Leitsatz (amtlich)

1. § 14 VO AusfErst EWG verstößt nicht gegen Gemeinschaftsrecht, insbesondere nicht gegen die VO Nr. 729/70 über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik.

2. Ansprüche auf Rückzahlung zu Unrecht gewährter Ausfuhrerstattungen sind erst mit dem Erlaß des Rückforderungsbescheids zur Aufrechnung i. S. des § 389 BGB geeignet.

 

Normenkette

EWGV Art. 177 Abs. 3; EWGV 1041/67 Art. 9; EWGV 729/70; VO AusfErst EWG § 14

 

Tatbestand

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt – HZA –) forderte von der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 12. Februar 1971 die am 13. Januar 1971 gewährte Erstattung mit der Begründung zurück, daß der überwiegende Teil der ausgeführten Butter nicht im Land X, sondern im Land Y gelöscht worden sei. Den Rückforderungsbetrag vereinnahmte das HZA durch Aufrechnung gegenüber der A-Bank, an die die Klägerin ihre Ausfuhrerstattungsforderungen abgetreten hatte. Mit Bescheid vom 8. März 1972 forderte das HZA gemäß § 14 der Verordnung Ausfuhrerstattungen EWG vom 24. Januar 1968 – VO AusfErst EWG – (Bundesanzeiger – BAnz – Nr. 18 vom 26. Januar 1968) von der Klägerin für den Rückforderungsbetrag Zinsen in Höhe von 9 % (3 % über dem Diskontsatz von 6 %) ab 18. Januar 1971 als dem Tag des Empfangs der Erstattung bis zum 12. Februar 1971.

Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) hielt den Finanzrechtsweg nach § 33 Abs. 1 Nr. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 29 des Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen – MOG – (BGBl I 1972, 1617) für gegeben. Es war der Ansicht. § 14 VO AusfErst EWG sei durch die Ermächtigung in § 4 des Durchführungsgesetzes EWG Milch und Milcherzeugnisse sowie Rindfleisch vom 19. Juli 1968 – DurchfG EWG – Milch/Rindfl – (BGBl I 1968, 838, Bundeszollblatt 1968 S. 802 – BZBl 1968, 802 –) gedeckt.

Es führt aus, das HZA habe bei der Berechnung des Zinszeitraums keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Klägerin begangen. Es sei davon ausgegangen, daß die Klägerin die mit Erstattungsbescheid vom 13. Januar 1971 überwiesene Ausfuhrerstattung am 18. Januar 1971 erhalten habe, und habe, da es mit der Erteilung des Rückforderungsbescheids vom 12. Februar 1971 Auszahlungen anderer Erstattungsbeträge zurückgehalten habe, entsprechend der Anweisung des Bundesministers der Finanzen (BdF) vom 9. März 1971 als Endzeitpunkt des Verzinsungszeitraumes den 12. Februar 1971 angesetzt. Da es erst am 5. April 1971 in Höhe eines Teilbetrages die erste Aufrechnung erklärt habe, habe es also unabhängig hiervon die Zinsen nach § 14 VO AusfErst EWG berechnet. Zwar bewirke die Aufrechnung nach § 389 BGB, daß die Forderungen, soweit sie sich deckten, als in dem Zeitpunkt erloschen gälten, in dem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten seien. Das habe grundsätzlich zur Folge, daß von diesem Zeitpunkt an auch ein Zinsanspruch entlfalle, jedoch nur, wenn auch der Schuldner habe aufrechnen können. Stehe dieses Recht nur dem Gläubiger zu, hänge also die Aufrechnung ausschließlich von der Erklärung des Gläubigers ab, bestehe für den Schuldner kein schutzwürdiges Interesse, so gestellt zu werden, als ob er von der Aufrechnungsklage an kein Schuldner mehr sei. In diesem Fall bewirke die Aufrechnungserklärung des Gläubigers lediglich, daß die Forderungen in dem Umfang erloschen seien, in dem sie sich zur Zeit der Aufrechnungserklärung gedeckt haben (vgl. Entscheidung des Bundesgerichtshofs – BGH – vom 17. April 1958 II ZR 335/56, BGHZ 27, 123).

Da die Klägerin ihre Erstattungsforderungen an die A-Bank abgetreten und daher das HZA dieser gegenüber gemäß § 406 BGB die Aufrechnung erklärt habe, habe nur noch das HZA mit seiner Forderung gegen die Klägerin aufrechnen können. Die Klägerin habe das HZA lediglich bitten können, ihre Schuld durch Aufrechnung zu tilgen, wie dies auch geschehen sei. Da das HZA die erste Aufrechnung gegenüber der A-Bank erst am 5. April 1971 erklärt habe, habe deren Wirkung auch erst von diesem Zeitpunkt an eintreten können. Wenn das HZA dagegen den Zinszeitraum nur bis zum 12. Februar 1971 bemessen habe, so stünden dem jedenfalls die Aufrechnungserklärungen nicht entgegen. Bei dieser Sach- und Rechtslage komme es nicht darauf an, ob das HZA in der Zeit ab 18. Januar 1971 sowohl bei der Ausfertigung von Erstattungsbescheiden als auch bei der Auszahlung der Erstattungen für die Klägerin ungewöhnlich verzögerlich gearbeitet habe. Deshalb könne davon abgesehen werden, hierüber Beweis zu erheben.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

I. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats sind die Vorschriften der zu den gemeinsamen Marktordnungen ergangenen Erstattungsverordnungen über die Verzinsung zurückzuzahlender Ausfuhrerstattungsbeträge durch die Ermächtigungen in den jeweiligen EWG-Durchführungsgesetzen gedeckt (s. zuletzt Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 20. Januar 1976 VII R 76/73, BFHE 118, 265). Diese Vorschriften gehen auch entgegen der Meinung der Klägerin als besondere materielle Regelungen einer analogen Anwendung der §§ 111, 112 FGO vor. An dieser Auffassung hält der Senat auch hinsichtlich des § 14 VO AusfErst EWG fest, durch den die entsprechende Vorschrift der Verordnung über Erstattungen bei der Ausfuhr von Milcherzeugnissen (ErstVOMilch) abgelöst wurde (Änderungsverordnung – ÄndVO – vom 3. August 1968, BAnz Nr. 143 vom 3. August 1968; §§ 4 und 5 i. V. m. § 11 Abs. 1 DurchfG EWG-Milch/Rindfl).

§ 14 VO AusfErst EWG verstößt auch nicht gegen Gemeinschaftsrecht und damit auch nicht gegen Art. 24 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), nachdem die Finanzierung der Ausfuhrerstattungen ab 1. Januar 1971 aufgrund der VO Nr. 729/70 über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik auf die Gemeinschaft übergegangen ist. Vielmehr ist in Art. 8 dieser Verordnung bestimmt, daß die Mitgliedstaaten gemäß den einzelstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften die erforderlichen Maßnahmen treffen, um die infolge von Unregelmäßigkeiten oder Versäumnissen abgeflossenen Beträge wieder einzuziehen. Demnach geht diese Vorschrift von dem Weiterbestehen der einzelstaatlichen Durchführungsregelungen aus und enthält insoweit keine eigenständige und abschließende Regelung, die der nationalen Zinsregelung in § 14 VO AusfErst EWG entgegenstehen oder diese verdrängen würde. Das Gemeinschaftsrecht enthält auch sonst keine Regelung darüber, ob Zinsen von zu Unrecht empfangenen Erstattungsbeträgen erhoben werden können. Art. 9 VO Nr. 1041/67 regelt nur die Rückgängigmachung der vorschußweisen Zahlung der Erstattungen und kann nicht etwa als vorrangig gegenüber der Notwendigkeit, allgemein Zinsen von zurückgeforderten Erstattungen zu verlangen, angesehen werden. In der Regelung des Art. 9 kommen auch entgegen der Ansicht der Klägerin nicht etwa unterschiedliche Auffassungen der Kommission und des deutschen Verordnungsgebers zum Ausdruck. Vielmehr handelt es sich um eine Sonderregelung, die in keinem Verhältnis zu der in der VO Nr. 729/70 nicht geregelten Frage der Verzinsung steht und folglich auch nicht im Umkehrschluß dahin verstanden werden kann, daß eine Verzinsung von Rückforderungen sonst nicht in Betracht komme. Gerade die Nichtregelung zeigt, daß die Kommission es bei den bisher angewendeten Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten belassen wollte.

Enthält aber das Gemeinschaftsrecht keine abschließende Regelung der Verzinsung von Rückforderungsbeträgen, so bleibt die nationale Zinsregelung auch trotz des Übergangs der Finanzierung der Ausfuhrerstattung aus Gemeinschaftsmitteln bestehen. Für diese Rechtsauffassung sprechen auch die Entscheidungen des EGH, die bisher zur VO Nr. 729/70 ergangen sind. So hat er in der Rs. 26/74, die sich mit der Verzinsung von Währungsausgleichsbeträgen befaßt, im Zusammenhang mit der Zulässigkeit einer Klage gegen die Kommission entschieden, daß es den innerstaatlichen Behörden mangels einer Regelung der Materie im Gemeinschaftsrecht obliege, im Falle der Erstattung zu Unrecht erhobener Abgaben über alle mit der Erstattung zusammenhängenden zusätzlichen Fragen, wie etwa der Entrichtung von Zinsen, zu befinden. Hat hier der EGH seine Zuständigkeit gerade wegen des Fehlens einer materiellen Zinsregelung im Gemeinschaftsrecht verneint, so kann daraus nur der Schluß bezogen werden, daß die bestehenden nationalen Regelungen vom Übergang der Finanzierung auf die Gemeinschaft unberührt bleiben. Diese Rechtsauffassung wird vom EGH auch in den Rs. 178–180/73 und Rs. 110/76 vertreten.

