Rz. 56

Daher sind über das Abzugsverbot für die sog. Repräsentationsaufwendungen hinaus solche Aufwendungen nicht abziehbar, die tatsächlich objektiv unteilbar sind, bei denen sich die betrieblichen (beruflichen) und privaten Ursachen (Anlässe) überhaupt und für jedermann gänzlich einer Quantifizierung entziehen, weil (sachgerechte) objektive bzw. objektivierbare Aufteilungskriterien fehlen (Rz. 39), z. B. für Reiseaufwendungen, falls der Stpfl. am Zielort untrennbar betriebliche (berufliche) und private Zwecke verfolgt, oder Aufwendungen des Betriebsinhabers im Krankheitsfall, ohne dass eine typische Berufskrankheit vorliegt, Mitgliedsbeiträge an einen Sportverein, wenn die Mitgliedschaft zugleich der Anbahnung geschäftlicher Kontakte dienen soll.[1]

Dies ist aber die Ausnahme, nicht die Regel (Beispiele in Rz. 51). Beispielsweise kann der Geschäftsmann, der seine Ehefrau aus privaten Gründen mit auf eine beruflich veranlasste Reise nimmt – bei der auslösendes Moment also der geschäftliche Anlass war – die beruflich veranlassten Aufwendungen abziehen; lediglich die privat bedingten Mehrkosten sind nach § 12 Nr. 1 EStG vom Abzug ausgeschlossen. War hingegen in dem Beispiel das auslösende Moment nicht beruflich bedingt, sondern sowohl beruflich wie privat, sind grundsätzlich – vorausgesetzt, ein objektiver Aufteilungsmaßstab besteht – sämtliche Aufwendungen aufzuteilen.

 

Rz. 56a

Bei gleichzeitiger Verwirklichung der gemischten Veranlassung kommt es nicht auf das Überwiegen des einen oder anderen Anlasses an.[2] Bei solchen Mischfällen gleichzeitiger Veranlassung ohne Existenz eines objektiven Aufteilungsmaßstabes hat § 12 Nr. 1 EStG vielmehr lediglich deklaratorische Bedeutung. Bei untrennbarer betrieblicher (beruflicher) und privater Mitveranlassung kommt ein Abzug als Betriebsausgaben oder Werbungskosten ohnehin nicht in Betracht, weil solche Mischaufwendungen bereits die begrifflichen Voraussetzungen von Betriebsausgaben oder Werbungskosten nicht bzw. nicht voll erfüllen.[3]

 

Rz. 57

Fraglich ist, unter welchen Voraussetzungen bei Vorliegen einer Doppelmotivation von Aufwendungen ein Abzug als Erwerbsaufwand ausscheidet, weil ein sachlicher Aufteilungsmaßstab fehlt. Zum Teil wurde auch bei gleichzeitiger Verwirklichung der gemischten Veranlassung vom BFH schon vor der Entscheidung des Großen Senats[4] eine Aufteilung im Schätzungswege vertreten, so z. B. bei Kfz-Aufwendungen für eine mit einer Kongressreise verbundenen Urlaubsreise (Rz. 45).[5] Hier dient die Fahrt zum Zielort gleichzeitig beiden Zwecken, dem Kongressbesuch sowie dem Aufsuchen des Urlaubsorts. Ebenso, wenn eine Fahrt nicht nur der Verwaltung des Vermögens am Zielort dient, sondern auch einem Verwandtenbesuch. Zu trennen sind insoweit die Fälle der zeitlich nacheinander verwirklichten Anlässe (Rz. 58) von denen der gleichzeitigen Verwirklichung von Anlässen (Rz. 59ff.).

[1] Fischer, NWB 2010, 412ff. spricht in Anknüpfung an BVerfG v. 9.12.2008, 2 BvL 1/07 u a., BFH/NV 2009, 338 von "gemischte Motivlage" mit "multikausalen und multifinalen Wirkungszusammenhängen"
[2] Claßen, in Lademann, EStG, § 12 EStG Rz. 25ff.; Offerhaus, BB 1979, 617, 668.
[3] Söhn, in Söhn, Die Abgrenzung der Betriebs- oder Berufssphäre von der Privatsphäre im Einkommensteuerrecht, 50, 56; Tipke, StuW 1979, 193, 204.
[5] Ernst/Young, BB 2004, 1024.

2.2.2.2.1 Zeitlich nachfolgende Veranlassung

 

Rz. 58

Verwirklichen sich die (betrieblichen) beruflichen und die die Lebensführung betreffenden Anlässe nicht gleichzeitig, sondern zeitlich nacheinander, sind die Aufwendungen nach überwiegender Meinung – notfalls im Schätzungsweg – in einen abziehbaren betrieblichen (beruflichen) und einen nicht abziehbaren privaten Anteil aufzuteilen. Für diese Fallgruppe gilt § 12 Nr. 1 S. 2 EStG nicht. Dies ist vor dem Hintergrund des Beschlusses des Großen Senats evident. Ein generelles Aufteilungsverbot würde hier zudem zu ungerechten Ergebnissen, den Grundsätzen steuerlicher Gleichbehandlung und der Besteuerung nach der objektiven Leistungsfähigkeit (objektives Nettoprinzip, Rz. 7ff.) widersprechenden Ergebnissen führen.[1] Danach muss über die vom BFH schon vor der Rechtsprechungsänderung anerkannten Fälle (insbesondere Kfz-Nutzung, Telefongebühren, Rz. 45) hinaus auch (grundsätzlich) bei zeitlich nacheinander erfolgender Nutzung für Erwerbszwecke einerseits und private Zwecke andererseits eine Aufteilung erfolgen, z. B. bei Anschaffung eines Nachschlagewerks durch einen Lehrer, eines Musikinstruments durch einen Musiker, eines Computers durch einen Lehrer usw.[2] Dies gilt m. E. auch bei der Nutzung eines häuslichen Arbeitszimmers – zeitlich nacheinander – für betriebliche (berufliche) und für private Zwecke.[3] Die hierzu noch vom BFH[4] vertretene Auffassung ist zweifelhaft, soweit die vom Stpfl. gemachten Angaben zum zeitlichen Umfang der beruflichen und der privaten Nutzung eine griffweise Schätzung ermöglichen. Dann steht ein objektiv nachprüfbarer Aufteilungsmaßstab zur Verfügung.[5] Die je...

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