Elektronische Kassenführung und Schätzungsbefugnis der Finanzverwaltung
Praxis-Beispiel: Erfassung von Bareinnahmen mit eigens programmierter Software
Der Inhaber eines Friseursalons erfasste seine Bareinnahmen über eine PC-Kassensoftware, die auf die speziellen Bedürfnisse des Friseurhandwerks zugeschnitten war. Trinkgelder konnten die Kunden jeweils in eigene Sparschweine sowohl des Inhabers als auch der Arbeitnehmer einwerfen. Die Trinkgelder, die der Inhaber erhielt, sind nicht als Einnahmen erfasst worden.
Der Betriebsprüfer nahm dies zum Anlass, die Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung zu verneinen. Außerdem beanstandete der Betriebsprüfer, dass die zur Kasse gehörenden Organisationsunterlagen nicht in Schriftform vorgelegt werden konnten. Dass die steuerlich erforderlichen Dokumentationen in elektronischer Form vorhanden waren, reichte dem Betriebsprüfer nicht aus. Neben den Trinkgeldern schätze er deshalb Beträge hinzu, die nach der Art und Weise des Betriebs nicht hätten erzielt werden können. Der Inhaber des Friseurbetriebs machte geltend, dass es sich um eine grundsätzliche Frage handle, wie ein weitestgehend frei programmierbares PC-Kassensystem zu beurteilen sei. Dem stimmte der BFH in seinem Beschluss (Beschluss v. 23.2.2018, X B 65/17) zu.
Reine Möglichkeit zur Manipulation ist kein Anhaltspunkt für Manipulation
Allein die Tatsache, dass zwei Sachverständige festgestellt haben, dass jedes PC-Kassensystem manipulierbar ist, reicht nicht aus, um von einer tatsächlichen Manipulation ausgehen zu können. Im vorliegenden Fall ergaben sich nach Aussage der Sachverständigen keine Anhaltspunkte für eine Manipulation. Sie führten aus, dass schon die Manipulation für einen kurzen Zeitraum von einer Woche die Arbeitskraft eines IT-Spezialisten für ein ganzes Wochenende binden würden. Vor diesem Hintergrund ist es eher unwahrscheinlich, dass tatsächlich manipuliert worden ist.
Aus dem Fehlen von Programmierungsprotokollen ergibt sich keine Befugnis zur Schätzung
Eine Schätzungsbefugnis kann auch nicht daraus abgeleitet werden, dass der Unternehmer die erforderlichen Programmierungsprotokolle nicht vorgelegt habe. Die steuerlich erforderlichen Dokumentationen – in elektronischer Form – waren vorhanden, wurden aber nicht genutzt. Damit fällt die wesentliche Grundlage für eine Schätzungsbefugnis weg.
Bei nicht aufbewahrten Gutscheinen muss geprüft werden, ob diese relevante Auswirkungen haben
Ob Gutscheine, die nicht aufbewahrt wurden, eine Auswirkung auf die Kassenführung haben, muss nachgewiesen und darf nicht unterstellt werden. Außerdem muss berücksichtigt werden, ob sich im Verhältnis zum Gesamtumsatz durch das Nichtaufbewahren überhaupt eine nennenswerte Auswirkung ergeben kann.
Aus der Nichterfassung der Trinkgelder darf keine Schätzungsbefugnis abgeleitet werden
Bei der Nichterfassung der Trinkgelder, die für den Unternehmer in ein Sparschwein eingeworfen wurden, handelt es sich zwar um einen materiellen Mangel, der aber nur punktuell auf die Trinkgelder begrenzt ist. Allein hieraus kann keine Schätzungsbefugnis des Finanzamts für die Hauptkasse abgeleitet werden.
Eine Geldverkehrsrechnung, bei der die unstreitig vorhandenen Trinkgelder nicht erfasst wurden, die Anfangs- und Endbestände nicht ausgewiesen wurden und die Höhe der angesetzten Lebenshaltungskosten nicht begründet wurde, kann nicht zu einer Schätzung der Einnahmen herangezogen werden. Nur wenn sich aus einer ordnungsgemäßen Bargeldverkehrsrechnungen Fehlbeträge ergeben sollten, kann in Erwägung gezogen werden, ob auf dieser Basis eine Schätzung möglich ist.
Praxis-Tipp: Erforderliche Unterlagen der Kassenprogrammierung können ersatzweise vorgelegt werden
Beim Fehlen der erforderlichen Unterlagen zur Dokumentation der Kassenprogrammierung reicht es zwar nicht aus, wenn der Unternehmer lediglich die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt. Er hat aber die Möglichkeit, den Zustand der Programmierung des von ihm verwendeten Kassensystems anhand geeigneter (Ersatz-)Unterlagen darzulegen.
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