Leitsatz (amtlich)

Forderungen auf Gewährung von Ausfuhrerstattungen und Forderungen auf Rückerstattung zu Unrecht gezahlter Erstattungen können gegeneinander aufgerechnet werden. Schuldnerin der Erstattungen und Gläubigerin der Rückforderungsansprüche i. S. der innerstaatlichen Aufrechnungsvorschriften ist jeweils die Bundesrepublik Deutschland unabhängig davon, ob die Erstattungen aus Gemeinschaftsmitteln gezahlt werden müssen bzw. gezahlt worden sind.

 

Normenkette

BGB §§ 387, 406; EWGV 1041/67

 

Tatbestand

Die Klägerin, Revisionsklägerin und Anschlußrevisionsbeklagte (Klägerin), ein Bankinstitut, finanzierte im Jahre 1970 bis 1972 Buttergeschäfte der Firma X, für die X Ausfuhrerstattungen und Währungsausgleichsbeträge zu beanspruchen hatte. Zur Sicherung aller Ansprüche aus diesen Kreditgeschäften der Klägerin trat X durch den Vertrag vom 6./9. Januar 1969 ihre „gegenwärtigen und künftigen Forderungen, die ihr gegen … Behörden” zustanden, an die Klägerin ab. Diese zeigte die Abtretung dem Beklagten, Revisionsbeklagten und Anschlußrevisionskläger (Hauptzollamt – HZA –) mit Schreiben vom 3. März 1971, eingegangen beim HZA am 8. März 1971, an.

In der Zeit vom 24. März 1970 bis 30. Mai 1972 reichte X 381 Anträge auf Festsetzung von Ausfuhrerstattungen und Währungsausgleichsbeträgen ein, denen das HZA mit den in der Zeit vom 16. Januar 1972 bis 19. Juni 1972 erlassenen Erstattungsbescheiden entsprach. Es ist unstreitig, daß X bzw. die Klägerin aus abgetretenem Recht insoweit gegen das HZA Ansprüche auf Erstattung eines Betrags von insgesamt 3 258 424,80 DM hat.

In der Zeit vom 24. Juli 1970 bis 18. März 1971 erließ das HZA gegenüber der X 32 Erstattungsbescheide über einen Gesamtbetrag von 3 476 268 DM. Das HZA zahlte die Erstattungen an X aus. Mit Bescheid vom 8. Februar 1972, eingegangen bei X am 9. Februar 1972, forderte das HZA den genannten Betrag von X mit der Begründung zurück, daß die Erstattungen zu Unrecht geleistet worden seien. Durch Beschluß des Finanzgerichts (FG) vom 4. Mai 1972 IV 22/72 H wurde die Vollziehung dieses Bescheids zu einem Teilbetrag von 217 843,20 DM ausgesetzt; dieser Beschluß änderte zwei Aussetzungsbeschlüsse des FG vom 25. Februar und 1. März 1972, durch die die Vollziehung „einstweilen” in Höhe von 823 311,02 DM bzw. 686 922,79 DM – jeweils ohne Begründung – ausgesetzt worden war. Der Rückforderungsbescheid ist inzwischen rechtskräftig geworden.

Mit Schreiben vom 18., 22., 23. und 25. Februar 1972 sowie vom 8., 12., 15., 16. und 25. Mai 1972 sowie vom 6., 14. und 16. Juni 1972 rechnete das HZA gegenüber der Klägerin mit seinen Rückforderungsansprüchen aufgrund des Rückforderungsbescheids von 8. Februar 1972 gegen die Erstattungsansprüche der X über insgesamt 3 258 424,80 DM auf. Die Einzelheiten der jeweiligen Aufrechnungserklärungen ergeben sich aus deren Anlagen. Die Aufrechnungserklärung vom 18. Februar 1972 ging der Klägerin am 21. Februar 1972 zu.

Am 1. November 1972 erhob die Klägerin Klage mit dem Antrag, das HZA zur Zahlung von 3 258 424,80 DM aufgrund der von X an sie abgetretenen unstreitigen Erstattungsansprüche zu verurteilen. Durch Urteil im ersten Rechtsgang erklärte das FG Hamburg den Finanzrechtsweg für diese Klage für unzulässig. Auf die Revision hob der erkennende Senat durch Urteil vom 14. Oktober 1975 VII R 40/74 (BFHE 117, 23) die Vorentscheidung mit der Begründung auf, daß für die Klage der Finanzrechtsweg gegeben sei.

Das FG hielt die Klage für zum Teil begründet und verurteilte das HZA, an die Klägerin 417 248,36 DM nebst ½ v.H. Zinsen für jeden vollen Monat seit dem 1. November 1972 zu zahlen; es wies im übrigen die Klage ab (Urteil vom 4. Januar 1977 IV 58/75 H, Entscheidungen der Finanzgerichte 1977 S. 222 – EFG 1977, 222 –).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Die Anschlußrevision führt in teilweiser Aufhebung der Vorentscheidung zur vollen Abweisung der Klage. Die Klageforderungen auf Gewährung von Ausfuhrerstattungen und Währungsausgleichsbeträgen bestanden zwar; davon ging das FG ohne Rechtsirrtum in Übereinstimmung mit den Auffassungen der Beteiligten aus. Sie sind aber durch zulässige und wirksame Aufrechnung erloschen.

I. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß die vom HZA im vorliegenden Fall erklärten Aufrechnungen in sinngemäßer Anwendung der §§ 387 ff. BGB zulässig waren.

