Entscheidungsstichwort (Thema)

Verletzung der Sachaufklärungspflicht in Erlaßsachen

 

Leitsatz (NV)

Zur Schlüssigkeit der Rüge mangelnder Sachaufklärung durch das FG in Erlaßsachen.

 

Normenkette

FGO § 76 Abs. 1 S. 1, § 115 Abs. 3 S. 3

 

Gründe

Es kann offenbleiben, ob das Urteil des Finanzgerichts (FG) dem Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ordnungsgemäß zugestellt worden ist und ob, wie der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) meint, die Beschwerde bereits wegen Versäumung der Beschwerdefrist unzulässig ist. Die Beschwerde ist jedenfalls zu verwerfen, weil ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspricht.

Wird mit der Nichtzulassungsbeschwerde als Verfahrensmangel unzureichende Sachaufklärung mit der Begründung gerügt, das FG hätte auch ohne entsprechenden Beweis antritt von Amts wegen den Sachverhalt weiter aufklären müssen, so sind darzulegen: die ermittlungsbedürftigen Tatsachen, die nicht verwendeten Beweismittel sowie die entsprechenden Beweisthemen, aufgrund welcher Anhaltspunkte im schriftsätzlichen Vorbringen oder sonst in den Akten des FG die Beweiserhebung sich dem FG hätte aufdrängen müssen, das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme, inwiefern das Urteil auf der Grundlage der sachlich-rechtlichen Auffassung des FG auf der unterbliebenen Beweisaufnahme beruhen kann, ferner daß die Nichterhebung der Beweise vor dem FG rechtzeitig gerügt worden ist oder aufgrund des Verhaltens des FG nicht mehr vor diesem gerügt werden konnte (Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 21. Juli 1995 V B 37/95, BFH/NV 1996, 55, Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 115 Anm. 65, § 120 Anm. 40).

Dem genügt der Vortrag des Klägers nicht. Der Kläger führt im wesentlichen aus, das FG hätte aufgrund der mit der Klage eingereichten Unterlagen seine Einkommens- und Vermögenssituation im Säumniszeitraum bzw. im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung näher aufklären müssen. Das FG wäre dann zu dem Ergebnis gelangt, daß seine, des Klägers, Liquiditäts- und Vermögenslage die Begleichung der Einkommensteuerschuld bzw. der Säumniszuschläge nicht ermöglicht hätte. Der Kläger hat damit zum einen nicht im einzelnen genau die Tatsachen bezeichnet, aus denen sich die von ihm geltend gemachte Erlaßsituation hätte ergeben sollen. Im Grunde hat er lediglich abstrakt behauptet, Illiquidität und Überschuldung seien gegeben gewesen.

Zum anderen fehlt es an Ausführungen dazu, inwiefern die über den festgestellten Sachverhalt hinaus vom Kläger als aufklärungsbedürftig angesehenen Tatumstände für das FG entscheidungserheblich gewesen wären. Die Entscheidung über die Gewährung oder Versagung von Billigkeitsmaßnahmen nach § 227 der Abgabenordnung (AO 1977) ist eine Ermessens entscheidung, die vom FG nur daraufhin überprüft werden kann, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck des Ermessens nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 102 FGO). Prüfungsgegenstand für die richterliche Kontrolle der Verwaltungsentscheidung auf Ermessensfehler können daher nur diejenigen tatsächlichen Verhältnisse sein, die der Finanzbehörde im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung -- hier der Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion (OFD) -- bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen (ständige Rechtsprechung, Beschluß des BFH vom 13. März 1990 VII S 3/90, BFH/NV 1991, 171 m. w. N.).