Die Zinsbelastung kann auch nicht als eine Abgabe zollgleicher Wirkung i. S. des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG-Vertrag – EWGV –) angesehen werden, wie die Klägerin meint. Die Zinsen werden von demjenigen, dem Ausfuhrerstattungen zu Unrecht gewährt wurden, für seinen Nutzungsvorteil verlangt. Ursächlich für sie ist daher nicht der Ausfuhrvorgang, sondern allein der unrechtmäßige Empfang der betreffenden Geldbeträge. Die ausgeführten Waren selbst werden durch diese Zinsen nicht finanziell belastet, etwa mit der Wirkung, daß ihr Preis gegenüber dem Abnehmer beeinflußt wird.

Die von der Klägerin angeregte Einholung einer Vorabentscheidung des EGH hielt der Senat nicht für angezeigt. Nach ständiger Rechtsprechung des EGH ist es grundsätzlich Aufgabe des nationalen Gerichts, die Vereinbarkeit einer nationalen Vorschrift mit dem Gemeinschaftsrecht zu überprüfen (vgl. u. a. EGH-Urteil vom 24. Juni 1969 Rs. 29/68, EGHE 1969, 165). Soweit hierbei eine Auslegung einer Vorschrift der Gemeinschaft in Betracht kommt, stellte sich keine Zweifelsfrage in dem Sinn, daß der Wortlaut der Vorschrift ernstlich mehr als eine Auslegung als möglich erscheinen läßt (vgl. BFH-Urteil vom 22. Oktober 1975 VII R 105/73, BFHE 117, 313).

II. Ob die mit dem Hinweis auf die Entscheidung des BGH II ZR 335/56 begründeten Ausführungen des FG hier zutreffen, daß der Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung für das Erlöschen der sich zur Aufrechnung gegenüberstehenden Forderungen maßgebend sei (vgl. hierzu kritisch G. und D. Reinicke, Neue Juristische Wochenschrift 1959 S. 361 – NJW 1959, 361 – und Dietrich, Archiv für die civilistische Praxis – AcP – 170, 534, 550), kann dahinstehen. Denn das HZA hat eine Verzinsung nur bis zum 12. Februar 1971 verlangt, und frühestens in diesem Zeitpunkt konnte nach § 389 BGB, der sinngemäß auch für die Aufrechnung im öffentlichen Recht gilt (s. Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 124 AO Anm. 1 mit Hinweisen), die Zinspflicht erlöschen, Nach dieser Vorschrift gelten die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen, in dem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind; von diesem Zeitpunkt an entfällt auch ein Zinsanspruch (s. Palandt-Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 38. Aufl., Anm. 1 zu § 389). Vor dem 12. Februar 1971 aber hatte das HZA keinen Anspruch, mit dem es hätte aufrechnen können. Es hatte die am 13. Januar 1971 gewährte Erstattung mit Bescheid vom 12. Februar 1971 zurückgefordert. Inhalt des Rückforderungsbescheids ist der damit konkludent zum Ausdruck gebrachte Widerruf der Erstattungsgewährung. Sowohl die Gewährung der Erstattung als auch deren Widerruf sind rechtsgestaltende Verwaltungsakte, aufgrund deren erst die Erstattung ausgezahlt oder die Genehmigung der abschöpfungsfreien Einfuhr erteilt wird bzw. die gewährte Erstattung zurückgefordert wird (s. BFH-Entscheidungen vom 22. November 1968 VII B 165/67, BFHE 94, 472, und vom 20. April 1971 VII B 15/70, BFHE 102, 1). Demnach hatte das HZA frühestens mit dem Erlaß des den Widerruf beinhaltenden Rückforderungsbescheids eine zur Aufrechnung i. S. des § 389 BGB geeignete Forderung gegen die Klägerin. Frühestens zu diesem Zeitpunkt bestand also eine Aufrechnungslage, so daß der Rückforderungsanspruch des HZA durch die von ihm erklärte Aufrechnung nach § 389 BGB frühestens am 12. Februar 1971 erlosch. Da das HZA Zinsen nur bis zu diesem Zeitpunkt forderte, besteht der Zinsanspruch zu Recht.

Die Rüge der Klägerin, das FG habe den Sachverhalt hinsichtlich einer vor dem 12. Februar 1971 eingetretenen Aufrechnungslage nicht aufgeklärt, greift nicht durch. Soweit sie sich auf einen Anspruch nach den Grundsätzen von Treu und Glauben beruft, hat sie eine entsprechende Zusicherung des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen (BMWF) ihr gegenüber nicht nachgewiesen und auch nicht behauptet, daß ihr der BMWF-Erlaß vom 9. März 1971 mitgeteilt worden sei. Die für eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge erforderliche genaue Bezeichnung der Tatsachen, die etwaige Verfahrensfehler des FG ergeben, enthält die Revisionsbegründung nicht (§ 120 Abs. 2 FGO). Von einer Begründung im einzelnen sieht der Senat gemäß Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.

 

Fundstellen

BFHE 1979, 457

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