Leitsatz (amtlich)

1. Wer Einkünfte aus einer selbständig ausgeübten wissenschaftlichen, künstlerischen oder schriftstellerischen Tätigkeit bezieht, kann die Steuervergünstigung des § 34 Abs. 4 EStG nur erhalten, wenn seine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und/oder aus einer Katalogberufstätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG überwiegen. Für zusätzliche Einkünfte aus selbständig ausgeübter wissenschaftlicher, künstlerischer oder schriftstellerischer Tätigkeit kann die Vergünstigung des § 34 Abs. 4 EStG nicht gewährt werden.

2. Zur Gewährung der Steuervergünstigung des § 34 Abs. 4 EStG bei Beziehern von Einkünften aus selbständig ausgeübter unterrichtender oder erzieherischer Tätigkeit.

 

Normenkette

EStG (ab 1955) § 34 Abs. 4

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 14.01.1986; Aktenzeichen 1 BvR 209/79, 1 BvR 221/79)

 

Tatbestand

Zu entscheiden ist, ob einem Freiberufler ohne Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für einen Teil seiner Einkünfte aus selbständiger künstlerischer Tätigkeit die Tarifvergünstigung des § 34 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gewährt werden kann.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist freiberuflich als Komponist, Arrangeur, Kapellmeister und Pianist tätig. Er erhält seine Einnahmen im wesentlichen von einer Rundfunkanstalt (Anstalt) und von der GEMA. Als Arrangeur bearbeitet er eigene sowie fremde Kompositionen, als Kapellmeister und Pianist führt er eigene sowie fremde Kompositionen und Arrangements auf.

Für das Streitjahr 1966 beantragte der Kläger erstmals, einen Betrag von ... DM, den er als Kapellmeister und Pianist erhalten habe, nach dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 34 Abs. 4 EStG zu versteuern. Seine Einnahmen teilte er dabei wie folgt auf:

Komponist Kapellmeister

und Arrangeur und Pianist

(Haupteinnahmen) (Nebeneinnahmen)

Anstalt .... DM .... DM

GEMA .... DM - DM

sonstige ... DM ... DM

.... DM .... DM

(67,05 %) (32,95 %)

Nach Aufteilung der Betriebsausgaben (Arbeitszimmer, Fahrtkosten, Repräsentations- und Bewirtungskosten, Zeitschriften, Bücher, Schallplatten, Rechts- und Beratungskosten), im wesentlichen im Verhältnis der Haupt- und Nebeneinnahmen, errechnete der Kläger als Nebeneinkünfte aus seiner Tätigkeit als Kapellmeister und Pianist ... DM.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte die Tarifvergünstigung des § 34 Abs. 4 EStG für die Nebeneinkünfte - auch im Einspruchsverfahren - ab, weil die Tätigkeit des Klägers als Kapellmeister und Pianist von der übrigen freiberuflichen Tätigkeit nicht klar abgrenzbar sei.

Mit der Klage machte der Kläger weiterhin geltend, daß es sich bei seiner Tätigkeit als Komponist und Arrangeur einerseits und als Pianist und Dirigent andererseits durchaus um abgrenzbare Tätigkeiten i. S. von § 34 Abs. 4 EStG handele. Die Tätigkeit als Komponist und Arrangeur sei von der Tätigkeit als Dirigent und Pianist wesensverschieden. Die Tätigkeiten würden zwar manchmal von denselben Personen ausgeübt werden; meistens aber seien Dirigent und Komponist verschiedene Personen.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab und führte u. a. aus: Da die Tätigkeit des Klägers als Komponist oder Arrangeur nicht zu den Berufstätigkeiten der sog. Katalogberufe gehöre, könne die Haupttätigkeit des Klägers nicht zu den nach § 34 Abs. 4 EStG begünstigten Tätigkeiten zählen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. Dezember 1972 IV R 12/68, BFHE 107, 524, BStBl II 1973, 159). Auch wenn man dieser Auslegung nicht folge, fehle es an der Abgrenzbarkeit der Nebeneinkünfte von den Haupteinkünften. Für einen unabhängigen Dritten gehöre es zu dem Berufsbild des Komponisten und Arrangeurs, daß er sich auch mit der Einstudierung und Aufführung seiner Werke befasse. Die Tätigkeitsbereiche des Klägers gingen ineinander über und hätten einen unmittelbaren Zusammenhang. Es fehle auch an der rechnerischen Abgrenzbarkeit. Seine Betriebsausgaben könnten nicht rechnerisch abgegrenzt werden. Für eine steuerliche Begünstigung sei es unumgänglich, daß die Einkunftsteile nach Einnahmen und Ausgaben eindeutig festgestellt und zugerechnet werden könnten. Eine geschätzte Aufteilung der Ausgaben im Verhältnis der Einnahmen genüge nicht.

Mit der Revision des Klägers werden gerügt eine Verletzung des § 34 Abs. 4 EStG, weil der Begriff der "Einkünfte, die aus einer Berufstätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 bezogen werden", nicht richtig angewandt sei (Rechtsfehler), und die Annahme der Nichtabgrenzbarkeit der Nebeneinkünfte des Klägers (Verfahrens- und Rechtsfehler).

Die einschränkende Auslegung des § 34 Abs. 4 EStG durch das FG widerspreche nicht nur dem Wortlaut dieser Vorschrift, sondern auch ihrem Sinn und Zweck. Der Gesetzgeber wolle einen steuerlichen Anreiz für eine zusätzliche, nicht in den Beruf fallende Tätigkeit auf wissenschaftlichem, künstlerischem oder schriftstellerischem Gebiet geben. Wären nur Steuerpflichtige mit einer Katalogberufstätigkeit begünstigt, so wären gerade die Personen von der Vergünstigung ausgeschlossen, die als selbständig tätige Wissenschaftler, Künstler, Schriftsteller, Lehrer und Erzieher in besonderem Maße zur schöpferischen Leistung berufen seien; das sei mit dem Gleichheitssatz unvereinbar. - Das FG-Urteil beruhe auf einer Verletzung des § 34 Abs. 4 EStG, weil es die getrennte Ausübung der Berufe als Komponist sowie als Arrangeur als nicht getrennt von der als Dirigent (und Pianist) gewürdigt habe. Komponist und Dirigent gehörten zwei Berufsbildern an. Es komme darauf an, ob die Tätigkeitsmerkmale der Nebentätigkeit für einen unabhängigen Betrachter der Verkehrsauffassung nach in das Berufsbild der Haupttätigkeit paßten oder nicht. Die Tätigkeit, aus der die Nebeneinkünfte flössen, dürfe weder Bestandteil der typischen Haupttätigkeit sein noch deren Annextätigkeit. Die beiden Berufe des Komponisten (schöpferische Tätigkeit) und des Dirigenten (reproduktive Tätigkeit) seien wesensverschieden. Auch der Musikbearbeiter (Arrangeur) sei schöpferisch tätig. Das FG behaupte das Berufsbild eines Komponisten, das die Tätigkeit als Dirigent strukturell umfasse. Eine derartige Gerichtskenntnis bestehe jedoch nicht. Sie hätte durch Gutachten festgestellt werden müssen. - Daß eine rechnerische Abgrenzbarkeit nicht im einzelnen möglich sei, schließe die sachliche Abgrenzbarkeit der verschiedenen Tätigkeiten nicht aus. Die Betriebsausgaben seien im Schätzungsweg aufzuteilen.

Der Kläger hat ferner eine gutachtliche Stellungnahme "Abgrenzung der Tätigkeit eines Komponisten von der eines Dirigenten aus urheberrechtlicher Sicht" und ein "Rechtsgutachten zur Auslegung und Verfassungswidrigkeit des § 34 Abs. 4 EStG" eingereicht.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des FG-Urteils den angefochtenen Einkommensteuerbescheid dahin zu ändern, daß die Einkünfte aus seiner reproduzierenden Künstlertätigkeit von ... DM nach § 34 Abs. 4 EStG veranlagt werden, hilfsweise, Zurückverweisung an das FG.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision kann keinen Erfolg haben.

Das FG hat mit Recht dem Kläger die Steuervergünstigung des § 34 Abs. 4 EStG für seine Einkünfte aus der Tätigkeit als Dirigent und Pianist versagt.

A.

Der erkennende Senat hat in dem Urteil IV R 12/68 entschieden, daß die Steuervergünstigung des § 34 Abs. 4 EStG für selbständig erzielte Nebeneinkünfte aus wissenschaftlicher, künstlerischer oder schriftstellerischer Tätigkeit nur Beziehern von Haupteinkünften aus nichtselbständiger Arbeit oder aus einer Katalogberufstätigkeit zu gewähren ist. Diese Entscheidung ging davon aus, daß der Begriff der "Berufstätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Ziff. 1" in § 34 Abs. 4 Satz 1 EStG und der "Berufstätigkeit" i. S. von § 34 Abs. 4 Nr. 1, Nr. 2 und Satz 2 EStG nicht identisch ist mit dem allgemeinen Begriff der "freiberuflichen Tätigkeit" i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG und der "freien Berufstätigkeit" i. S. von § 18 Abs. 4 EStG. Für die Entscheidung war neben der Formulierung in § 34 Abs. 4 Satz 1 EStG vor allem die Überlegung tragend, daß ohne eine solche Einschränkung des Begriffs der "Berufstätigkeit" i. S. von § 34 Abs. 4 EStG die in § 34 Abs. 4 Nr. 2 EStG geforderte Abgrenzbarkeit der begünstigten Nebeneinkünfte von den "Einkünften aus der Berufstätigkeit" nicht allgemeingültig und zufriedenstellend zu erreichen ist und daß die Prüfung der Voraussetzung des Überwiegens der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und aus "Berufstätigkeit" nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 EStG unüberwindbare Schwierigkeiten auslöst.

B.

I. Das BFH-Urteil IV R 12/68 ist im Schrifttum angegriffen worden (vgl. Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 18. Aufl., § 34 EStG, Anm. 39; ferner Tipke, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1976 Sp. 67 ff., 71, mit weiteren Nachweisen). Dabei sind die Gegebenheiten, von denen die Rechtsprechung auszugehen hatte, nicht immer in vollem Umfang zutreffend gewürdigt worden, so daß eine Zusammenfassung dieser Grundgedanken geboten erscheint.

1. Nach § 34 Abs. 4 Satz 1 EStG sind nur Nebeneinkünfte aus wissenschaftlicher, künstlerischer oder schriftstellerischer Tätigkeit begünstigt. Die in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG außerdem aufgeführte unterrichtende und erzieherische Tätigkeit wird durch § 34 Abs. 4 EStG nicht erfaßt. Der Gesetzgeber wollte also nicht jede freiberufliche Nebentätigkeit begünstigen, sondern nur die besonders herausgehobenen wissenschaftlichen, künstlerischen und schriftstellerischen Tätigkeiten.

2. Die Tarifvergünstigung des § 34 Abs. 4 EStG steht nur den Beziehern bestimmter Einkunftsarten offen. Wer nur Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, Vermietung und Verpachtung oder sonstige Einkünfte erzielt, muß etwaige Nebeneinkünfte aus selbständig ausgeübter wissenschaftlicher, künstlerischer oder schriftstellerischer Tätigkeit voll versteuern. Man wird darin eine gezielte, jedenfalls vom Gesetzgeber bewußt in Kauf genommene Begünstigung derjenigen Steuerpflichtigen zu sehen haben, bei denen - nämlich bei Freiberuflern und Nichtselbständigen - eine besondere Bereitschaft für eine zusätzliche Tätigkeit wissenschaftlicher, künstlerischer oder schriftstellerischer Art vermutet werden kann. Bei den Angehörigen der nichtbegünstigten Berufe wird sonach vom Gesetzgeber eine Nebentätigkeit der genannten Art ebensowenig gefördert wie z. B. auch bei Hausfrauen, die mangels eigener "Haupt"-Einkünfte die außerhalb ihrer Tätigkeit als Hausfrau etwa erzielten Einkünfte aus wissenschaftlicher, künstlerischer oder schriftstellerischer Tätigkeit nach dem normalen Tarif zu versteuern haben.

3. Zur Abgrenzbarkeit der Nebeneinkünfte von den Einkünften aus der Berufstätigkeit (§ 34 Abs. 4 Nr. 2 EStG) ist in der Begründung zum Zweiten Steuerneuordnungsgesetz vom 20. April 1949 (Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, S. 69), mit dem die Steuervergünstigung als § 34 Abs. 5 des damals geltenden Einkommensteuergesetzes eingeführt wurde, ausgeführt:

"Die Erweiterung der Vergünstigung des § 34 bezweckt einen steuerlichen Anreiz zur Erzielung eines höheren Einkommens durch eine nicht in den Beruf fallende Nebentätigkeit auf wissenschaftlichem, künstlerischem oder schriftstellerischem Gebiet zu geben" (Drucksache des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes 1949 Nr. 892, Begründung zu Abschn. 1 § 1 Ziff. 7).

Dementsprechend ist die Rechtsprechung des BFH schon immer von dem Satz ausgegangen: "Was zur Haupttätigkeit des freien Berufs gehört, kann nicht nach § 34 Abs. 5 EStG begünstigt sein" (so BFH-Urteil vom 12. Juli 1956 IV 23/55 U, BFHE 63, 140 [143], BStBl III 1956, 251; vgl. ferner BFH-Urteile vom 6. Dezember 1956 IV 171/55 U, BFHE 64, 338, BStBl III 1957, 129, und vom 24. Juli 1958 IV 146/57 U. BFHE 67, 297, BStBl III 1958, 389).

Im Einklang damit hat der erkennende Senat in dem Urteil vom 12. Dezember 1974 IV R 198/71 (BFHE 115, 33, BStBl II 1975, 476) präzisiert, daß die Nebeneinkünfte nicht allein von der Berufstätigkeit abgrenzbar sein müssen, vielmehr überhaupt nicht aus einer typischen in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten freien Berufstätigkeit bezogen werden dürfen. Denn nur auf diese Weise kann dem Anliegen des Gesetzgebers, die laufende praktische Berufsarbeit durch § 34 Abs. 4 EStG bei selbständig Tätigen offensichtlich genausowenig begünstigen zu wollen wie bei nichtselbständig Tätigen, Rechnung getragen und damit ermöglicht werden, bei allen praktischen Berufen weitgehend eine ungleiche Behandlung der selbständig und der nichtselbständig Tätigen im Rahmen des § 34 Abs. 4 EStG zu vermeiden, eine Auslegung, die auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) unter dem Gesichtspunkt der Wettbewerbsgleichheit der Personen, die einer der im Katalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG angeführten typischen freiberuflichen Tätigkeiten nachgehen, gebilligt hat (BVerfG-Beschluß vom 3. Januar 1973 1 BvR 508/72, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Einkommensteuergesetz, § 34 Abs. 4 - ab 1955 -, Rechtsspruch 43).