Hiervon ausgehend erscheint die erhobene Sachaufklärungsrüge nicht schlüssig. Die OFD hat ihre ablehnende Entscheidung im wesentlichen darauf gestützt, der Kläger habe seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht hinreichend dargelegt. Er habe lediglich behauptet, nicht über ausreichende finanzielle Mittel zu verfügen, und eine konkrete Darstellung seiner wirtschaftlichen Lage vorenthalten. Es fehle an einer Gegenüberstellung der Vermögenswerte und Schulden sowie der Einnahmen und Ausgaben. Ausschlaggebend für die Entscheidung der OFD war somit, daß der Kläger keine aussagekräftigen Unterlagen und Nachweise eingereicht hat, die konkrete Schlüsse auf seine finanziellen Belastungen zuließen. Da für die Voraussetzungen eines Erlasses auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung abzustellen ist, war das FG bei der Prüfung der Frage, ob die OFD ermessensgerecht entschieden hat, nicht gehalten, die Umstände in bezug auf die vom Kläger im Klageverfahren angeführten Vermögens- und Einkommensverhältnisse im einzelnen zu ermitteln. Dieses Vorbringen war für das FG nicht entscheidungserheblich. Es stellte ausschlaggebend darauf ab, die OFD habe zum Nachteil des Klägers berücksichtigen können, daß dieser im Verwaltungsverfahren keine detaillierten Angaben gemacht hat. Die vom Kläger vorgebrachten Gesichtspunkte hätten sonach nicht zu einer ihm günstigeren FG-Entscheidung geführt. Seine mangelnde Mitwirkung im Verwaltungs- und im Rechtsbehelfsverfahren ist im finanzgerichtlichen Verfahren nicht mehr heilbar (BFH-Urteil vom 29. April 1987 X R 22/82, BFH/NV 1988, 73).

Auch soweit der Kläger geltend macht, das FG habe aus den von ihm eingereichten -- allein seine steuerlichen Verhältnisse betreffenden -- Unterlagen keine Schlüsse gezogen und damit Tatsachen und Beweismittel außer acht gelassen, fehlt es an hinreichenden Darlegungen. Wird gerügt, das FG habe entscheidungserhebliches Vorbringen des Klägers übergangen, ist die Rüge des Verstoßes gegen den Inhalt der Akten nur in zulässiger Weise erhoben, wenn dargelegt wird, welches substantiierte Vorbringen vor dem FG in dem angefochtenen Urteil unberücksichtigt geblieben sei, und darüber hinaus vorgetragen wird, welche Schlußfolgerungen sich dem FG nach Ansicht des Klägers auf Grund dieser Tatsachen hätten aufdrängen müssen (Gräber/Ruban, a. a. O., § 115 Anm. 65, § 120 Anm. 41). Der Kläger hat in seiner Beschwerdeschrift zwar einzelne Unterlagen angeführt, die er im Klageverfahren eingereicht hat. Es fehlt jedoch an dem weiteren Erfordernis, welche konkreten Schlußfolgerungen nach seiner Ansicht das FG aus diesen Unterlagen hätte ziehen müssen. Wie dargelegt, hätten sich die vom Kläger vorgetragenen näheren Umstände auf die Entscheidung des FG nicht ausgewirkt.

Der Einwand des Klägers, das FG hätte ihn, da er nicht ständig fachkundig vertreten gewesen sei, auf die Ergänzung seiner tatsächlichen Angaben hinweisen müssen, reicht zur Bezeichnung eines Verfahrensmangels ebenfalls nicht aus. Wird die Verletzung der Hinweispflicht nach § 76 Abs. 2 FGO gerügt, ist anzugeben, worauf hätte hingewiesen werden und welche Fragen hätten gestellt werden müssen. Ferner ist darzulegen, was darauf geantwortet worden wäre. Hierzu hat der Kläger wiederum nichts hinreichend Konkretes vorgebracht. Er hätte auch insoweit Tatsachen vorbringen müssen, aus denen sich -- nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung -- eine Erlaßsituation ergab.

Schließlich macht der Kläger auch mit seinem Hinweis, das FG hätte ohne genauere Kenntnis seiner Vermögens- und Liquiditätslage als Voraussetzung für die Beurteilung einer Erlaßsituation keine Entscheidung treffen dürfen, keinen Mangel des finanzgerichtlichen Verfahrens geltend. Der Kläger macht insofern sinngemäß geltend, das FG habe die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Erlaß des Steuerbetrags bzw. der Säumniszuschläge verkannt. Hierbei kann es sich indes allenfalls um einen sachlich-rechtlichen Fehler des FG handeln, der die Zulassung der Revision nicht zu rechtfertigen vermag.

 

Fundstellen

BFH/NV 1996, 565

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