1. Nach allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen ist die Aufrechnung mit und gegen öffentlich-rechtliche Forderungen zulässig. Der erkennende Senat hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß mangels besonderer Vorschriften über die Aufrechnung öffentlich-rechtlicher Forderungen die Vorschriften des BGB über die Aufrechnung sinngemäß Anwendung finden, soweit sie mit dem Steuerrecht vereinbar sind (vgl. Urteil vom 19. November 1968 VII R 6/66 BFHE 94, 477, 479, BStBl II 1969, 178, mit weiteren Nachweisen). Der Senat hat keine Bedenken, die Grundsätze dieser für das Steuerrecht geltenden Rechtsprechung auch für das Recht der Ausfuhrerstattungen und Währungsausgleichsbeträge zu übernehmen. Davon ist er bereits in seinem Urteil vom 6. März 1979 VII R 112/75 (BFHE 127, 457) ausgegangen.

2. Die Klageforderungen haben ihren Rechtsgrund teilweise im Gemeinschaftsrecht. Dieses steht jedoch der Zulässigkeit der Aufrechnung nicht entgegen. Wie die Klägerin in ihrer Revisionsbegründung selbst darlegt, enthält das Gemeinschaftsrecht kein generelles Aufrechnungsverbot. Das innerstaatliche Recht bleibt daher insoweit anwendbar (vgl. auch BFHE 127, 457, 460). Die Revision trägt jedoch vor, es bestehe ein spezielles Aufrechnungsverbot gegenüber gemeinschaftsrechtlichen Ausfuhrsubventionen. Dieser Auffassung ist nicht zu folgen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob ein solches gemeinschaftsrechtliches Aufrechnungsverbot nicht schon deswegen ausscheidet, weil die Entscheidung über die Frage der Aufrechnung in den Bereich fällt, den der Gemeinschaftsgesetzgeber zur Disposition des nationalen Gesetzgebers gestellt hat (vgl. z. B. EGHE 1970, 25, 35). Denn jedenfalls ist weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck der Verordnung (EWG) Nr. 1041/67 (VO Nr. 1041/67) der Kommission vom 21. Dezember 1967 (ABlEG Nr. 314 vom 23. Dezember 1967 S. 9, BZBl 1968, 904) ein Aufrechnungsverbot in dem von der Klägerin genannten Sinn zu entnehmen.

Die VO Nr. 1041/67 verwendet die Begriffe „Gewährung” und „Zahlung” der Erstattung als Synonyme. Das ergibt sich nicht nur aus ihren Erwägungsgründen, in denen diese Begriffe abwechselnd verwendet werden ohne daß der unterschiedlichen Verwendung ein unterschiedlicher Sinn entnommen werden kann. Deutlich macht das auch Art. 10 VO Nr. 1041/67; in dessen Absatz 1 wird von der Gewährung, in Absatz 2 – der nach dem Zusammenhang zweifelsfrei das Nämliche meint – von der Zahlung der Erstattung gesprochen. Es ist daher auch auszuschließen, daß der Wendung „ausgezahlt” in Art. 8 Abs. 2 VO Nr. 1041/67 ein besonderer Sinn im Hinblick auf die Frage der Aufrechnung zukommt Dagegen spricht überdies, daß es sich bei dieser Bestimmung um eine Spezialregelung handelt. Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat also mit der Verwendung der genannten Begriffe die Gewährung der Erstattung durch Aufrechnung nicht ausschließen wollen. Es fehlen Anhaltspunkte dafür, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber die Frage der Aufrechnung im Rahmen der Regelung der VO Nr. 1041/67 bedacht hat.

Da demnach aus dem Wortlaut nichts für das Bestehen eines Aufrechnungsverbotes zu entnehmen ist, könnte sich die Klägerin auf ein solches Verbot nur berufen, wenn es eine entsprechende ungeschriebene Rechtsnorm gäbe. Von deren Bestehen könnte aber allenfalls dann ausgegangen werden, wenn sie sich aus Sinn und Zweck der Erstattungsregelungen eindeutig ergäbe. Das ist jedoch nicht der Fall.

Es ist schon fraglich, ob der Argumentation der Klägerin gefolgt werden kann, die Erstattungsregelungen wollten zur Ermöglichung und Erleichterung der Ausfuhren dem Ausführer allein liquide Mittel zuführen und das geschehe nicht, wenn aufgerechnet werde. Immerhin entlastet die Aufrechnung den Ausführer von einer fälligen Gegenforderung, für deren Begleichung er als ordentlicher Kaufmann liquide Mittel bereithalten oder verfügbar machen müßte. Der Inanspruchnahme dieser liquiden Mittel wird der Ausführer durch die Aufrechnung enthoben. Das ermöglicht ihm, diese Mittel anderweitig, d. h. z. B. zur Rückführung der ihm für die Ausfuhrgeschäfte gewährten Kredite zu verwenden.

Unabhängig davon aber ergibt sich aus Sinn und Zweck der Erstattungsregelungen nicht, daß die öffentlich-rechtliche Körperschaft als Schuldner der Ausfuhrerstattungen im Falle des Bestehens von Gegenforderungen gegen den Erstattungsberechtigten für deren Begleichung grundsätzlich auf illiquide Mittel des Erstattungsberechtigten verwiesen und damit allein ihr das Insolvenzrisiko aufgebürdet werden sollte. Von einer derartigen Entscheidung des Gemeinschaftsgesetzgebers kann jedenfalls dann nicht ausgegangen werden, wenn sich wie hier sowohl die Hauptforderung als auch die Gegenforderung aus dem Erstattungsrecht ergeben.

