Was können Unternehmen vom Profifußball lernen?

In welchem Verhältnis stehen Sport und Profit im Profifußball? Fernando Carro, Geschäftsführer der Bayer 04 Leverkusen Fußball GmbH, erklärt, welchen Herausforderungen sich der Profifußball aktuell stellen muss und was privatwirtschaftliche Unternehmen vom Fußballgeschäft lernen können.

Transformation der Fußballindustrie

Die Super League ist vorerst vom Tisch. Als die europäische Fußballelite, angeführt von Real-Madrid-Präsident Florentino Pérez, Mitte April überraschend die Gründung eines eigenen, exklusiven Ligabetriebs forcierte, in der sich fortan zwölf Spitzenklubs aus Spanien, England und Italien regelmäßig messen sollten, war der Aufschrei unter den Anhängern groß. Auch Verbände, Funktionäre und bedeutende Politiker vertraten die Meinung der Fans. Den Teilnehmern blieb nicht viel anderes übrig, als reumütig den Rückzug aus dem gemeinsamen Projekt bekannt zu geben. Was blieb, war mediale Häme für den gescheiterten Vorstoß, zugleich aber auch die Erkenntnis, dass der Profisport vor massiven Veränderungen steht. Wenn einzig und allein stetig steigende Spielerlöhne aus Vereinssicht zu solch kontroversen Maßnahmen zwingen, sei dies ein falscher Weg, sagt Fernando Carro, Vorsitzender der Geschäftsführung der Bayer 04 Leverkusen Fußball GmbH und ehemaliger Manager von Bertelsmann.

Ich finde es grundsätzlich gut, wenn sich Vereine mit der Möglichkeit befassen, ihre Ressourcen zu maximieren. Dies muss aber offen, transparent und mit einer gewissen Kompromissbereitschaft in der Diskussion geschehen", fordert Carro.

Aller Kommerzialisierung zum Trotz sei der faire, sportliche Wettbewerb etwas, dass unter allen Umständen geschützt werden sollte.

Vereine als Unternehmen begreifen

Wie so etwas funktionieren kann, skizziert Carro entlang einiger ausgewählter Punkte.

  • Seiner Ansicht nach sollten sich Klubs aufgefordert fühlen, sich nicht mehr nur als Vereine, sondern auch als Unternehmen zu begreifen. Hunderte und mehr Mitarbeiter verlangen es, professionelle Strukturen und Prozesse zu etablieren. Hierzu gehört, nicht nur den kurzfristigen Erfolg zu maximieren, sondern ebenso langfristige Strategien und Ziele zu definieren. Das dies nicht immer leicht miteinander in Einklang zu bringen ist, liegt auf der Hand.
  • Wichtig ist, sich frühzeitig Gedanken über die Zukunft zu machen. Hierzu zählt insbesondere die Nachwuchsausbildung, bei der verantwortungsvolles und nachhaltiges Handeln an erster Stelle steht.
  • Darüber hinaus glaubt Carro an die wachsende Bedeutung von Digitalisierung und Internationalisierung. Während unter anderem Analyse- und Kommunikationstools den sportlichen Alltag bereichern, erhöht die weltweite Expansion mit der globalen Positionierung der Marke deren Strahlkraft und letztlich auch deren Wert.

Kurzfristige Erfolgsorientierung kann langfristige Strategieumsetzung erschweren

Carro zufolge existieren einige bedeutende Unterschiede zwischen Privatwirtschaft und dem Profifußball. Im Fußball sollte keine bloße Profit-, sondern die sportliche Ergebnismaximierung im Vordergrund stehen. Ressourcen können erwirtschaftet werden, um dieses Ziel zu erreichen, sollten aber nicht dem reinen Selbstzweck dienen. Letztlich ist der Einfluss der Entscheidungsträger jedoch auch nur ein indirekter, da die für den Erfolg unabdingbaren Tore bekanntermaßen nicht durch das Geld allein geschossen werden.  

Der im Fußball typische Fokus auf die kurzfristigen Erfolge behindert eine langfristige ausgerichtete Strategie. Im Wochentakt ausgetragener Wettbewerb erfordert es, stetig an der eigenen Erwartungshaltung oder den Vorstellungen anderer gemessen zu werden. Dies sorgt für eine gesteigerte Komplexität in der Kommunikation nach außen. Mögen die Meinungen intern zwar auseinandergehen, nicht zuletzt da vermeintliche Rangordnungen schwierig zu durchblicken sind, bedarf es extern einer klaren Devise. Flache Hierarchien als Organisationsstruktur, einer der wohl populärsten Managementtrends der letzten Jahre, stehen dem tendenziell entgegen. "Meine Auffassung ist hier eher klassisch, und auch gar nicht alleine auf den Fußball bezogen: Es sollte eine Person geben, die Chef ist", meint Carro.

Emotionen sollten auch in Unternehmen höher bewertet werden

Trotz – oder gerade wegen – der Vielzahl an Unterschieden kann jedoch auch die Privatwirtschaft einiges vom Profifußball lernen. Unternehmen sollten verstärkt wirtschaftliche Anreize für ihre Mitarbeiter setzen. Ähnlich wie im Fußball, wo herausragende Leistungen mit entsprechend hoch dotierten Verträgen oder Bonuszahlungen honoriert werden, müsste auch in privaten Firmen der Anteil variabler Vergütung erhöht werden.

Allem voran plädiert Carro aber für die Kultivierung von Emotionen, die einen integralen Bestandteil des Sports darstellen. Seine Leidenschaft war es, die ihn vor knapp drei Jahren zu dem Wechsel in die Vereinsspitze von Bayer 04 Leverkusen bewegte. Zuvor war er für den Medienkonzern Bertelsmann in verschiedenen Funktionen tätig, zuletzt als Geschäftsführer der Arvato AG. Ein ähnliches Potenzial für Begeisterungen sollte auch die Arbeit in privatwirtschaftlichen Unternehmen bieten, was sich in täglicher Hingabe für den Beruf äußert.

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