4. Bereits mit Urteil vom 6. Oktober 1960 IV 162/60 U (BFHE 72, 4, BStBl III 1961, 2) - Schauspielerurteil - hatte der BFH entschieden, daß der Beruf des Schauspielers zu keiner der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG angeführten typischen freien Berufstätigkeiten gehört und daß sich für Bezieher von Einkünften aus wissenschaftlicher, künstlerischer oder schriftstellerischer Tätigkeit neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit die Abgrenzbarkeit der Nebeneinkünfte "nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes ... schon aus der Verschiedenheit der Einkunftsarten" ergibt (s. a. Urteil IV 162/60 U, BFHE 72, 8). Das gilt auch, "wenn die freiberufliche künstlerische Tätigkeit ihrem Umfang nach keine Nebentätigkeit darstellt" (s. Leitsatz des oben angegebenen Urteils IV 162/60 U). Damit ist zugunsten der Steuerpflichtigen mit Einkünften aus selbständiger "rein" wissenschaftlicher, künstlerischer oder schriftstellerischer Tätigkeit - und Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in der erforderlichen Höhe - folgendes klargestellt: Bei ihnen scheitert die Steuervergünstigung des § 34 Abs. 4 EStG nicht daran, daß die zu begünstigenden Einkünfte von den Einkünften aus einer freiberuflichen Berufstätigkeit nicht abgrenzbar sind oder gar zu ihnen gehören. Denn ihre freiberufliche Berufstätigkeit, nämlich die "rein" wissenschaftliche, künstlerische oder schriftstellerische Tätigkeit, ist mit der Tätigkeit der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG angeführten typischen freien Berufstätigkeiten nicht gleichzusetzen.

Mit dieser Unterscheidung wurde zwar den Künstlern, Wissenschaftlern und Schriftstellern mit überwiegenden Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit die Steuervergünstigung für die selbständig erzielten Einkünfte aus ihrer Berufstätigkeit eröffnet. Es trat damit aber gleichzeitig in diesem Bereich das Gebot der Wettbewerbsgleichheit, dem bei den typischen freien Berufen hohe Bedeutung beigemessen wurde, in den Hintergrund. Denn während der nur selbständig tätige Schauspieler die Einkünfte aus seiner Berufstätigkeit - wegen des Fehlens irgendeiner Steuervergünstigung - voll versteuern muß, kann ein anderer Schauspieler mit gleichen Einkünften aus selbständiger Schauspielertätigkeit in den Genuß der Steuervergünstigung des § 34 Abs. 4 EStG gelangen, wenn er daneben überwiegende Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Schauspieler bezieht.

An dieser seinerzeit zugunsten der Steuerpflichtigen ergangenen Entscheidung des Schauspielerurteils, das davon ausging, daß die Katalogberufstätigkeit von der "rein" wissenschaftlichen, künstlerischen oder schriftstellerischen Tätigkeit zu unterscheiden ist, andererseits aber die unterschiedliche Einkunftsart als Abgrenzungsmerkmal i. S. des § 34 Abs. 4 Nr. 2 EStG ausreicht, hat der erkennende Senat in dem Urteil IV R 12/68 festgehalten.

5. Als weiterer in der Rechtsprechung seit langem entwickelter Grundsatz ist schließlich für die Auslegung des § 34 Abs. 4 EStG bedeutsam, daß eine willkürliche Beschränkung des Antrags (auf Steuervergünstigung nach § 34 Abs. 4 EStG) auf einen Teil der Einkünfte aus wissenschaftlicher, künstlerischer oder schriftstellerischer Tätigkeit nicht für zulässig gehalten werden kann. Da die Nebeneinkünfte im Gesetz nach objektiven Kriterien bestimmt sind und die "Haupt"-Einkünfte die übrigen Einkünfte, zu denen die "Neben"-Einkünfte gehören (BFH-Urteile vom 13. September 1956 IV 238/56 U, BFHE 63, 331, BStBl III 1956, 324; vom 26. April 1968 IV R 191/67, BFHE 92, 286, BStBl II 1968, 526, und vom 21. Februar 1974 IV R 40/72, BFHE 112, 44, BStBl II 1974, 564), überwiegen müssen, kann der Antrag, der bei gegebenen Voraussetzungen die Steuervergünstigung formal auslöst, nicht Höhe und Umfang der Nebeneinkünfte beeinflussen. Es widerspräche dem klaren Wortlaut des Gesetzes, wenn der Steuerpflichtige die Auswirkung der Vergünstigungsvorschrift willkürlich auf einen Teil der Nebeneinkünfte beschränken dürfte, um damit zu erreichen, daß die durch § 34 Abs. 4 Satz 2 EStG gesetzte Grenze nicht überschritten wird.