II. Die zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen bestehen. Sie ergeben sich aus dem Rückforderungsbescheid vom 8. Februar 1972. Dieser Bescheid ist rechtskräftig. Daraus ergibt sich, daß der aufrechnenden öffentlich-rechtlichen Körperschaft diese Gegenforderung i. S. des § 406 BGB „zusteht”, daß der bisherige Gläubiger der abgetretenen Hauptforderung die entsprechenden Beträge „schuldet” (vgl. § 387 BGB). Diese Forderungen sind daher zur Aufrechnung grundsätzlich geeignet.

Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stünden trotz der Rechtskraft des Rückforderungsbescheids noch Einwendungen gegen seine Rechtmäßigkeit zu. Dem ist nicht zu folgen. Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, daß die Rechtskraft des Bescheids nur zwischen den Beteiligten des Rechtsstreits wirke, aus dem sie erwachsen ist. Aus der Abtretung einer Forderung ergeben sich für den Neugläubiger hinsichtlich einer nach § 406 BGB zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung keine weitergehenden Rechte, als sie dem bisherigen Gläubiger zustanden. Etwas anderes widerspräche Wortlaut, Sinn und Zweck der Vorschriften über die Forderungsabtretung. Die Stellung des Schuldners darf durch die Abtretung, da sie ohne seinen Willen erfolgt, nicht verschlechtert werden. Mit diesem Grundsatz wäre es nicht vereinbar, hätte die Abtretung zur Folge, daß sich der Schuldner auch hinsichtlich einer – ja nicht abgetretenen – zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung mit Einwendungen des neuen Gläubigers auseinandersetzen müßte, die dem bisherigen Gläubiger ihm gegenüber nicht mehr zur Verfügung stehen. Hinzu kommt, daß es sich im vorliegenden Fall um Einwendungen aus dem Rechtsverhältnis handelt, das Erstattungsansprüchen zugrunde liegt. Wie der erkennende Senat durch Urteil vom 25. April 1978 VII R 2/75 (BFHE 125, 138, BStBl II 1978, 464) entschieden hat ist die Rechtsposition des Erstattungsberechtigten nicht abtretbar. Erst recht können daher auch bei der Aufrechnung Einwendungen aus diesem Rechtsverhältnis einem Dritten nicht zugestanden werden.

III. Nicht zu folgen ist dem FG insoweit, als es entschieden hat, daß der Aufrechnung teilweise mangelnde Gegenseitigkeit von Haupt- und Gegenforderungen entgegenstehe. Zwar ändert § 406 BGB – auf dessen Bedeutung für den vorliegenden Fall unter Abschn. IV eingegangen werden wird – nichts daran, daß grundsätzlich nur Forderungen gegeneinander aufgerechnet werden können, die zwei Personen „einander schulden” (§ 387 BGB). Die Aufrechnung ist also nur zulässig, wenn jeweils der Schuldner der einen Forderung zugleich Gläubiger der anderen Forderung ist. Diese Voraussetzungen sind hier aber erfüllt da die Bundesrepublik Deutschland sowohl Schuldner aller den Gegenstand der Hauptforderungen bildenden Ansprüche als auch Gläubiger der Rückforderungsansprüche ist.

1. Im Rahmen der EWG gilt der Grundsatz, daß das Gemeinschaftsrecht durch die Mitgliedstaaten durchgeführt wird. Die EWG verfügt grundsätzlich über keine eigene Exekutive. Insbesondere fehlt ihr der gemeinschaftseigene Verwaltungsunterbau. Der Vollzug des Gemeinschaftsrechts obliegt also den Behörden der Mitgliedstaaten. Diese werden insoweit kraft eigenen Rechts und im eigenen Namen tätig (vgl. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972 S. 218; Bünten, Staatsgewalt und Gemeinschaftshoheit bei der innerstaatlichen Durchführung des Rechts der Europäischen Gemeinschaften durch die Mitgliedstaaten, 1977 S. 30, 191; Constantinesco, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften I, 1977 S. 293; vgl. auch Pescatore, Das Zusammenwirken der Gemeinschaftsrechtsordnung mit den nationalen Rechtsordnungen, Europarecht 1970 S. 307, 312).

Dieses Tätigwerden nicht der Gemeinschaft, sondern allein der Behörden der Mitgliedstaaten zeigen die Regelungen der VO Nr. 1041/67 besonders deutlich. Nach ihrem Art. 10 Abs. 1 wird die Erstattung von dem Mitgliedstaat gewährt, auf dessen Gebiet die Ausfuhr-Zollförmlichkeiten erfüllt werden. Die Erstattungsanträge und die Beweismittel sind nach dieser Verordnung bei den zuständigen Behörden dieses Mitgliedstaates anzubringen. Diesen steht die Entscheidung über die Erstattung zu. Die Art und Weise der Gewährung der Währungsausgleichsbeträge unterscheidet sich nicht von der der Erstattungsgewährung; die Bestimmungen über die Erstattungsgewährung gelten entsprechend (das hat nachträglich Art. 7 Abs. 1 VO Nr. 648/73 der Kommission vom 1. März 1973, ABlEG Nr. L 64/1 vom 9. März 1973, bestätigt).

2. An dem grundsätzlichen Weiterbestehen der alleinigen Verwaltungshoheit der Mitgliedstaaten haben auch der Ratsbeschluß vom 21. April 1970 (ABlEG Nr. L 94/19 vom 28. April 1970) – in innerstaatliches Recht transformiert durch das Zustimmungsgesetz vom 4. Dezember 1970 (BGBl II 1970, 1261) – und die VO (EWG) Nr. 729/70 – VO Nr. 729/70 – des Rates vom 21. April 1970 (ABlEG Nr. L 94/13 vom 28. April 1970) nichts geändert. Diesen Regelungen ist lediglich zu entnehmen, daß mit Wirkung vom 1. Januar 1971 die Einnahmen aus den Agrarabschöpfungen und die Erstattungen bei der Ausfuhr nach dritten Ländern als eigene Einnahmen und Ausgaben in den Haushaltsplan der Gemeinschaften einzusetzen sind. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des FG auch nicht aus der VO (EWG) Nr. 2697/70 – VO Nr. 2697/70 – der Kommission vom 29. Dezember 1970 (ABlEG Nr. L 285/63 vom 31. Dezember 1970). Der Wortlaut dieser Verordnung belegt ebenfalls deutlich, daß es sich allein um haushaltsmäßige Regelungen zur Finanzierung der Agrarpolitik handelt.

