Rz. 282

Die künftige Nutzungsdauer eines Wirtschaftsguts steht zum Zeitpunkt der Anschaffung bzw. Herstellung im Regelfall nicht fest. Sie ist deshalb zu schätzen. Der Stpfl. hat die tatsächlichen Grundlagen für die Schätzung darzutun. Maßgebend sind die Erwägungen, die ein vorsichtig überlegender und vernünftig wirtschaftender Kaufmann anstellen würde. Abzustellen ist nicht auf die subjektiven Ansichten des Stpfl., sondern auf allgemeine Erfahrungssätze. Übervorsicht und völlig ungewisse Zukunftsmöglichkeiten bleiben bei der Schätzung außer Betracht.[1] Für dasselbe Wirtschaftsgut kann es nur eine einheitliche Nutzungsdauer geben.[2] Bei der Schätzung zu berücksichtigen sind auch rechtliche Gegebenheiten. Diese können die Nutzungsdauer eines Wirtschaftsguts begrenzen. Keine Berücksichtigung im Rahmen der Schätzung finden dagegen zukünftige unbestimmte Ereignisse. Auszugehen ist bei der Schätzung von der technischen Nutzungsdauer. In der Ergänzungsbilanz des Erwerbers eines Gesellschaftsanteils an einer Personengesellschaft ist die Restnutzungsdauer von Wirtschaftsgütern des Gesellschaftsvermögens unabhängig von der Gesamthandsbilanz neu zu schätzen. Abzustellen ist auf den Zeitpunkt des Anteilserwerbs.[3]

 

Rz. 283

Die Schätzung durch den Stpfl. ist nicht anzuerkennen, wenn sie offensichtlich außerhalb des angemessenen Schätzungsrahmens liegt. In diesen Fällen kann die Finanzverwaltung nach Maßgabe von § 162 AO schätzen. Das Ergebnis der Schätzung bleibt bis zu einer grundlegenden Änderung der Verhältnisse unberührt. Die Finanzverwaltung ist nach dem Prinzip der Abschnittsbesteuerung grundsätzlich nicht gehindert, die AfA in jedem Vz neu zu ermitteln. Eine Bindung an die Vorjahre besteht im Regelfall nicht.[4] Neue schätzungsrelevante Tatsachen können auch Anlass für die Berichtigung eines Steuerbescheids nach § 173 AO sein. Hat sich die Finanzverwaltung mit dem Stpfl. über die Schätzung der Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts geeinigt, besteht eine Bindung daran nach Treu und Glauben bis zu dem Zeitpunkt, zu dem sich herausstellt, dass die Schätzung unrichtig war. Dabei muss die Schätzung erheblich von der zutreffenden Nutzungsdauer abweichen. Eine Bindung für die Zukunft besteht nur dann, wenn der Stpfl. sich auf die Schätzung verlassen und diese zur Grundlage seiner wirtschaftlichen Dispositionen gemacht hat. Ermittelt wird die Nutzungsdauer von Amts wegen.[5]

 

Rz. 284

Ist die von dem Stpfl. nach seinen Vorstellungen richtig vorgenommene Schätzung objektiv unrichtig, scheidet eine Berichtigung bestandskräftiger Veranlagungen für die Vergangenheit nach § 173 AO aus. Gleiches gilt auch bei einer zu kurz geschätzten Nutzungsdauer für die Zukunft, da sich insoweit nur das einer jeden Schätzung innewohnende Risiko realisiert. Dies gilt m. E. dann nicht, wenn die Schätzung erheblich von der tatsächlichen Nutzungsdauer abweicht.[6] Auch bei einer zu lang geschätzten Nutzungsdauer ist die AfA bei erheblichen Abweichungen von der tatsächlichen Nutzungsdauer, vom ersten noch nicht bestandskräftig veranlagten Jahr an nach dem Restwert und der neuen voraussichtlichen Restnutzungsdauer zu bemessen.[7] War die vom Stpfl. vorgenommene Schätzung fehlerhaft, sind bestandskräftige Veranlagungen nach § 173 AO zu berichtigen. Ist dies nicht möglich, muss der Restbuchwert auf die neu geschätzte Restnutzungsdauer verteilt werden.[8] Entsprechendes gilt, wenn der Stpfl. bewusst eine falsche Schätzung vorgenommen hat.[9] Keine Geltung hat dies, wenn die Grundsätze von Treu und Glauben im Einzelfall eine Durchbrechung des Bilanzzusammenhangs gebieten mit der Folge, dass der Buchwert des Wirtschaftsguts in der Anfangsbilanz des Wirtschaftsjahrs, dessen Gewinn zu ermitteln ist, erfolgsneutral durch entsprechenden niedrigeren Ansatz zu berichtigen ist.[10] Ein Verstoß gegen Treu und Glauben, der eine Durchbrechung des Bilanzzusammenhangs rechtfertigt, liegt vor, wenn der Stpfl. bewusst eine nach wirtschaftlichen Grundsätzen gebotene AfA auf spätere Jahre verlagert, um dadurch für die Gesamtheit der Steuerabschnitte unberechtigt zu einer beachtlichen Steuerersparnis zu kommen. Ein solcher Verstoß liegt dagegen nicht vor, wenn ein Stpfl. einen gewinnerhöhenden Bilanzansatz ausschließlich aus außersteuerlichen Gründen gewählt hat.

 

Rz. 285

Kommt es im Laufe der Nutzung des Wirtschaftsguts, z. B. aufgrund Vornahme von Herstellungsaufwand, zu einer Verlängerung der Nutzungsdauer, ist der Restwert auf die neu geschätzte Restnutzungsdauer zu verteilen.[11] Entsprechendes gilt auch bei einer Verkürzung der Nutzungsdauer, z. B. durch erhöhte technische Beanspruchung. Die objektive Beweislast für Umstände, die zu einer Verkürzung bzw. Verlängerung der Nutzungsdauer führen, trägt der Stpfl.

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