II. Diese Zusammenfassung der durch die Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zeigt einerseits das Bemühen, gerechtfertigte Lösungen zugunsten des Steuerpflichtigen zu finden, andererseits aber auch die Schwierigkeiten, diese Lösung in jedem Einzelfall einer den Grundsätzen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung folgenden Gerechtigkeit in vollem Umfang unterzuordnen. Erwägungen der Praktikabilität dürfen danach, wenn es zu einer allgemeingültigen Auslegung des § 34 Abs. 4 EStG beiträgt, nicht von vornherein gänzlich außer Betracht bleiben. Dabei ist einzuräumen, daß auch die mit dem Urteil IV R 12/68 getroffene Lösung in gewisser Hinsicht als unbefriedigend empfunden werden kann. Andererseits konnte nicht unbeachtet bleiben, daß eine andere - denkmögliche - Lösung i. S. des Klägers Folgerungen nach sich ziehen würde, die in noch erheblicherem Umfang als unbefriedigend erscheinen mußten. Das wird auch durch die nachstehenden Ausführungen belegt.

C.

Das Urteil IV R 12/68 betraf einen Fall, der sich durch die folgenden Beispiele erläutern läßt.

Der Steuerpflichtige hatte im ersten Jahr als nichtselbständiger Regisseur 36 000 DM, als selbständiger Regisseur 15 000 DM und als Buchautor 3 000 DM an Einkünften erzielt, wobei nicht zweifelhaft war, daß er für die Einkünfte als selbständiger Regisseur von 15 000 DM und als Buchautor von 3 000 DM die Steuervergünstigung des § 34 Abs. 4 EStG in vollem Umfang beanspruchen konnte. Im zweiten Jahr, dem Streitjahr, erzielte er als nichtselbständiger Regisseur nur 18 000 DM, als selbständiger Regisseur aber 28 000 DM und als Buchautor 9 000 DM sowie als Sprecher 6 000 DM. Es war zu entscheiden, ob die Einkünfte als selbständiger Regisseur, die im Vorjahr als Nebeneinkünfte aus künstlerischer Tätigkeit als von den Einkünften aus der Berufstätigkeit abgrenzbar behandelt worden waren, nunmehr wegen ihres Ansteigens als "Haupt" -Einkünfte aus einer selbständigen Berufstätigkeit neben den weiteren "Haupt" -Einkünften aus der Arbeit als nichtselbständiger Regisseur einzustufen waren mit der Folge, daß für die Einkünfte von 9 000 DM als Buchautor und von 6 000 DM als Sprecher die Steuervergünstigung anzunehmen gewesen wäre. Das hätte indessen für die Abgrenzbarkeit der Einkünfte als Buchautor und als Sprecher erfordert, daß sie nicht zu den Einkünften aus der - nichtselbständig und selbständig ausgeübten - eigentlichen Berufstätigkeit als Regisseur zu zählen gewesen wären. Wenn jedoch nunmehr die Abgrenzbarkeit von der eigentlichen Berufstätigkeit maßgebend sein sollte, wäre die im Erstjahr gewährte Steuervergünstigung für die als selbständiger Regisseur erzielten Einkünfte nicht mehr zu rechtfertigen gewesen.

Es ergaben sich danach die beiden folgenden Alternativen: Entweder ist auf die Abgrenzung gegenüber dem eigentlichen Beruf abzustellen (entsprechend der Begründung der Gesetzesänderung - Drucksache des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes 1949 Nr. 892, Begründung zum Zweiten Gesetz zur vorläufigen Neuordnung von Steuern, Abschn. 1, § 1 Ziff. 7 - einen steuerlichen Anreiz zur Erzielung eines höheren Einkommens durch "eine nicht in den Beruf fallende Nebentätigkeit auf wissenschaftlichem, künstlerischem oder schriftstellerischem Gebiet" zu geben, und entsprechend der Stellungnahme des Bundesministers der Finanzen - BdF - in dem Verfahren IV R 12/68) mit der Folge, daß das Abgrenzungsmerkmal der unterschiedlichen Einkunftsart - selbständig oder nichtselbständig - fallengelassen wird, oder man bleibt unter Beibehaltung des eben genannten Unterscheidungsmerkmals dabei, die selbständig erzielten Einkünfte aus "rein" wissenschaftlicher, künstlerischer und schriftstellerischer Tätigkeit nicht als Einkünfte aus einer in den Beruf fallenden Tätigkeit zu behandeln und für sie grundsätzlich die Steuervergünstigung des § 34 Abs. 4 EStG bei Vorliegen überwiegender Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit zu gewähren.