Daß sich durch diese Rechtsinstrumente am Weiterbestehen der grundsätzlich alleinigen Verwaltungshoheit der Mitgliedstaaten nichts geändert hat, belegen im übrigen Art. 8 VO Nr. 729/70 und Art. 1 und 2 der Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) Nr. 2/71 des Rates vom 2. Januar 1971 (ABlEG Nr. L 3/1 vom 5. Januar 1971). Nach Art. 8 VO Nr. 729/70 treffen die Mitgliedstaaten gemäß den einzelstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften die erforderlichen Maßnahmen, um Unregelmäßigkeiten zu verhindern und zu verfolgen und um die infolge von Unregelmäßigkeiten und Versäumnissen abgeflossenen Beträge wieder einzuziehen. Art. 1 VO Nr. 2/71 bestimmt, daß die eigenen Mittel der Gemeinschaften von den Mitgliedstaaten gemäß ihren Rechts- und Verwaltungsvorschriften festgestellt und der Kommission zur Verfügung gestellt werden. Art. 2 VO Nr. 2/71 besagt ferner, daß für die Anwendung dieser Verordnung ein Anspruch als festgestellt gilt, wenn die entsprechende Forderung von der zuständigen Dienststelle oder Einrichtung des Mitgliedstaats ordnungsgemäß festgesetzt ist. Aus Art. 6 des Ratsbeschlusses vom 21. April 1970 ergibt sich schließlich, daß die betreffenden Gemeinschaftsmittel von den Mitgliedstaaten gemäß den einzelstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erhoben werden und daß die Mitgliedstaaten diese Mittel der Kommission zur Verfügung stellen.

Daß sich an den Verwaltungszuständigkeiten der Mitgliedstaaten durch die Übertragung eigener Einnahmen auf die Gemeinschaften nichts geändert hat, entspricht auch der Auffassung des EGH. Dieser hat in seinem Urteil vom 4. April 1974 Rs. 178, 179 und 180/73 (EGHE 1974, 383, 399, 400) unter Bezugnahme auf die zitierten Vorschriften entschieden, daß die Einsetzung eigener Einnahmen in den Haushaltsplan der Gemeinschaften nichts Näheres über die etwaigen Befugnisse der Gemeinschaftsbehörden sage, selbst die Abschöpfungen zu erheben und die Erstattungen zu gewähren oder auszuzahlen. Aus den Bestimmungen der VO Nr. 729/70 und dem Ratsbeschluß vom 21. April 1970 ergebe sich, daß die Aufgabe der Rechtsverfolgung zugunsten der Abschöpfungs- und Erstattungssysteme weiterhin den Mitgliedstaaten verbleibe und diese auch fortan zu diesem Zweck gegenüber den Rechtsunterworfenen aufträten; „sonach ist die Rechtsstellung der Mitgliedstaaten und ihrer Behörden als Parteien in Rechtsstreitigkeiten über die Nachzahlung hinterzogener Gemeinschaftseinnahmen und über die Rückerstattung zu Unrecht gewährter Beträge durch die Gewährung eigener Mittel an die Gemeinschaft nicht beeinträchtigt worden”. Durch sein Urteil vom 5. Mai 1977 Rs. 110/76 (EGHE 1977, 851, 856) hat der EGH diese Rechtsauffassung bestätigt; er hat dort zum Ausdruck gebracht, daß die Aufgabe der Rechtsverfolgung und Beitreibung zum Einzug der eigenen Mittel den Mitgliedstaaten verbleibe und diese auch weiterhin zu diesem Zweck den Abgabepflichtigen gegenüber tätig würden. Zum gleichen Ergebnis gelangte der EGH im Urteil vom 26. November 1975 Rs. 99/74 (EGHE 75, 1531, 1540); hinsichtlich von Erstattungen 1972/73 entschied der EGH, daß die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts, insbesondere Art. 10 VO Nr. 1041/67, keinen Zweifel daran ließen, „daß es Sache der mitgliedstaatlichen Behörden ist, zu zahlen oder die Zahlung zu verweigern”.

3. Die Behörden der Mitgliedstaaten treten demnach sowohl bei der Gewährung der Erstattung (und der Währungsausgleichsbeträge) als auch bei deren Rückforderung dem Erstattungsbeteiligten gegenüber im eigenem Namen und kraft eigenen Rechts auf. Dem einzelnen Erstattungsgläubiger bzw. dem einzelnen Schuldner der Rückforderung stehen also nicht die EWG, sondern nur die Behörden der Mitgliedstaaten gegenüber. Letztere sind daher Träger der Erstattungs- und Rückforderungsansprüche. Nur sie können daher auch als Gläubiger bzw. als Schuldner i. S. des § 387 BGB angesehen werden.

