Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu den Voraussetzungen einer ordnungsmäßigen Revisionsbegründung

 

Leitsatz (NV)

Die Revisionsbegründung muß aus sich heraus erkennen lassen, daß der Revisionskläger sein bisheriges Vorbringen anhand der Gründe des finanzgerichtlichen Urteils überprüft hat.

 

Normenkette

FGO § 120 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

FG Hamburg

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde in den Jahren 1976 und 1977 zur Einkommensteuer veranlagt. Da sie für das Streitjahr 1978 trotz besonderer Aufforderung keine Einkommensteuererklärung eingereicht hatte, führte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Einkommensteuerveranlagung für dieses Jahr im Schätzungswege durch.

Der gegen den Einkommensteuerbescheid eingelegte Einspruch, den die Klägerin nicht begründet hatte, blieb ohne Erfolg.

Nachdem die Klägerin Klage erhoben hatte, reichte sie die Einkommensteuererklärung 1978 ein und beantragte, die Einkommensteuer entsprechend der Erklärung herabzusetzen. Unter Hinweis darauf, daß das Einkommen der Klägerin nach den Angaben in der Einkommensteuererklärung weniger als 24 000 DM betragen habe und damit die Veranlagungsgrenze nicht erreicht sei, hob das FA daraufhin den Einkommensteuerbescheid 1978 auf und erklärte den Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt. Auf eine Anfrage des Berichterstatters des Finanzgerichts (FG), ob sie den Rechtsstreit ebenfalls für in der Hauptsache erledigt erkläre, teilte die Klägerin mit, die vom FA in seiner Klageerwiderung geäußerte Rechtsauffassung sei rechtsirrig.

Das FG wies die Klage als unzulässig ab. Zur Begründung führte es aus:Nach Aufhebung des angefochtenen Einkommensteuerbescheides sei die Klage unzulässig geworden, weil der Verwaltungsakt, durch den die Klägerin nach ihrem Vortrag in ihren Rechten verletzt gewesen sei, beseitigt worden sei. Die Klägerin habe nicht dargetan und es sei auch nach Aktenlage nicht ersichtlich, inwiefern sie durch den nicht mehr existierenden Einkommensteuerbescheid 1978 in ihren Rechten verletzt sein könnte (§ 40 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Eine Sachentscheidung sei aber nur möglich, wenn die Klägerin auch am Schluß der mündlichen Verhandlung durch den angefochtenen Verwaltungsakt noch beschwert sei. Der Senat sei entgegen der vom Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom 22. Januar 1976 IV R 169/71 (BFHE 118, 521, BStBl II 1976, 495) vertretenen Ansicht der Auffassung, daß die Klage als unzulässig abzuweisen sei mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO. Bleibe die Klägerin nach Erledigung der Hauptsache und damit nach Wegfall eines Rechtsschutzbedürfnisses bei ihrem Sachantrag, so müsse dieser beschieden werden.

Der Senat teile nicht die Bedenken des BFH im Hinblick auf eine angemessene Kostenentscheidung.

Mit der vom FG zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend:

Sie habe in den Jahren 1976 und 1977 Einkünfte aus nichtselbständiger und aus selbständiger Arbeit erzielt und sei deswegen zur Einkommensteuer veranlagt worden. Eine Veranlagung zur Einkommensteuer habe auch für 1979 und 1980 stattgefunden. Lediglich im Jahr 1978 habe sich ergeben, daß die Voraussetzungen für eine Veranlagung nach § 46 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht vorgelegen hätten, was aber erst nach Fertigstellung der Einkommensteuererklärung erkennbar gewesen sei. Bei sogenannten Wechselfällen (bisher Veranlagung zur Einkommensteuer, jetzt Lohnsteuer-Jahresausgleich) gewähre die Finanzverwaltung regelmäßig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn erst nach Fristablauf eine Steuererklärung abgegeben werde.

Weder in der Klageerwiderung des FA noch in der Erklärung über die Aufhebung des angefochtenen Einkommensteuerbescheides sei die vorgeschriebene Rechtsbehelfsbelehrung enthalten.

Die von ihr gestellten Anträge auf Fristverlängerung seien grundsätzlich als Anträge auf Veranlagung anzusehen. Hinzu komme, daß es für 1978 gemäß § 149 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977) an der gesetzlichen Grundlage gefehlt habe, die das FA zu einer Fristsetzung im Einzelfall befugt hätte.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die Einkommensteuerveranlagung 1978 aufgrund der Angaben in der Steuererklärung durchzuführen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig.

Nach § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO ist die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils einzulegen und spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen. Aus dem Erfordernis, die Revision zu ,,begründen", ergibt sich, daß der Revisionskläger darlegen muß, weshalb er dem angefochtenen Urteil nicht zustimmen kann. Dazu bedarf es wenigstens einer kurzen Auseinandersetzung mit den Gründen, auf denen die angefochtene Entscheidung beruht (z. B. BFH-Beschlüsse vom 25. Oktober 1973 V R 38/72, BFHE 110, 324, BStBl II 1974, 13, und vom 12. Januar 1977 I R 134/76, BFHE 121, 19, BStBl II 1977, 217). Die Revisionsbegründung muß aus sich heraus erkennen lassen, daß der Revisionskläger anhand der Gründe des finanzgerichtlichen Urteils sein bisheriges Vorbringen überprüft hat.

Der im Streitfall zur Begründung der Revision eingereichte Schriftsatz entspricht nicht den an eine Revisionsbegründung zu stellenden Anforderungen.

Das Urteil des FG befaßt sich ausschließlich mit der Verfahrensfrage, ob für die Klage noch ein Rechtsschutzinteresse bestand, nachdem zwar das FA, nicht aber auch die Klägerin den Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt erklärt hatten, und mit der damit zusammenhängenden Frage, ob die Klage mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 FGO als unzulässig abzuweisen oder ob die Erledigung der Hauptsache vom FG festzustellen und eine Kostenentscheidung nach § 138 FGO zu treffen war. Wegen dieser Frage hat das FG auch die Revision zugelassen, weil es der Auffassung war, mit seiner Entscheidung von dem Urteil in BFHE 118, 521, BStBl II 1976, 495 - das allerdings schon zum Zeitpunkt der Entscheidung des FG durch den Beschluß des Großen Senats des BFH vom 5. März 1979 GrS 4/78 (BFHE 127, 147, BStBl II 1979, 375) überholt war - abzuweichen. Mit den rechtlichen Erwägungen, auf denen die Entscheidung des FG beruht, setzt sich die Revisionsbegründung überhaupt nicht auseinander. Die Ausführungen zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei sogenannten Wechselfällen sowie zu der Frage, ob der Aufhebungsbescheid des FA eine Rechtsmittelbelehrung enthält und ob das FA zur Schätzung befugt war, lassen keine Auseinandersetzung mit den Gründen des finanzgerichtlichen Urteils erkennen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414266

BFH/NV 1986, 414

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