Aufgabe russischer Tochterunternehmen bzw. russischer Beteiligungen
International agierende Unternehmen geraten durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine in ein enormes moralisches Dilemma – einerseits wird die Forderung nach einem möglichst sofortigen Rückzug aller Aktivitäten aus Russland gefordert, andererseits müssen die daraus resultierenden Folgen für die dortigen Mitarbeiter und Kunden bedacht werden.
Auswirkungen von Sanktionen: Handlungsnotwendigkeit
In dieser hochproblematischen Gemengelage schafft die staatliche Regulierung in Form von Sanktionen jedoch zunehmend Fakten, an denen die betroffenen Unternehmen nicht mehr vorbeikommen. Dies führt ggf. dazu, dass die Verbindung zu dem russischen Tochterunternehmen bzw. einer russischen Beteiligung gekappt werden muss – notfalls indem die Anteile verschenkt werden müssen.
Für die Rechnungslegung ist zu unterscheiden, ob die Beteiligung bereits formal abgegeben wurde oder ob die Anteile ggf. aufgrund der ausstehenden formalen Umsetzung der Übertragung noch gehalten werden.
Verkauf eines Tochterunternehmens: Ausbuchung von Anteilen
Ist die Übertragung der Anteile auf andere Eigentümer, ggf. das bisherige Management, erfolgt, so ist eine Ausbuchung analog zu anderen Abgängen mit dem vereinbarten Verkaufspreis sowie einem erfolgswirksamen Ausgleich der Differenz von Buchwert und Veräußerungswert in der GuV vorzunehmen. Sollte der Verkaufspreis aus der Not heraus tatsächlich Null sein, da die Anteile verschenkt werden mussten, dann wäre der gesamte Betrag erfolgswirksam zu erfassen.
Strittig ist, wo ein derartiger Abgangsverlust erfasst werden muss. Die herrschende Meinung fordert einen Ausweis unter den sonstigen betrieblichen Aufwendungen (z.B. Wobbe in Haufe HGB Bilanz Kommentar, 12. Aufl., § 275 HGB, Rz. 173). Eine Mindermeinung hält aber durch den stärkeren Bezug zu dem Finanzergebnis auch eine Erfassung in diesem Bereich der GuV für sinnvoll (z.B. Kirsch/Ewelt-Knauer in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrechtkommentar, § 275 HGB, Rz. 225 Stand 12/2015), wobei die vorgegebenen Positionen eigentlich keinen Raum dafür lassen. Die Erträge aus Beteiligungen von verbundenen Unternehmen sind aufgrund des Saldierungsverbots stets in Bruttowerten darzustellen, weshalb dort keine Aufwendungen verrechnet werden dürfen. Um Zinsen und ähnliche Aufwendungen handelt es sich auch nicht, ebenso wenig um Abschreibungen aus Finanzanlagen, weshalb dann schon eine gesonderte Position dafür in die GuV aufgenommen werden müsste. Somit ergibt sich bei einem angenommenen Restbuchwert von 100.000 EUR für die Anteile folgender Buchungssatz, wenn die Anteile tatsächlich verschenkt werden mussten:
Konto SKR 03/04 Soll | Kontenbezeichnung | Betrag | Konto SKR 03/04 Haben | Kontenbezeichnung | Betrag |
2312/6897 | Sonstiger betrieblicher Aufwand, Anlagenabgänge Finanzanlagen (Restbuchwert bei Buchverlust) | 100.000 | 0500/0800 | Anteile an verbundenen Unternehmen | 100.000 |
Bezüglich des Zeitpunkts, zu dem die Buchung vorgenommen werden muss, ist auf den Übergang des Eigentums der Anteile aus dem Vertrag abzustellen.
Sollte ein Verkaufspreis, z.B. 20.000 EUR, vereinbart worden sein, so würde der Buchungssatz wie folgt aussehen:
Konto SKR 03/04 Soll | Kontenbezeichnung | Betrag | Konto SKR 03/04 Haben | Kontenbezeichnung | Betrag |
2312/6897 | Sonstiger betrieblicher Aufwand, Anlagenabgänge Finanzanlagen (Restbuchwert bei Buchverlust) | 80.000 | 0500/0800 | Anteile an verbundenen Unternehmen | 100.000 |
1200/1800 | Bank | 20.000 |
Bewertung und Ausweis von noch gehaltenen Anteilen als Wertpapiere
Liegt zum Stichtag der Bilanz noch keine Übertragung der Anteile vor, so besteht nach dem HGB keine Möglichkeit, auf den Ausweis Einfluss zu nehmen. Auch bei einem beabsichtigten Verkauf bleibt der Ausweis zwingend im Anlagevermögen. Besteht jedoch keine Beteiligungsabsicht mehr, was in den Fällen eines beabsichtigten Verkaufs stets anzunehmen ist, so hat eine Umbuchung zur Position Wertpapiere des Anlagevermögens zu erfolgen.
