Rz. 7

Die ESt berücksichtigt dadurch, dass sie auf das Einkommen als Bemessungsgrundlage abstellt, in besonderem Maß die wirtschaftliche und damit steuerliche Leistungsfähigkeit des Stpfl., und zwar die objektive Leistungsfähigkeit (Abstellen auf die Reineinkünfte, den Nettoertrag) und die subjektive Leistungsfähigkeit (Minderung des Gesamtbetrags der Einkünfte um bestimmte private oder persönliche Abzüge, z. B. Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen). Ein Ausfluss des Grundsatzes der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ist das sog. (steuerrechtliche) Nettoprinzip.[1]

 

Rz. 8

Das objektive Nettoprinzip ist ein tragendes Strukturelement des Einkommensteuerrechts[2] und besagt zum einen, dass steuerlich nicht das Roheinkommen, d. h. nicht die Einnahmen, sondern lediglich das Reineinkommen als Saldo aus positiven und negativen Faktoren (Gewinn oder Überschuss der Roheinnahmen über die Werbungskosten) zu erfassen ist, denn nur dieser Nettobetrag (Erwerbseinnahmen abzüglich betrieblicher/beruflicher Erwerbsaufwendungen) steht zur privaten Lebensführung und damit auch zum Zweck der Steuerzahlung zur Verfügung. Zudem bedürfen Abzugsverbote eines besonderen, verfassungsrechtlich tragfähigen sachlichen Grundes.[3] Durch diesen Nettobetrag wird die objektive Leistungsfähigkeit erfasst.[4]

 

Rz. 9

Das objektive Nettoprinzip wird ergänzt durch das subjektive Nettoprinzip. Dieses berücksichtigt, dass solche Aufwendungen des Stpfl., die zur Erhaltung seiner eigenen Existenz oder der seiner Familie erforderlich sind (existenzsichernder Aufwand), kein Ausdruck wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit sind und deshalb steuermindernd zu berücksichtigen sind.[5] Beträge, die zur Deckung des existenznotwendigen Bedarfs aufgewandt werden, stehen für Steuerzahlungen nicht zur Verfügung mit der Folge, dass sie bei der Besteuerung ausgenommen werden müssen.[6] Demnach ist nur dasjenige als stpfl. Einkommen zu erfassen, was nach Abzug existenznotwendiger Privatausgaben verbleibt, d. h. was disponibel ist und für Konsum, Sparen oder Investitionen zur Verfügung steht. Grundsätzlich ist deshalb zu unterscheiden zwischen den Ausgaben für betriebliche (berufliche) Zwecke, die die Bemessungsgrundlage schmälern, einerseits und den Ausgaben für private Bedürfnisse, die regelmäßig nicht steuermindernd abgesetzt werden können, andererseits. Innerhalb der Ausgaben zur Befriedigung privater Zwecke sind diejenigen Ausgaben auszuscheiden, die existenziell notwendig sind und deshalb, obwohl es sich um private Ausgaben handelt, mit Rücksicht auf die Erhaltung der eigenen Existenz und des notwendigen Unterhalts der Familie aus Gründen der Steuergerechtigkeit zum Abzug zugelassen sind, insbesondere durch Tariffreibeträge, als Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen.[7] Darüber hinaus soll nach § 12 EStG das zu versteuernde Einkommen als Bemessungsgrundlage nicht durch Privatausgaben geschmälert werden können.[8]

 

Rz. 10

Das objektive Nettoprinzip ergibt sich aus § 2 Abs. 2 EStG, wonach bei den Gewinneinkünften nicht die Betriebseinnahmen, sondern der Gewinn als Saldo zwischen Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben bzw. als Ergebnis eines Betriebsvermögensvergleichs und bei den Überschusseinkünften nicht die Einnahmen, sondern der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zugrunde gelegt werden. Daraus folgt, dass Aufwendungen des Stpfl. im Zusammenhang mit steuerbaren Einkünften grundsätzlich (als Betriebsausgaben oder Werbungskosten) abziehbar sein müssen, es sei denn, es besteht ausnahmsweise ein gesetzliches Abzugsverbot. Vermögensminderungen, die nicht im Zusammenhang mit einer Einkunftsart stehen, dürfen dagegen bei den einzelnen Einkunftsarten grundsätzlich nicht abgezogen werden, da sie auf den nach dem objektiven Nettoprinzip steuerlich zu erfassenden Nettobetrag als Maßstab der objektiven wirtschaftlichen und damit steuerlichen Leistungsfähigkeit keinen Einfluss haben.

 

Rz. 11

Das subjektive Nettoprinzip ist in §§ 2 Abs. 4 u. 5, 32ff. EStG verankert. Bemessungsgrundlage der ESt ist danach nicht der Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG), sondern ein Betrag, der sich ergibt, wenn der Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 2 Abs. 4 EStG) bzw. das Einkommen (§ 2 Abs. 5, § 32 Abs. 6 EStG) um bestimmte private oder persönliche Abzüge vermindert worden ist.[9] Zum nicht disponiblen Einkommen gehören insbesondere das Familienexistenzminimum, Vorsorgeaufwendungen und außergewöhnliche Belastungen, die nicht durch den tariflichen Grundfreibetrag abgedeckt sind.

 

Rz. 11a

Das BVerfG sieht den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers insbes. im Einkommensteuerrecht durch zwei Leitlinien eingeschränkt: Das Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und das Gebot der Folgerichtigkeit i. S. v. horizontaler und vertikaler Gleichmäßigkeit.[10] Als Ausfluss des Grundsatzes der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit wird das Nettoprinzip jedenfalls im Grundsatz vom BVerfG als Ausgangstatbestand der ESt anerkannt.[11] Mit der Umschreibung der Begriffe B...

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