Zu einem vergleichbaren Ergebnis ist das Reichsgericht (RG) in ständiger Rechtsprechung unter der Herrschaft der Reichsverfassung von 1871 (RV 1871) gelangt (vgl. die zusammenfassende Darstellung der damaligen Rechtslage mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des RG und das Schrifttum im Gutachten des Reichsfinanzhofs (RFH) vom 14. Mai 1934 GrS D 6/32, RFHE 36, 138, 141). Nach dem damaligen Recht standen die Einnahmen aus den Reichsabgaben (z. B. den Zollen und Verbrauchsteuern) dem Reich zu. Die Bundesstaaten hatten die aufgrund von Reichsgesetzen erhobenen Abgaben an die Reichskasse abzuführen (Art. 38, 39 RV 1871). Art. 36 RV 1971 bestimmte aber, daß die Erhebung und Verwaltung der Zölle und Verbrauchsteuern Sache jeden Bundesstaats innerhalb seines Gebiets war. Das gleiche galt für andere Reichssteuern, z. B. für die Reichsstempelabgabe. Auch im übrigen stand nach der RV 1871 die Verwaltungshoheit grundsätzlich den Bundesstaaten zu. Das Verhältnis zwischen Reich und Ländern unter der Herrschaft der RV 1871 entsprach also für die Frage der Ausübung der Verwaltungshoheit in wesentlichen dem Verhältnis zwischen der EWG und den Mitgliedstaaten. In Rechtsprechung und Schrifttum herrschte damals im wesentlichen Übereinstimmung darüber, daß die Bundesstaaten, weil sie bei der Erhebung der Zölle und Verbrauchsteuern als Träger der Verwaltungshoheit im eigenen Namen handelten und ihre Behörden die Verwaltung nicht als Organe des Reichs führten, Träger des Steueranspruchs und Gläubiger auch bei Reichssteuern waren.

4. Zu Unrecht stützt sich das FG für seine gegenteilige Auffassung auf das Urteil des erkennenden Senats vom 12. März 1963 VII 98/61 U (BFHE 76, 678, BStBl III 1963, 247). Dort ist der Senat für die Frage der Steuergläubigerschaft im Rahmen des Aufrechnungsrechts von der allein an die Verwaltungshoheit anknüpfenden oben dargelegten Rechtsauffassung abgegangen und hat entschieden, daß für das neuere Recht die Ertragshoheit als maßgehend für die Steuergläubigerschaft anzusehen sei Er hat sich dabei auf den Beschluß des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 28. Oktober 1952 V ZB 15/52 (Neue Juristische Wochenschrift 1953 S. 64 – NJW 1953, 64 –) gestützt, der sich wiederum der Auffassung anschloß, die Mattern in einem Aufsatz in der NJW 1952, 1002 vertreten hatte. Aus beiden Urteilen und dem zitierten Aufsatz ergibt sich als wesentlicher Beweggrund für diese Änderung des Anknüpfungspunkts der Umstand, daß das Grundgesetz die Verwaltungshoheit auf Bund und Länder verteilt hatte. „Damit ist die Lage eine wesentlich andere als zu den Zeiten, da entweder nur die Länder oder nur das Reich die Verwaltungshoheit hatten. Infolgedessen können Gründe, die sich etwa aus der einheitlichen Verwaltung der Steuern für alle Gebietskörperschaften dafür herleiten ließen, daß die Verwaltungshoheit für die Steuergläubigerschaft maßgebend sei, nicht mehr geltend gemacht werden” (BFHE 76, 682, BStBl III 1963, 247, 248; ähnlich Mattern, NJW 1952, 1002, Abschn. I Nr. 2 Buchst. c Satz 1 und BGH-Entscheidung in NJW 1953, 65, rechte Spalte Abs. 1). Daraus und aus den folgenden, meist nur praktischen Erwägungen entspringenden Entscheidungsgründen – der BGH stellte im wesentlichen auf die natürliche Betrachtungsweise ab – ergibt sich, daß die Ertragshoheit als Anknüpfungspunkt für die Frage der Steuergläubigerschaft vorwiegend deswegen den Vorzug vor der Verwaltungshoheit erhielt, weil diese nicht mehr einheitlich geregelt war und daher keinen praktikablen Maßstab für die Entscheidung dieser Frage mehr abgab.

Die Grundsätze dieser Urteile können auf die hier zu entscheidende Rechtsfrage nicht angewendet werden. Gerade hinsichtlich jenes Gesichtspunktes, der den Senat damals veranlaßt hat, von der bis dahin an die Verwaltungshoheit anknüpfenden Rechtsauffassung abzugehen, sind nämlich die Sachverhalte nicht vergleichbar. Während das Grundgesetz die Verwaltungshoheit zwischen Bund und Länder verteilt hat, liegt im Verhältnis zur EWG die Verwaltungshoheit grundsätzlich einheitlich bei den Mitgliedstaaten. Wenn überhaupt die Heranziehung bundesstaatlicher Analogien auf das Verhältnis der Europäischen Gemeinschaften (EG) zu ihren Mitgliedstaaten zulässig ist – dagegen sprechen grundsätzliche Bedenken (vgl. z. B. Ipsen, a. a. O., S. 220; Bunten, a. a. O., S. 69) –, kommt allenfalls ein Vergleich mit den Verhältnissen unter der Herrschaft der Reichsverfassung von 1871 in Betracht, vgl. oben Nr. 3).