Die erste Alternative, auf die die Kritik gegenüber dem Urteil IV R 12/68 offensichtlich hinzielt, würde zu einer wesentlichen Einschränkung der Steuervergünstigung führen. Kein angestellter Lehrer, der nebenbei selbständig mit wissenschaftlichem Unterricht zusätzliche Einkünfte erzielte, kein angestelltes Orchestermitglied, das als selbständiger Musiker zusätzlich Einkünfte bezieht, und kein Schauspieler, der neben seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zusätzlich selbständig als Schauspieler tätig wird, könnte die Steuervergünstigung des § 34 Abs. 4 EStG in Anspruch nehmen. Bei der zweiten Alternative, nämlich die selbständig erzielten Einkünfte aus "rein" wissenschaftlicher, künstlerischer oder schriftstellerischer Tätigkeit nicht als Einkünfte aus einer "Berufstätigkeit" einzustufen, ist dagegen den - selbständig und nichtselbständig tätigen - Künstlern, Wissenschaftlern und Schriftstellern die Steuervergünstigung für ihre selbständig erzielten Einkünfte aus wissenschaftlicher, künstlerischer oder schriftstellerischer Tätigkeit - bei Überwiegen von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit - zu gewähren; andererseits hat diese Alternative nach Auffassung des Senats zur Folge, daß sie den Beziehern von selbständig erzielten Einkünften aus "rein" wissenschaftlicher, künstlerischer oder schriftstellerischer Tätigkeit - beim Fehlen von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit - die Steuervergünstigung des § 34 Abs. 4 EStG nicht eröffnet.

Mit dem Urteil IV R 12/68 hat sich der erkennende Senat für die im ganzen gesehen für den Steuerpflichtigen wohl günstigere zweite Alternative entschieden und den Unterschied der "Berufstätigkeit" i. S. des § 34 Abs. 4 Nr. 2 EStG als einer Tätigkeit "der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG angeführten typischen freien Berufe", also der Tätigkeit der Katalogberufe oder ähnlicher Berufe, zu der selbständig ausgeübten "rein" wissenschaftlichen, künstlerischen oder schriftstellerischen Tätigkeit herausgestellt. Dabei besteht kein Zweifel daran, daß die Katalogberufstätigkeit ebenso wie die in § 34 Abs. 4 EStG angesprochene wissenschaftliche, künstlerische und schriftstellerische Tätigkeit, die der selbständig tätigen Schauspieler, Regisseure, Musiker, Schriftsteller usw. und die selbständig unterrichtende und erzieherische Tätigkeit zu Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG führen. Es entspricht der Methode zutreffender Gesetzesinterpretation, den Begriff der "Berufstätigkeit" in § 34 Abs. 4 Nr. 2 EStG in gleichem Sinn auszulegen wie in § 34 Abs. 4 Nr. 1 EStG und wie in § 34 Abs. 4 Satz 1 EStG, schon weil sich die Bezeichnung in Nr. 2 und Nr. 1 offensichtlich auf den in Satz 1 genannten Begriff beziehen soll.

Hinzu kommt, wovon das BFH-Urteil IV R 12/68 zunächst ausging, daß in § 34 Abs. 4 Satz 1 EStG als Begünstigte - neben den Nichtselbständigen - nicht die Bezieher von Einkünften "aus freiberuflicher Tätigkeit" genannt werden, wie es der allgemeinen Formulierung in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG entsprochen hätte, sondern die Bezieher mit Einkünften aus einer Berufstätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, daß also ein Begriff verwendet wird, der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG unmittelbar den Katalogberufen vorangestellt ist.

D.

Die Kritik gegenüber dem BFH-Urteil IV R 12/68 (vgl. Herrmann/Heuer, a. a. O.) besteht im wesentlichen in dem Einwand, es widerspreche den Grundsätzen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, die außerhalb eines Katalogberufs freiberuflich Tätigen mit "Neben"-Einkünften aus wissenschaftlicher, künstlerischer oder schriftstellerischer Tätigkeit von der Tarifvergünstigung des § 34 Abs. 4 EStG auszuschließen. Dabei werden nicht nur die eben erörterten, für das Urteil IV R 12/68 anzuführenden Argumente nicht zureichend gewürdigt. Es werden auch die Konsequenzen verkannt, die sich bei einer von den Kritikern des Urteils IV R 12/68 offenbar erstrebten Auslegung des § 34 Abs. 4 EStG ergeben würden.

Wollte man den Begriff der "Berufstätigkeit" in § 34 Abs. 4 EStG unterschiedlich auslegen, nämlich in dem Sinne, daß unter "Berufstätigkeit" in § 34 Abs. 4 Satz 1, § 34 Abs. 4 Nr. 1 und in § 34 Abs. 4 Satz 2 EStG allgemein die "freiberufliche Tätigkeit" zu verstehen sei, daß aber in § 34 Abs. 4 Nr. 2 EStG "Berufstätigkeit" i. S. von Katalogberufstätigkeit verstanden werden müsse, so könnte auch diese Auslegung im Ergebnis nicht überzeugen.

