Rz. 20

Die Fiktion bzw. Vereinfachungsregelung des § 12 Abs. 3 Nr. 1 S. 2 UStG dient der Praktikabilität, da für den Lieferer einer Fotovoltaikanlage oder deren Komponenten im Einzelfall der Nachweis der gebäudebezogenen Voraussetzungen bzw. Belegenheitsvoraussetzungen (insbesondere die begünstigte oder nicht begünstigte Nutzung des betreffenden Gebäudes) nur schwer zu erbringen ist. Die Vereinfachungsregelung ist keinesfalls so zu verstehen, dass nur Fotovoltaikanlagen mit einer Bruttoleistung von nicht mehr als 30 kW (peak) begünstigt wären. Fotovoltaikanlagen mit einer Bruttoleistung von mehr als 30 kW (peak) können ebenfalls begünstigt sein, wenn sie alle Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 UStG erfüllen (Rz. 26ff.). Bei den meisten Ein- und Zweifamilienhäusern wird die Dachfläche nicht ausreichen, um Anlagen mit einer Bruttoleistung von mehr als 30 kW (peak) zu installieren. Somit können die (Werk-)Lieferer von Fotovoltaikanlagen in den meisten Fällen, in denen nur die Dachfläche eines Ein- oder Zweifamilienhauses mit Solarmodulen bestückt wird, die Fiktion des § 12 Abs. 3 Nr. 1 S. 2 UStG in Anspruch nehmen und den Nullsteuersatz anwenden.

Die Lieferung einer Fotovoltaikanlage mit einer Bruttoleistung von nicht mehr als 30 kW (peak) unterliegt aufgrund der Fiktion bzw. Vereinfachungsregelung des § 12 Abs. 3 Nr. 1 S. 2 UStG auch dann dem Nullsteuersatz, wenn die Anlage auf einem ansonsten nicht begünstigten Gebäude (Rz. 27ff.) installiert wird. Dies gilt insbesondere für Fotovoltaikanlagen auf Gewerbegebäuden (z. B. Supermärkten, Werkstattgebäuden, Lagerschuppen usw.), aber auch auf landwirtschaftlichen Gebäuden (z. B. Stallgebäuden). Ebenso unterliegen auch Freilandanlagen mit einer Leistung von nicht mehr als 30 kW (peak) dem Nullsteuersatz, unabhängig davon, ob sie sich in der Nähe irgendeines Gebäudes befinden.[1]

 

Rz. 21

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung – FAZ – berichtet, wie es zu der 30 kW-Grenze gekommen sei.[2] Danach soll diese Regelung auf ein Interview des "Steuerfabi" von TikTok (Fabian Walter) mit Bundesfinanzminister Christian Lindner zurückgehen. Steuerfabi habe seine Zuschauer gefragt, was sie gerne vom Bundesfinanzminister wissen wollten. Und da sei gesagt worden, dass die bisherige Grenze von 10 kW (peak), die aus Vereinfachungsgründen für die Annahme der einkommensteuerlich unbeachtlichen Liebhaberei bei Fotovoltaikanlagen als maßgebend angesehen wird[3], zu niedrig sei. Dies habe sich der Bundesfinanzminister gemerkt und so sei es zu der nun in § 12 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 UStG und im EStG geltenden Grenze von 30 kW (peak) gekommen.

 

Rz. 22

Handelt es sich um die Lieferung einer Fotovoltaikanlage bis zu 30 kW (peak), hat es der Lieferer einfach. Da er die Bruttoleistung der von ihm gelieferten Anlage kennt, kann er bei Lieferungen an einen Anlagenbetreiber ohne weitere Prüfung der Voraussetzungen von einer begünstigten Anlage ausgehen, für die der Steuersatz von 0 % gilt. Der Lieferer braucht somit z. B. nicht zu prüfen, ob die Anlage in der Nähe der Privatwohnung seines Kunden installiert wird oder ob das betreffende Gebäude für eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt wird.

[1] So auch Fietz/Mayer, NWB 10/2023, 706, 717.
[2] FAZ v. 10.1.2023, 20.

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