Entscheidungsstichwort (Thema)

Erledigung der Hauptsache; Anforderungen an Revisionsbegründung; Unzulässigkeit der Klage nach Abhilfebescheid

 

Leitsatz (NV)

1. Die Hauptsacheerledigung im Revisionsverfahren setzt die Zulässigkeit der Revision voraus (ständige Rechtsprechung).

2. Eine Revisionsbegründung ist ausreichend, wenn der Revisionskläger verschiedene Gründe vorträgt, die nach seiner Auffassung die Anwendung einer Rechtsnorm rechtfertigen, deren Eingreifen das FG allein aufgrund des Wortlauts verneint und deshalb die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat.

3. Entspricht das Finanzamt im Revisionsverfahren dem Begehren des Klägers und Revisionsklägers auf Gewährung erhöhter Absetzungen nach § 7 b EStG in vollem Umfang, macht aber der Kläger den Änderungsbescheid trotzdem nach § 68 FGO zum Gegenstand des Revisionsverfahrens, so ist die Revision unbegründet, weil die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig geworden ist. Denn mit dem Änderungsbescheid hat sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt. Das gilt auch dann, wenn das Finanzamt die Revision - zu Unrecht - für unzulässig gehalten und nur hilfsweise die Hauptsache für erledigt erklärt hat. Erklärt anschließend auch der Kläger die Hauptsache für erledigt, hat er die Kosten des Verfahrens zu tragen.

 

Normenkette

FGO §§ 68, 115 Abs. 2 Nr. 1, § 120 Abs. 2 S. 2, §§ 121, 123 S. 2, § 138; EStG 1977 § 7b Abs. 1 Nr. 4

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) und seine Ehefrau erwarben mit Kaufvertrag vom 16. Juni 1978 von den Schwiegereltern ein Einfamilienhaus für 140 000 DM. Mit notariellem Vertrag vom selben Tage verkauften der Kläger und seine Ehefrau ihre Miteigentumsanteile an einem Zweifamilienhaus an die Schwiegereltern für 60 000 DM. Der Kläger bezog das Einfamilienhaus mit seiner Familie zum 1. August 1978. In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1978 machte er für dieses Haus erhöhte Absetzungen nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend, ohne auf die Veräußerung der Miteigentumsanteile an dem Zweifamilienhaus hinzuweisen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) gewährte zunächst die erhöhten Absetzungen mit dem bestandskräftig gewordenen Einkommensteuerbescheid für 1978. Mit Änderungsbescheid vom 6. November 1979 machte das FA dies unter Berufung auf § 173 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) rückgängig. Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage als unbegründet ab.

Mit seiner vom FG gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zugelassenen Revision machte der Kläger geltend, er habe bereits im Rechtsbehelfsverfahren und im finanzgerichtlichen Verfahren dargelegt, daß die wechselseitigen Verträge nicht abgeschlossen worden seien, um erhöhte Absetzungen nach § 7 b EStG zu erhalten. Vielmehr seien wirtschaftliche und finanzielle Gründe dafür maßgebend gewesen. Damit dürfte auch die Gewährung der beantragten erhöhten Abschreibungen nach § 7 b EStG 1977 begründet sein.

Während des Revisionsverfahrens hat das FA den angefochtenen Bescheid entsprechend dem Begehren des Klägers geändert und mit Schriftsatz vom 29. August 1986 die Hauptsache vorsorglich für erledigt erklärt, jedoch im übrigen an seiner Rechtsauffassung, daß die Revision unzulässig sei, festgehalten. Hierauf hat der Kläger den Antrag nach § 68 FGO gestellt. Er war der Ansicht, seinem Klageantrag sei nicht voll entsprochen worden, da das FA an der Rechtsansicht festhalte, daß die erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG rechtlich nicht zu gewähren seien. Mit Schriftsatz vom 4. Mai 1987 hat der Kläger die Hauptsache für erledigt erklärt, da vom FA die Steuervergünstigung des § 7 b EStG für den gesamten Begünstigungszeitraum anerkannt worden sei. Dem hat sich das FA unter Bezugnahme auf seinen Schriftsatz vom 29. August 1986 angeschlossen.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat hat nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Denn es liegen übereinstimmende Erledigungserklärungen der Beteiligten vor. Diese beziehen sich auf den Änderungsbescheid vom 15. August 1986, den der Kläger zum Gegenstand des Revisionsverfahrens gemacht hat (§§ 121, 68, 123 Satz 2 FGO). Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) kann eine Hauptsacheerledigung nicht eintreten, wenn das Rechtsmittel unzulässig ist (vgl. die Beschlüsse vom 14. Juli 1971 I R 127, 154/70, BFHE 103, 36, BStBl II 1971, 805, und vom 12. Dezember 1984 I R 78/83, BFHE 143, 8, BStBl II 1985, 258).

Die Revision des Klägers war aber - entgegen der Ansicht des FA - zulässig.

Die Revisionsbegründung hat den gesetzlichen Anforderungen genügt. Nach § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO muß die Revisionsbegründung oder die Revision die verletzte Rechtsnorm bezeichnen. Dies bedeutet nach ständiger Rechtsprechung, der sich der erkennende Senat angeschlossen hat, daß sich der Revisionskläger zumindest kurz und unter Prüfung seines eigenen Standpunkts mit der Begründung des angefochtenen Urteils auseinandersetzen muß. Die wörtliche Wiederholung von Teilen der Klagebegründung oder bloße Bezugnahme auf vor Erlaß der angefochtenen Entscheidung eingereichte Schriftsätze reicht hierfür grundsätzlich nicht aus (Beschlüsse des BFH vom 25. Oktober 1973 V R 38/72, BFHE 110, 324, BStBl II 1974, 13; vom 6. Oktober 1982 I R 71/82, BFHE 136, 521, BStBl II 1983, 48, sowie z. B. Beschluß des erkennenden Senats vom 9. Juli 1985 IX R 69/82, BFH / NV 1985, 93).

Eine wörtliche Wiederholung früheren Vorbringens oder bloße Bezugnahme hierauf liegt hier jedoch nicht vor. Abgesehen davon, daß der Kläger zum Ausdruck gebracht hat, daß er § 7 b EStG durch das FG als verletzt ansieht, hat er nicht nur auf sein Vorbringen in der Klagebegründung hinsichtlich der Entstehungsgeschichte des § 7 b Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 EStG Bezug genommen, sondern auch wirtschaftliche und finanzielle Gründe für den Abschluß der beiden Grundstücksgeschäfte vorgebracht, die nach seiner Auffassung die Anwendung des § 7 b EStG rechtfertigen. Die darin liegende Wiederholung seines Klagevorbringens war jedenfalls deshalb als Revisionsbegründung ausreichend, weil es sich um den einzigen materiell-rechtlichen Streitpunkt des Verfahrens handelt, dessentwegen das FG die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat. Der Kläger hat damit deutlich gemacht, was gegenüber dem angefochtenen Urteil gerügt werden soll. Soweit das FA eine weitergehende Auseinandersetzung mit der Begründung des FG-Urteils vermißt, verkennt es, daß die Vorinstanz ihre Entscheidung allein auf den Wortlaut des § 7 b Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 EStG gestützt hat. Daß der Kläger demgegenüber für eine engere Auslegung der Vorschrift eintritt, ergab sich hinreichend aus seinem Vorbringen.

Durch die Hauptsacheerledigung ist die Vorentscheidung des FG wirkungslos geworden.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen (§ 138 Abs. 1 FGO). Denn seine Revision war im Ergebnis unbegründet.

Der vom Kläger zum Gegenstand des Revisionsverfahrens gemachte Änderungsbescheid verletzte diesen nicht in seinen Rechten, so daß nachträglich die für die Klage erforderliche Beschwer des Klägers entfallen war. Mit diesem Bescheid hat das FA nämlich dem Begehren des Klägers auf Gewährung der erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG unstreitig in vollem Umfang entsprochen. Soweit der Kläger ein Fortbestehen des Rechtsschutzbedürfnisses darauf hergeleitet hat, daß das FA an seiner abweichenden Rechtsauffassung festhalte, kann dem nicht gefolgt werden. Der Kläger irrt bereits, wenn er meint, das FA habe die Voraussetzungen des § 7 b EStG trotzdem für nicht gegeben gehalten. Denn das FA hat, wie die Bezugnahme auf seinen Schriftsatz vom 24. April 1986 ergibt, lediglich weiterhin die Ansicht vertreten, daß die Revision mangels hinreichender Begründung unzulässig sei. Der Rechtsstreit hat sich folglich bereits nach dem Erlaß des Änderungsbescheids durch das FA während des Revisionsverfahrens in der Hauptsache erledigt. Das FA hat, wie es möglich war hilfsweise, zutreffend die Hauptsache für erledigt erklärt. Die vom Kläger mit dem Sachantrag gegen den Änderungsbescheid aufrechterhaltene Klage wäre als unzulässig abzuweisen gewesen (vgl. BFH-Beschluß vom 5. März 1979 GrS 3/78, BFHE 127, 155, BStBl II 1979, 378).

 

Fundstellen

Haufe-Index 415349

BFH/NV 1988, 323

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