Konto SKR 03/04 Soll | Kontenbezeichnung | Betrag | Konto SKR 03/04 Haben | Kontenbezeichnung | Betrag |
0525/0900 | Wertpapiere des Anlagevermögens | 100.000 | 0500/0800 | Anteile an verbundenen Unternehmen | 100.000 |
In der aktuell bestehenden Konstellation ist jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit eine Abschreibung der Bilanzposition vorzunehmen. Dabei ist nach dem Fachlichen Hinweis des IDW zu den Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf die Rechnungslegung und deren Prüfung ( 2. Update, April 2022, S. 16) bei der Bewertung der Anteile der objektivierte Unternehmenswert zugrunde zu legen. Falls ein verbindliches Angebot für den Erwerb solcher Unternehmensanteile vorliegt, ist auf dieses anstelle des objektivierten Unternehmenswerts abzustellen (Vgl. IDW RS HFA 10, Tz. 11 ff.). Bei Veräußerungsabsicht dient ein etwaig vorhandener Börsenkurs für die Bewertung solcher Unternehmensanteile somit lediglich der Plausibilisierung. Lediglich wenn solche Unternehmensanteile über die Börse veräußert werden sollen, ist der Börsenkurs (für diese Anteile) unmittelbar maßgeblich.
Nach § 253 Abs. 3 HGB besteht eine Pflicht zur Abschreibung im Anlagevermögen allerdings nur bei einer dauerhaften Wertminderung – für das Finanzanlagevermögen besteht ein Wahlrecht, auch vorübergehende Wertminderungen zu berücksichtigen. Hinsichtlich der Frage, wann die Wertminderung als voraussichtlich dauernd anzusehen ist, stellt das IDW fest (Fachlicher Hinweis vom April 2022 mit weiteren Nachweisen, S. 16):
Wird der beizulegende Wert von Finanzanlagen über ein Zukunftserfolgswertverfahren ermittelt und resultiert daraus ein Wert, der unterhalb des bisherigen Buchwerts der Beteiligung bzw. der Anteile liegt, ist regelmäßig – d.h. bei Fehlen substantiierter Anhaltspunkte für das Gegenteil – davon auszugehen, dass die Wertminderung voraussichtlich dauernd ist und demzufolge eine Abschreibung notwendig ist.
In Fortführung des Beispiels soll angenommen werden, dass der beizulegende Wert nur noch mit 20.000 EUR angenommen werden kann, was dann folgende Buchung auslösen muss:
Konto SKR 03/04 Soll | Kontenbezeichnung | Betrag | Konto SKR 03/04 Haben | Kontenbezeichnung | Betrag |
4866/7200 | Abschreibungen auf Finanzanlagen | 80.000 | 0525/0900 | Wertpapiere des Anlagevermögens | 80.000 |
Übertragung der Anteile: Behandlung im Konzernabschluss
Im Konzernabschluss wäre die Übertragung der Anteile auf einen anderen Eigentümer als erfolgswirksame Entkonsolidierung zu behandeln, da das Tochterunternehmen aus dem Konsolidierungskreis ausgeschieden ist.
Sollten die Anteile weiter vom Mutterunternehmen oder einem Tochterunternehmen gehalten werden, so käme durch die Sanktionsmaßnahmen ein Einbeziehungswahlrecht nach § 296 Abs. 1 HGB in Betracht. Demnach braucht ein Tochterunternehmen nicht im Wege der Vollkonsolidierung in den Konzernabschluss des Mutterunternehmens einbezogen zu werden, wenn erhebliche und andauernde Beschränkungen die Ausübung der (formalrechtlich ggf. fortbestehenden) Rechte des Mutterunternehmens in Bezug auf das Vermögen oder die Geschäftsführung des Tochterunternehmens nachhaltig beeinträchtigen (DRS 19.82), insb. Beschränkungen infolge (ggf. drohender) staatlicher Zwangsmaßnahmen (DRS 19.85 Buchst. d).
Zudem könnten auch in diesen Konstellationen Probleme der Datenbeschaffung geltend gemacht werden, die das Konsolidierungswahlrecht nach § 296 Abs. 1 Nr. 2 HGB anwendbar macht. Auch § 296 Abs. 1 Nr. 3 HGB wäre denkbar, wenn ein Weiterverkauf der Anteile konkret erwartet wird.
Beim Übergang von der Vollkonsolidierung zur Equity-Bewertung oder zur Bewertung der Beteiligung mit ihren (fortgeführten) Anschaffungskosten ist eine Abwärtskonsolidierung nach Maßgabe von DRS 23.187-190 vorzunehmen. Diese Übergangskonsolidierung selbst ist erfolgsneutral, doch dürfte sich aus dem sich anschließenden Niederstwerttest das Erfordernis zur außerplanmäßigen Abschreibung der Beteiligung ergeben.
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