündigungsmöglichkeit mit einer Frist von 30 Tagen. Die UG erwarb mit den Darlehensmitteln Aktien, die innerhalb eines Jahres weiterveräußert werden sollten. In den Darlehensverträgen war zunächst vorgesehen, dass die Darlehensforderung mit 3 % zu verzinsen war, allerdings nur, wenn aus der Beteiligung an der AG Dividenden gezahlt werden. Die Rückzahlung sollte aus dem Veräußerungserlös oder den Dividenden erfolgen, eine Mindestverzinsung bestand somit nicht. Die Aktien konnten dann nicht veräußert werden, auch gab es keine Dividende. Folglich unterblieb auch die Darlehenstilgung. Im Jahresabschluss zum 31.12.2010 passivierte die UG die Darlehen in voller Höhe. Zuvor hatten die Parteien am 24.11.2010 eine Mindestverzinsung ab 01.01.2011 vereinbart. Das Finanzamt erkannte dies nach Prüfung der Darlehensverträge an. Es gelangte zu der Auffassung, dass die Darlehensverbindlichkeiten unter Annahme einer Laufzeit von 12 Jahren abzuzinsen seien, da sie zum Bilanzstichtag unverzinslich seien. Dies führte zu einem um 373 TEUR höheren Jahresergebnis. Gegen diese Rechtsauffassung wandte sich die Klägerin. Das Einspruchsverfahren hatte keinen Erfolg, auch das Finanzgericht wies die Klage ab.

BFH entschied: Das Darlehen war verzinslich

Der BFH hingegen gab der Klägerin Recht und hob auf deren Revision die Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg auf. Entgegen der Ansicht des Finanzamts und des FG kam der BFH zu der Auffassung, dass es sich bei den Darlehensverbindlichkeiten um verzinsliche Darlehen gehandelt hat. Eine Abzinsung ist deshalb nicht erforderlich. Eine verzinsliche Verbindlichkeit liegt vor, wenn ein Darlehen mit einer Zinsvereinbarung verbunden ist. Die Nichtzahlung der Zinsen ist unerheblich. Dabei kann hier offen bleiben, ob bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehensvertrags eine Verzinsung vereinbart wurde oder erst später, da die Verzinsung auch nach dem Bilanzstichtag vereinbart werden kann. Spätestens zum Bilanzstichtag 31.12.2010 wurde die bedingte Verzinsung aber zu einer unbedingten Verzinsungsabrede, da am 24.11.2010 eine diesbezügliche Abrede getroffen worden war.

Diese Informationen könnten Sie auch interessieren:

BFH-Kommentierung: Auflösung eines passiven Rechungsabgrenzungspostens

Schlagworte zum Thema:  Abzinsung