Unternehmensbewertung aus Sicht des Verkäufers

Für Unternehmer, die ihren Betrieb in der derzeitigen Situation verkaufen möchten, stellt sich die Frage, ob und mit welchen Folgen sie für die Berechnung des Kaufpreises kalkulieren müssen. Konkret: Lässt sich der geplante oder gewünschte Kaufpreis im Kontext des Ukraine-Krieges noch realisieren?

Bei den Auswirkungen des Krieges müssen nicht nur die direkten möglichen Folgen, sondern auch mittelbare Auswirkungen betrachtet werden. Direkte Folgen können z. B. sinkende künftige Umsätze sein, weil Kunden verloren gehen oder Aufträge storniert werden. Mittelbare Konsequenzen können sich u. a. durch noch nicht absehbare Kostensteigerungen, etwa durch Material- oder Energiepreise, ergeben.

Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) hat in seinem fachlichen Hinweis v. 20.3.2022 auf die möglichen Folgen bei der Unternehmensbewertung durch die aktuellen Krisen, vor allem durch den Ukraine-Krieg hingewiesen. Demnach ist noch nicht absehbar, welche vor allem negativen Auswirkungen sich mittel- und langfristig für Wirtschaft, Gesellschaft und Unternehmen ergeben und wie lange die schwierige Situation anhalten wird.

Potenzielle Unternehmensverkäufer müssen sich daher bei der Kaufpreisberechnung auf weitere erhebliche Unsicherheiten einstellen. Denn die Feststellung des Unternehmenswertes erfolgt in den meisten Fällen auf Basis zukünftiger Gewinne oder finanzieller Überschüsse. Hier muss aus Sicht der Verkäufer geprüft werden, ob die bisher zugrunde gelegten Zahlen weiter realistisch sind oder ob und in welchem Umfang sie sich verschlechtern. Zum anderen stellt sich die Frage, ob und inwieweit mögliche Käufer eine höhere Risikoprämie verlangen, wenn sie sich bereit erklären, ein Unternehmen im aktuellen Umfeld zu kaufen. Zusätzlich wird die Lage für mögliche Verkäufer allgemein dadurch erschwert, dass es seit längerem ein Überangebot an zu veräußernden Unternehmen gibt, was mögliche Verkaufspreise, unabhängig von den zuvor genannten Risiken, drücken kann.

Stichtagsprinzip beachten

Unternehmenswerte werden i. d. R. zu einem bestimmten Bewertungsstichtag ermittelt. Bis zum Stichtag 23.2.2022 scheidet eine Berücksichtigung der Auswirkungen des Ukraine-Krieges aus. Es muss aber im Bewertungsgutachten darauf hingewiesen werden, dass eine Berechnung der Kriegsfolgen noch nicht enthalten ist.

Für Bewertungsstichtage nach dem 23.2.2022 gilt, dass die Auswirkungen des Ukraine-Krieges zum jeweiligen Stichtag unter Berücksichtigung der Lage des entsprechenden Unternehmens zu beurteilen sind, z. B. Geschäftsmodell, Branche, Veränderungen der Auftragslage oder bereits eingetretene bzw. absehbare Folgen des Krieges.

Das Kernproblem wird in vielen Fällen sein, halbwegs verlässliche Aussagen zu möglichen künftigen Entwicklungen zu treffen, da heute niemand sagen kann, wie lange der Krieg noch dauern wird und welche noch nicht bekannten negativen Folgen möglicherweise noch auftreten werden. Umgekehrt ist auch eine – wenn auch aus heutiger Sicht eher unwahrscheinliche – schnelle Normalisierung denkbar, wie es sie in vielen Branchen und Unternehmen auch in der Corona-Zeit gegeben hat.

Abzinsung künftiger Erträge auf den Bewertungs- bzw. Verkaufszeitpunkt

Bei Bewertungsverfahren, die sich mit künftigen Erträgen befassen, z. B. dem Ertragswertverfahren, werden künftige Erträge auf den Zeitpunkt der Bewertung oder des Verkaufs abgezinst. Dabei spielt die Marktrisikoprämie eine wichtige Rolle. Vereinfacht ausgedrückt werden die erwarteten künftigen Erträge mit dieser Prämie auf den gewählten Zeitpunkt abgezinst. Der abgezinste Betrag entspricht dem möglichen bzw. zu verhandelnden Verkaufspreis. Ein Schlüssel für die Abzinsung ist der Kapitalisierungszinssatz, der je nach Branche schwankt. Je unsicherer die künftige Entwicklung, desto höher ist der Zinssatz und umgekehrt. Und je höher der Zinssatz, desto niedriger ist der abgezinste Unternehmenswert.

Das IDW geht in seinem aktuellen fachlichen Hinweis weiter von Kapitalisierungszinssätzen von 7 - 9 % und Marktrisikoprämien von 6 - 8 %, jeweils nach Unternehmenssteuern und vor persönlichen Steuern, aus. Die Werte liegen damit weiter im oberen Bereich der Bandbreite historischer Marktrisikoprämien. Die Berechnung der Marktrisikoprämie sollte nach Ansicht des IDW beibehalten und die erhöhte Unsicherheit, u. a. aufgrund des Ukraine-Krieges, in der Planung der künftigen Erträge berücksichtigt werden. Hierdurch ergeben sich automatisch niedrigere Gewinne, die dann mit den derzeit marktüblichen Prämien abgezinst werden.

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