5. Den gegen diese Auffassung von der Klägerin vorgebrachten Argumenten ist nicht zu folgen.

a) Auch für die Durchführung von Gemeinschaftsrecht stellt sich zwar nach dem Grundgesetz grundsätzlich die Frage danach, wer (Bund oder Länder) jeweils dafür zuständig ist. Es kann aber keinem Zweifel unterliegen, daß – von wenigen Ausnahmen abgesehen – das Gemeinschaftsrecht von den Behörden des Bundes durchgeführt wird. Es gibt also auch insoweit keine Verteilung von Verwaltungszuständigkeiten zwischen Bund und Ländern, die allenfalls die Anwendung der Grundsätze des Urteils des erkennenden Senats (BFHE 76, 678, BStBl III 1963, 247) rechtfertigen könnten.

b) Die Klägerin ist der Auffassung, daß „juristisch begründbar … als maßgebendes Kriterium nur die Ertragshoheit” sei. Das Beispiel der Umsatzsteuer belegt das Gegenteil. Was Bund und Ländern an der Umsatzsteuer zusteht, steht nämlich zumindest zum Teil im Zeitpunkt der Umsatzsteuererhebung noch nicht fest, sondern wird erst nachträglich festgestellt (vgl. Art. 107 Abs. 1 Satz 4 GG; Maunz/Dürig/Herzog, Grundgesetz, 1.–16. Lieferung, Art. 106 Anm. 36). Über die Frage der Gläubigerschaft muß aber im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer Klarheit bestehen; sie kann nicht in der Schwebe bleiben. Zumindest für die Gläubigerschaft bei der Umsatzsteuer gibt also die Ertragshoheit keinen brauchbaren Anknüpfungspunkt. Ist dem aber so, so ist der von der Klägerin gezogene allgemeine Schluß nicht gerechtfertigt, daß allein das Abstellen auf dieses Kriterium „juristisch” erlaubt sei.

6. Zusammenfassend ist daher zu sagen: Die Mitgliedstaaten und nicht die Gemeinschaften sind i. S. der innerstaatlichen Aufrechnungsvorschriften Schuldner der bei der Ausfuhr zu gewährenden Erstattungen und Währungsausgleichsbeträge und Gläubiger etwa zurückgeforderter entsprechender Ausfuhrsubventionen. Es bedarf daher nicht der Entscheidung der Frage, wem insoweit die Ertragshoheit zusteht.

Schuldner sämtlicher Klageforderungen – gleichgültig, ob sie bei den Erstattungen entweder vor oder nach dem 1. Januar 1971 bzw. bei den Währungsausgleichsbeträgen vor oder nach dem 1. Juli 1972 entstanden sind – war somit die Bundesrepublik Deutschland. Diese war auch Gläubiger der Rückforderungsansprüche aus dem Rückforderungsbescheid vom 8. Februar 1972. Die Gegenseitigkeit der zur Aufrechnung gestellten Forderungen i. S. des § 387 BGB war daher in vollem Umfang vor der Abtretung der Hauptforderung gegeben gewesen.

IV. Der durch die Abtretung der Hauptforderung grundsätzlich eingetretene Verlust der Gegenseitigkeit i. S. des § 387 BGB stand der Aufrechnung nicht entgegen, da insoweit die Gegenseitigkeit in entsprechender Anwendung des § 406 BGB als fortbestehend angesehen werden mußte.

1. Der Vorinstanz und der Revision ist darin zu folgen, daß auch § 406 BGB entsprechend anwendbar ist. Das folgt aus dem Umstand, daß die Abtretung von Erstattungsansprüchen rechtlich zulässig ist (vgl. BFHE 117, 23). Korrelat dieser den Interessen des Erstattungsberechtigten dienenden Abtretungsmöglichkeit muß die Geltung des § 406 BGB sein, der dem Zweck dient, den Schuldner durch die Abtretung der Forderung nicht zu benachteiligen, ihn also gegenüber dem neuen Gläubiger nicht ungünstiger zu stellen, als er gegenüber dem alten Gläubiger stand (vgl. BFH-Urteil vom 21. März 1978 VIII R 60/73, BFHE 125, 326, 330, BStBl II 1978, 606; BGH-Urteil vom 28. November 1955 II ZR 153/54, BGHZ 19, 153, 156).

2. Wie der BGH im zuletzt zitierten Urteil ausgeführt hat, liegt die Bedeutung des § 406 BGB darin, daß sie dem Schuldner nicht nur die Rechtslage erhält, wie sie im Zeitpunkt der Abtretung bereits war, sondern daß er sich auch auf solche Umstände berufen kann, die später als im Zeitpunkt der Abtretung eingetreten sind und die ihm ohne die Abtretung das Recht zur Aufrechnung gegenüber dem früheren Gläubiger gegeben hätten. Hier wird also die bis zur Abtretung bestehende Voraussetzung der Gegenseitigkeit der beiden Forderungen als weiterbestehend behandelt. Diese Erweiterung gilt aber nicht schlechthin für sämtliche Umstände, die bis zur Zahlung an den neuen Gläubiger eintreten, sondern nur mit den Einschränkungen, die in dem mit „es sei denn” beginnenden Halbsatz des § 406 BGB zum Ausdruck kommen.

3. Nach der ersten Alternative des § 406 BGB ist die Aufrechnung gegenüber dem neuen Gläubiger ausgeschlossen, wenn der Schuldner bei Erwerb der Gegenforderung von der Abtretung Kenntnis hatte.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist erforderlich und genügend, daß der Rechtsgrund für die Gegenforderung spätestens bei Erlangung der Kenntnis von der Abtretung bestand (Urteil vom 1. Juli 1974 II ZR 115/72, NJW 1974, 2000, mit weiteren Nachweisen). Dies entspricht dem den §§ 406 und 404 BGB zugrunde liegenden Rechtsgedanken (vgl. oben Ziff. 2 und BGH-Urteil vom 27. April 1972 II ZR 122/70, BGHZ 58, 327). Das genannte Erfordernis wird von der Rechtsprechung weit ausgelegt (vgl. Larenz, Schuldrecht, Bd. I, 12. Aufl., S. 474, der – für § 404 BGB – zum Ergebnis kommt, daß als Einwendungen, die dem neuen Gläubiger nicht entgegengehalten werden können, wohl nur solche übrig bleiben, die sich aus einem erst nach der Abtretung vorgenommenen Rechtsgeschäft zwischen dem früheren Gläubiger und dem Schuldner ergeben).