Wenn die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit als Schauspieler, Regisseur, Musiker oder Buchautor als Einkünfte aus einer - freiberuflichen - Berufstätigkeit i. S. von § 34 Abs. 4 Satz 1, Nr. 1 und Satz 2 EStG zu behandeln wären, mit der Folge, daß für sie die Steuervergünstigung des § 34 Abs. 4 EStG für Nebeneinkünfte aus wissenschaftlicher, künstlerischer oder schriftstellerischer Tätigkeit eröffnet wäre, so bliebe ungeklärt, welche Einkünfte aus den verschiedenen Tätigkeiten denn nun als "Haupt"-Einkünfte und welche als "Neben"-Einkünfte anzusehen wären. Die Unterscheidung wäre zwar nicht schwierig, wenn erheblichen "Haupt"-Einkünften aus selbständiger künstlerischer Tätigkeit geringfügige Einkünfte etwa aus selbständiger schriftstellerischer Tätigkeit gegenüberstehen. Eine Abgrenzung hält der erkennende Senat aber für nahezu unmöglich, wenn Einkünfte aus selbständiger "rein" wissenschaftlicher, künstlerischer oder schriftstellerischer Tätigkeit verschiedener Art in etwa gleicher Höhe erzielt werden, sei es z. B. vor einem Schauspieler, der auch als Regisseur und Buchautor tätig wird, sei es von einem Komponisten, der auch Pianist und Dirigent ist. Für diese Fälle lassen sich aus der Kritik gegenüber dem Urteil IV R 12/68 keine überzeugenden Hinweise entnehmen, auf Grund welcher Beurteilungsmerkmale bei Beziehern von Einkünften aus mehreren wissenschaftlichen, künstlerischen oder schriftstellerischen Tätigkeiten die verschiedenen Einkünfte, mögen sie auch noch so klar voneinander abgrenzbar sein, den "Haupt"-Einkünften oder den "Neben"-Einkünften zugerechnet werden sollen.

Es wäre zu fragen und zu prüfen, ob der Steuerpflichtige das Wahlrecht haben soll - möglicherweise von Jahr zu Jahr wechselnd -, die jeweils höchsten Einkünfte zu "Haupt"-Einkünften oder die jeweils niedrigsten zu "Neben"-Einkünften zu erklären, ferner, ob maßgebend sein soll, welche Einkünfte dem ursprünglichen, erlernten Beruf entsprechen, oder ob, was bislang immer abgelehnt wurde, der Umfang des erforderlichen Arbeitsaufwandes Maßstab sein soll.

E.

Der erkennende Senat hält an der Auffassung fest, daß Einkünfte aus rein wissenschaftlicher, künstlerischer oder schriftstellerischer Tätigkeit nicht zu Einkünften aus einer Berufstätigkeit i. S. des § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG gehören. Damit wird den Beziehern von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit die Möglichkeit eröffnet, ihre Nebeneinkünfte aus selbständiger wissenschaftlicher, künstlerischer oder schriftstellerischer Tätigkeit begünstigt zu versteuern, auch wenn diese Tätigkeit der ihres nichtselbständig ausgeübten "Haupt"-Berufs entspricht und die Einkünfte nur durch die unterschiedliche Einkunftsart - selbständig und nichtselbständig - abgrenzbar sind. Das hat andererseits zur Folge, daß die "rein" wissenschaftliche, künstlerische oder schriftstellerische Tätigkeit auch keine die Vergünstigung auslösende Berufstätigkeit i. S. des § 34 Abs. 4 Satz 1 EStG ist, so daß z. B. der nichtselbständig tätige Schauspieler oder Musiker seine zusätzlichen Nebeneinkünfte aus selbständiger künstlerischer Tätigkeit begünstigt versteuern kann, der nur selbständig Tätige dagegen nicht.

F.

Im Falle des Urteils IV R 12/68 bestand keine Veranlassung, die Rechtslage bei Beziehern von "Haupt"-Einkünften aus selbständiger unterrichtender oder erzieherischer Tätigkeit zu beurteilen. Wegen der aus dem Leitsatz des Urteils inzwischen in den Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1975 Abschn. 202 Abs. 2 gezogenen Folgerungen bemerkt der erkennende Senat dazu jedoch folgendes.

Da die zu begünstigenden Nebeneinkünfte aus "rein" wissenschaftlicher, künstlerischer oder schriftstellerischer Tätigkeit von Einkünften aus einer "Berufstätigkeit" abgrenzbar sein müssen, also nicht zu ihnen gehören dürfen, ergibt sich, daß die "rein" wissenschaftliche, künstlerische oder schriftstellerische Tätigkeit keine die Steuervergünstigung auslösende Berufstätigkeit sein kann. Wenn Nebeneinkünfte aus selbständiger unterrichtender und erzieherischer Tätigkeit ebensowenig wie Nebeneinkünfte aus einer Katalogberufstätigkeit begünstigt werden, so erschiene es gerechtfertigt, die Einkünfte aus selbständiger unterrichtender und erzieherischer Tätigkeit den Einkünften aus einer Katalogberufstätigkeit gleichzustellen.

Das hätte zur Folge, daß unterrichtend und erzieherisch Tätige auch ohne Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ihre Nebeneinkünfte aus selbständiger wissenschaftlicher, künstlerischer oder schriftstellerischer Tätigkeit begünstigt versteuern könnten. Damit würden zwar freiberuflich Unterrichtende für ihre Nebeneinkünfte aus wissenschaftlicher Unterrichtstätigkeit noch nicht in den Genuß der Vergünstigung gelangen, weil die Nebentätigkeit trotz der Wissenschaftlichkeit von der unterrichtenden "Haupt"-Berufstätigkeit nicht abgrenzbar wäre. Sie könnten aber selbständig erzielte Nebeneinkünfte aus anderer - nichtunterrichtender - wissenschaftlicher Tätigkeit sowie aus künstlerischer und schriftstellerischer Tätigkeit begünstigt versteuern. Außerdem ergäben sich Auswirkungen bei der Voraussetzung des Überwiegens der "Haupt"-Einkünfte nach § 34 Abs. 4 Nr. 1 EStG. Das zeigt sich an dem folgenden, in den EStR 1975 Abschn. 202 Abs. 2 unter B behandelten Beispielfall:

"Der festangestellte Lehrer einer kaufmännischen Berufsschule übt außerdem selbständig eine unterrichtende und eine schriftstellerische Tätigkeit aus ... Daneben bezieht er Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Er hat die folgenden Einkünfte bezogen:

1. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit 14 000 DM

2. Gewinn aus der unterrichtenden Tätigkeit 10 000 DM

3. Nebeneinkünfte aus schriftstellerischer Tätigkeit 3 000 DM

4. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung 5 000 DM

Einkünfte 32 000 DM."

Die Lösung in den Einkommensteuer-Richtlinien 1975 lautet:

"Da es sich bei der unterrichtenden Tätigkeit nicht um eine Katalogberufstätigkeit handelt, können die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nicht mit den Einkünften aus der erstgenannten Tätigkeit zusammengerechnet werden. Die Summe der Einkünfte zu 2. bis 4. überwiegt die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit."

Demgegenüber ließe sich die Auffassung vertreten, daß es sich bei der unterrichtenden Tätigkeit zwar nicht um eine Katalogberufstätigkeit, wohl aber um eine ihr gleichzustellende Tätigkeit handele, so daß die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit mit den Einkünften aus unterrichtender Tätigkeit als "Haupt"-Einkünfte zusammenzurechnen wären. Danach überwögen die Einkünfte zu 1 und 2 die übrigen Einkünfte. Die Nebeneinkünfte aus schriftstellerischer Tätigkeit von 3 000 DM könnten sonach begünstigt versteuert werden.

G.

Im vorliegenden Streitfall hat der Kläger freiberufliche Einkünfte nur aus seiner Tätigkeit als Komponist und Arrangeur sowie als Kapellmeister und Pianist bezogen. Er hat damit weder Einkünfte aus einer Katalogberufstätigkeit noch aus unterrichtender oder erzieherischer Tätigkeit erzielt. Deshalb gehört er, da er auch keine Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit erzielte, nicht zu den durch § 34 Abs. 4 EStG Begünstigten.

Die Frage, ob die "Neben"-Einkünfte, deren Begünstigung der Kläger erstrebte, von seinen "Haupt"-Einkünften abgrenzbar wären, kann deshalb dahingestellt bleiben. Insbesondere kann offen bleiben, ob die Einnahmen des Klägers, der im Streitjahr 1. als Komponist und Arrangeur von der Rundfunkanstalt, 2. als Komponist und Arrangeur von der GEMA und 3. als Kapellmeister und Pianist von der Rundfunkanstalt Beträge in etwa gleicher Höhe erhielt, nicht als insgesamt auf seiner besonderen umfassenden musikalischen Begabung beruhend angesehen werden müssen, oder ob andererseits nicht auch noch mit gleicher Berechtigung eine weitere Aufteilung in Komponistentätigkeit und Arrangeurtätigkeit sowie in Kapellmeistertätigkeit und Pianistentätigkeit möglich oder geboten wäre. Dies könnte wiederum zur Folge haben, daß letztlich der Steuerpflichtige selbst bestimmen könnte, was als Haupteinkünfte und was als Nebeneinkünfte zu behandeln sei. Das aber ist im Einklang mit dem Gesetz und der Rechtsprechung (BFH-Urteile vom 11. März 1965 IV 221/63 U, BFHE 82, 361, BStBl III 1965, 379, und IV R 191/67) abzulehnen.

 

Fundstellen

BStBl II 1979, 239

BFHE 1979, 467

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge