Leitsatz

Wird ein bisher bedingt verzinstes Darlehen ohne Bedingungseintritt in ein die Restlaufzeit umfassendes unbedingt verzinstes Darlehen mit einem Zinssatz, der dem effektiven Zinssatz eines bei einer Landesbank refinanzierten Darlehens entspricht, umgewandelt, so liegt auch dann ein verzinsliches Darlehen i.S.  des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG vor, wenn die Verzinsungsabrede zwar vor dem Bilanzstichtag erfolgte, der Zinslauf aber erst danach begann.

 

Normenkette

§ 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG, § 63 Abs. 1 FGO

 

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erwarb im Jahr 2010 Aktien einer AG. Im Zusammenhang mit dem Erwerb der Aktien nahm die Klägerin bei ihrem Alleingesellschafter Darlehen in Höhe von 750.000 EUR auf. Die Darlehensverträge sahen vor, dass die Darlehensforderungen ab dem Tage des Geldeingangs bis zur Rückzahlung mit 3 % p.a. aus den erhaltenen Dividenden der AG zu ­verzinsen seien; die Verzinsung falle nur an, ­wenn die AG Dividenden zahle. Eine garantierte Mindest­verzinsung sei ausgeschlossen, ebenso die Kumulation der in einem Jahr nicht gezahlten Zinsen.

Dividendenzahlungen seitens der AG blieben aus. Daraufhin wurden die Bedingungen der streitgegenständlichen Darlehensverträge am 24.11.2010 angepasst und eine Mindestverzinsung mit Wirkung ab dem 1.1.2011 festgelegt.

In ihrem Jahresabschluss zum 31.12.2010 passivier­te die Klägerin die Darlehensverbindlichkeiten in ­voller Höhe. Das Finanzamt nahm an, die Ver­bindlichkeit sei abzuzinsen. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das FG (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.2.2016, 11 K 12058/13, Haufe-Index 9422509, EFG 2016, 1161) entschied, die Darlehensverbindlichkeiten seien abzuzinsen. Am Bilanzstichtag 31.12.2010 könne nicht von einer verzinslichen Verbindlichkeit ausgegangen werden, da die dividendenunabhängige Mindestverzinsung erst am 1.1.2011 und mithin nach dem Bilanzstichtag beginne. Es handele sich nicht um ein wertaufhellendes, sondern wertbe­gründendes Ereignis, das nicht auf den abgelaufenen Bilanzstichtag zurückwirke.

 

Entscheidung

Der BFH hob die Vorentscheidung auf und gab der Klage statt. Die Verbindlichkeit sei jedenfalls ab dem 24.11.2010 verzinslich. Ob die Forderung nicht ohnehin schon von Anfang an verzinslich war, auch wenn die Zahlung der Zinsen von der Zahlung von Dividenden der AG abhängig war (bejahend z.B. Schmidt/Kulosa, EStG, § 6 EStG Rz. 461; a. A.: wohl BMF vom 26.5.2005, BStBl I 2005, 699, Rz. 19), blieb dabei offen.

Ergänzend stellte der BFH klar, dass die maßgebliche Vereinbarung vom 24.11.2010 am Bilanzstichtag 31.12.2010 bekannt war. Nur bei Tatsachen, die nach dem Bilanzstichtag und bis zur Bilanzaufstellung eingetreten sind oder bekannt bzw. erkennbar werden, ist die Differenzierung zwischen wertaufhellenden und wertbegründenden Tatsachen beachtlich (s. z. B. BFH, Beschluss vom 12.12.2012, I B 27/12, BFH/NV 2013, 545, Rz. 8, m.w.N.).

 

Hinweis

1. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG sind Verbindlichkeiten unter sinngemäßer Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG anzusetzen und mit einem Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen. Ausgenommen von der Abzinsung sind u.a. Verbindlichkeiten, die verzinslich sind (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG).

2. Eine verzinsliche Verbindlichkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn das Darlehen mit einer Zinsvereinbarung verbunden ist (BFH, Urteil vom 27.1.2010, I R 35/09, BFH/NV 2010, 1005, BStBl II 2010, 478, Rz. 15). Dabei steht die Nichtzahlung der vereinbarten Zinsen einer Verzinslichkeit nicht entgegen (BFH, Beschluss vom 29.6.2009, I B 57/09, BFH/NV 2009, 1804).

3. Wird ein zunächst unverzinsliches Darlehen später in ein verzinsliches Darlehen umgewandelt, führt die spätere (unbedingte) Verzinsungsabre­de zu einer verzinslichen Verbindlichkeit i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG, sodass ab dem folgenden Bilanzstichtag die Abzinsung zu unterbleiben hat (s. BFH, Beschluss vom 22.7.2013, I B 183/12, BFH/NV 2013, 1779, Rz. 7, zum umgekehrten Fall eines zunächst verzinslichen Darlehens, das später durch eine Vereinbarung in ein unverzinsliches Darlehen umgewandelt wurde).

4. Ob die tatsächliche Verzinsung erst nach dem Bilanzstichtag erfolgt, ist dabei unerheblich. Da bereits bei der Ermittlung des anzusetzenden ­Betrags für die Verbindlichkeit (= Zeitpunkt des Bilanzstichtags) Zinsaspekte der Zukunft zu berücksichtigen sind, greift bereits zu diesem Zeitpunkt auch die Befreiung vom Abzinsungsgebot.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 18.9.2018 – XI R 30/16

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge