Rz. 58

Verwirklichen sich die (betrieblichen) beruflichen und die die Lebensführung betreffenden Anlässe nicht gleichzeitig, sondern zeitlich nacheinander, sind die Aufwendungen nach überwiegender Meinung – notfalls im Schätzungsweg – in einen abziehbaren betrieblichen (beruflichen) und einen nicht abziehbaren privaten Anteil aufzuteilen. Für diese Fallgruppe gilt § 12 Nr. 1 S. 2 EStG nicht. Dies ist vor dem Hintergrund des Beschlusses des Großen Senats evident. Ein generelles Aufteilungsverbot würde hier zudem zu ungerechten Ergebnissen, den Grundsätzen steuerlicher Gleichbehandlung und der Besteuerung nach der objektiven Leistungsfähigkeit (objektives Nettoprinzip, Rz. 7ff.) widersprechenden Ergebnissen führen.[1] Danach muss über die vom BFH schon vor der Rechtsprechungsänderung anerkannten Fälle (insbesondere Kfz-Nutzung, Telefongebühren, Rz. 45) hinaus auch (grundsätzlich) bei zeitlich nacheinander erfolgender Nutzung für Erwerbszwecke einerseits und private Zwecke andererseits eine Aufteilung erfolgen, z. B. bei Anschaffung eines Nachschlagewerks durch einen Lehrer, eines Musikinstruments durch einen Musiker, eines Computers durch einen Lehrer usw.[2] Dies gilt m. E. auch bei der Nutzung eines häuslichen Arbeitszimmers – zeitlich nacheinander – für betriebliche (berufliche) und für private Zwecke.[3] Die hierzu noch vom BFH[4] vertretene Auffassung ist zweifelhaft, soweit die vom Stpfl. gemachten Angaben zum zeitlichen Umfang der beruflichen und der privaten Nutzung eine griffweise Schätzung ermöglichen. Dann steht ein objektiv nachprüfbarer Aufteilungsmaßstab zur Verfügung.[5] Die jeweiligen Veranlassungsbeiträge sind insoweit nicht derart miteinander verknüpft, dass eine Trennung und damit eine Aufteilung der Aufwendungen willkürlich erschiene. Im Zweifel wird – soweit ein besserer Aufteilungsmaßstab nicht zur Verfügung steht – eine Aufteilung im Verhältnis 50:50 möglich sein; die Aufteilung hängt aber von den gesamten Einzelfallumständen ab.

Dem widersprach der BFH: Auch nach der zur Aufgabe des Aufteilungs- und Abzugsverbots führenden Rspr.-Änderung setze der Begriff des "häuslichen Arbeitszimmers" eine nahezu ausschließliche berufliche (betriebliche) Nutzung des (jeweiligen) Raums voraus. Wird ein (nach seiner Ausstattung) als häusliches Arbeitszimmer zu qualifizierender Raum in mehr als nur untergeordnetem Umfang (mehr als 10 %) auch privat genutzt, sind die darauf entfallenden Aufwendungen nicht als Werbungskosten (Betriebsausgaben) abziehbar.[6]

Das gilt auch nicht für büromäßig eingerichtete Zimmer, die in nennenswertem Umfang neben der Verrichtung von (Büro-)Arbeiten auch anderen Zwecken dienen, etwa als Gästezimmer; diese sind bereits nach dem allg. Wortverständnis keine Arbeitszimmer. Darüber hinaus gilt dies auch für Räume, die sowohl zur Erzielung von Einnahmen (sog. "Arbeitsecken") als auch privaten Wohnzwecken dienen und erst recht für Räume, die bereits vom äußeren Erscheinungsbild her nicht dem Typus des Arbeitszimmers zuzurechnen sind, sondern ihrer Art (z. B. als Durchgangszimmer) oder ihrer Einrichtung nach erkennbar auch privaten Wohnzwecken dienen.

Die Möglichkeit eines anteiligen Werbungskosten-/Betriebsausgabenabzugs bei solchen gemischt genutzten Räumen steht im Widerspruch zu dem nach dem Gesetzeswortlaut "häusliches Arbeitszimmer" nahe liegenden Sinn des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG (i. V. m. § 9 Abs. 4 EStG) und dem (vom Gesetzgeber formulierten) Zweck der Vorschrift. Dieser besteht darin, Aufwendungen für einen (zur Einnahmeerzielung genutzten) Raum zu erfassen und dabei den beruflichen vom privaten Bereich des Stpfl. sachgerecht abzugrenzen, Gestaltungsmöglichkeiten zu unterbinden und den Vollzug für die Finanzverwaltung zu erleichtern. Bei einer Aufteilung der Aufwendungen wäre dies nicht gewährleistet. Der Umfang der jeweiligen Nutzung lässt sich nicht anhand einfacher Maßstäbe schätzen und objektiv überprüfen. Die (ggf. anhand von Aufzeichnungen vorgelegten) Angaben des Stpfl. zur zeitlichen Nutzung sind – anders als etwa bei Fahrtenbüchern – i. d. R. nicht durch andere Informationen verifizierbar.[7]

Auch wenn sich bei einer Gesamtschau das Ineinandergreifen privater und beruflicher Nutzung eines Einfamilienheims, das von einer selbstständig tätigen Tagesmutter nicht nur zu privaten Zwecken, sondern auch für die Betreuung von Tageskindern genutzt wird, einer Aufteilung nach Flächen- und Zeitanteilen entzieht, können Aufwendungen für das eigengenutzte Haus nach diesen Maßstäben nicht anteilig als Betriebsausgaben (im Streitfall: bei den selbstständigen Einkünften der Tagesmutter berücksichtigt werden.[8]

Auch für Aufwendungen, die auf sonstige Räume (Küche, Bad und Flur) in der beruflich (betrieblich) genutzten Wohnung entfallen, scheidet ein anteiliger Betriebsausgaben-/Werbungskostenabzug aus.[9]

 

Rz. 59

Etwaige bei der Feststellung des Sachverhalts begründete Schwierigkeiten bei der Aufteilung stehen einer Schätzung nicht entgegen. Denn es liegt im Wesen einer Schätzung, d...

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