Die Klägerin verkennt den Begriff „Rechtsgrund” i. S. der zivilgerichtlichen Rechtsprechung. Vom Vorliegen eines Rechtsgrundes in diesem Sinne kann nicht nur dann die Rede sein, wenn die Gegenforderung im maßgebenden Zeitpunkt bereits besteht, wenn auch noch nicht voll wirksam geworden ist Zu Unrecht beruft sich die Klägerin für ihre gegenteilige Auffassung auf die Rechtsprechung von RG und BGH Diese hat z. B. als Rechtsgrund angesehen einen Bauvertrag (BGH-Urteil vom 12. Juni 1961 VII ZR 63/60, Juristenzeitung 1962 S. 92 – JZ 1962, 92 –), einen Dauernutzungsvertrag (BGHZ 58, 327) und einen Bürgschaftsvertrag (NJW 1954, 2000) für zur Aufrechnung gestellte, nach der Kenntnisnahme von der Abtretung entstandene Gegenforderungen, die Schadensersatzansprüche bzw. Anwaltskosten bzw. Erstattungsansprüche des Bürgen beinhalteten. In diesen Fällen kann nicht die Rede davon sein, daß im nach § 406 BGB maßgebenden Zeitpunkt die Gegenforderungen bereits bestanden hätten; sie bestanden nicht einmal bedingt. Aber der Schuldner war jeweils Vertragspartner eines Schuldverhältnisses, aus dem ihm potentiell Forderungen erwachsen konnten; er durfte also damit rechnen, daß er sich dieser Forderungen auch nach Abtretung der Hauptforderung werde bedienen können, um sich durch Aufrechnung von letzterer zu befreien. Es ist gerade Sinn des § 406 BGB, dem Schuldner diese gegen den Altgläubiger einmal erworbene Stellung auch gegenüber dem Neugläubiger zu sichern.

Nach den Rechtsgrundsätzen dieser Rechtsprechung liegt der Rechtsgrund für die Rückforderungsansprüche in dem Rechtsverhältnis, das der Gewährung der Erstattung zugrunde lag. Dieses Rechtsverhältnis ist entweder schon mit dem Antrag auf Erteilung des Ausfuhrkontrollexemplars für die jeweils betroffenen Erstattungswaren durch die Versandzollstelle oder doch spätestens mit der Stellung des Erstattungsantrags durch die bisherige Gläubigerin entstanden. Dabei kann dahingestellt bleiben, welcher dieser beiden Zeitpunkte maßgebend ist. Aus den vom FG mehrfach in Bezug genommenen, dem Rückforderungsbescheid zugrunde liegenden Erstattungsunterlagen ergibt sich, daß beide vor dem Zeitpunkt liegen, zu dem frühestens von einer Kenntnis des HZA hinsichtlich der Abtretung gesprochen werden kann. Daß auf einen dieser Zeitpunkte im vorliegenden Fall abzustellen ist, ergibt sich auch aus der Erwägung, daß Grundlage der zu Unrecht gewährten erschlichenen Erstattungen jeweils die Vorlage unrichtiger Anträge auf Erteilung von Ausfuhrkontrollexemplaren war; darin lag der Grund für die unrichtige Erstattung und daher auch für die Rückforderung der Erstattung. Der Rückforderungsbescheid ist also als Nachwirkung jener Rechtsbeziehung anzusehen, für die der Grund spätestens Ende Januar 1971 gelegt war.

Daraus ergibt sich, daß die erste Alternative des § 406 BGB der Aufrechnung nicht entgegensteht. Denn der Rechtsgrund für den Rückforderungsbescheid ist jedenfalls vor dem 8. März 1971 gelegt worden, dem Zeitpunkt also, zu dem das HZA von der Vorausabtretung erfahren hatte. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die Kenntnis der Vorausabtretung, die hier gegeben ist, der Kenntnis einer Abtretung i. S. des § 406 BGB gleichsteht oder ob nicht – zumindest für den hier maßgebenden öffentlich-rechtlichen Bereich, in dem der Erwerb einer etwaigen Gegenforderung nicht im Belieben der Verwaltung steht – auf einen späteren Zeitpunkt abzustellen ist (vgl. zur Problematik BGH-Urteil vom 2. Juni 1976 VIII ZR 267/74, BGHZ 66, 384, und die kritischen Anmerkungen dazu von Denck, Der Betrieb 1977 S. 1493 – DB 1977, 1493 –).

4. Die Aufrechnung war auch nicht durch die zweite Alternative des § 406 BGB ausgeschlossen. Danach darf gegenüber dem neuen Gläubiger nicht aufgerechnet werden, wenn die Gegenforderung erst nach Erlangung der Kenntnis und später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des BGH in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre im Schrifttum ist danach die Aufrechnungsbefugnis nur gegeben, wenn die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung des Schuldners entweder schon in dem Zeitpunkt fällig war, als er von der Abtretung der Hauptforderung Kenntnis erlangte, oder wenn sie spätestens gleichzeitig mit der Hauptforderung fällig wurde (vgl. das zitierte Urteil BGHZ 19, 153, 156 sowie das BGH-Urteil vom 27. Juni 1961 VI ZR 205/60, BGHZ 35, 318, 326, jeweils mit weiteren Nachweisen). Der Senat folgt dieser Auffassung (vgl. z. B. auch Staudinger, a.a.O., § 406 Anm. 18; Münchner Kommentar, BGB, § 406 Anm. 11).

b) Der Rückforderungsbescheid vom 8. Februar 1972 ist der bisherigen Gläubigerin am 9. Februar 1972 zugegangen. Er enthält die Aufforderung, den angeforderten Betrag sofort zu zahlen. Mit der Zustellung des Bescheids ist der Rückforderungsanspruch fällig geworden. Das hat das FG zu Recht entschieden.

c) Die Hauptforderungen sind fällig geworden mit Bekanntgabe der jeweiligen Erstattungs- und Währungsausgleichsbetragsbescheide an die bisherige Gläubigerin (vgl. auch den hier nicht anwendbaren § 220 Abs. 2 Satz 2 der AbgabenordnungAO 1977 –). Das hat die Vorinstanz zutreffend entschieden. Es fehlt zwar an einer für den hier fraglichen Zeitraum geltenden ausdrücklichen gemeinschaftsrechtlichen oder innerstaatlichen Regelung der Fälligkeit der Erstattungsforderungen (und damit der Forderungen auf Gewährung von Währungsausgleichsbeträgen; vgl. oben E III Nr. 1 am Ende). Erst § 13 Abs. 1 der Verordnung Ausfuhrerstattung EWG vom 16. Dezember 1974 – VO AusfErst EWG – (BGBl I 1974, 3555, BZBl 1974, 1182) enthält eine solche Regelung. Der Zeitpunkt der Fälligkeit ergibt sich jedoch auch ohne eine entsprechende Rechtsnorm daraus, daß die Gewährung der Erstattung ein rechtsgestaltender Verwaltungsakt ist (vgl. BFHE 127, 457, 460) und daher eine Fälligkeit der erst im Erstattungsbescheid festgesetzten Beträge vorher nicht denkbar ist. Eines näheren Eingehens auf die Einwendungen der Klägerin gegen diese Rechtsauffassung bedarf es nicht. Denn selbst wenn man mit der Klägerin davon ausginge, daß der Rechtsanspruch auf Erstattung bereits vor Erteilung des Erstattungsbescheides entstünde, ergäbe sich daraus noch nicht zwangsläufig, daß der Tag der Fälligkeit mit dem Tag des Entstehens zusammenfällt. Aus den Umständen (vgl. § 271 Abs. 1 BGB) ergibt sich hier vielmehr, daß zumindest die Fälligkeit der Erstattungs- und Währungsausgleichsbeträge nicht vor Erteilung des Erstattungsbescheides eintreten konnte. Denn es handelt sich hier um einen Anspruch auf Subventionsgewährung nach öffentlichem Recht, für dessen Fälligkeit eine auch betragsmäßige Konkretisierung des Subventionsbetrages durch die zuständige Behörde Voraussetzung ist.

Aus den Feststellungen des FG ergibt sich, daß alle Erstattungsbescheide, die den Klageforderungen (Hauptforderung) zugrunde lagen, nach dem 9. Februar 1972 bei der bisherigen Gläubigerin eingegangen sind. Sie sind also alle nach diesem Zeitpunkt fällig geworden.

d) Als Ergebnis ist somit festzuhalten, daß die Gegenforderungen jedenfalls vor den Hauptforderungen fällig geworden sind, so daß die zweite Alternative des § 406 BGB der Aufrechnung ebenfalls nicht entgegensteht.

V. Die Einwendungen der Revision gegen die nach den vorstehenden Ausführungen zulässigen Aufrechnungen sind nicht begründet.

Zu Recht hat das FG entschieden, daß der Aufrechnung nicht eine etwaige verzögerliche Bearbeitung der den Gegenstand der abgetretenen Forderungen bildenden Erstattungen durch das HZA entgegengehalten werden kann. Der erkennende Senat hält die Ausführungen der Vorinstanz zu dieser Frage für zutreffend und schließt sich ihnen an. Die dagegen vorgetragenen Einwendungen der Revision sind nicht begründet.

Im Rahmen der Frage, ob in der Aufrechnung durch das HZA eine mit dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht vereinbare unzulässige Rechtsausübung deswegen liege, weil das HZA die Bearbeitung von Erstattungsbescheiden verzögert habe, konnte das FG durchaus berücksichtigen, daß es sich bei den vom Rückforderungsbescheid betroffenen Bescheiden um vorsätzlich erschlichene Erstattungen gehandelt hat. Das gilt um so mehr, als, wie sich aus den Feststellungen des FG ergibt, relevante verzögerliche Bearbeitungen allenfalls nur in der Zeit zwischen dem Zeitpunkt, zu dem das HZA von der Möglichkeit, die Erstattungen seien zu Unrecht gewährt worden, zuerst erfahren hat (Anfang Dezember 1971), und dem Zeitpunkt des Erlasses des Rückforderungsbescheids (9. Februar 1972) vorgekommen sein können, also nur innerhalb der relativ kurzen Zeitspanne von etwas mehr als zwei Monaten.

Der Einholung einer Vorabentscheidung des EGH nach Art. 177 Abs. 3 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft bedurfte es nicht. Im vorliegenden Fall handelte es sich in erster Linie um die Auslegung der Worte „einander schulden” in der sinngemäß anwendbaren innerstaatlichen Vorschrift des § 387 BGB. Soweit dabei und bei den übrigen zu entscheidenden Fragen das Gemeinschaftsrecht auszulegen war, ergaben sich für den erkennenden Senat insbesondere deswegen keine Zweifelsfragen, weil diese durch die zitierten Urteile des EGH bereits weitgehend entschieden waren (vgl. BFH-Urteil vom 22. Oktober 1975 VII R 105/73, BFHE 117, 313).

 

Fundstellen

Haufe-Index 510517

BFHE 1980, 450

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