Nils Petersen über seine Lernreise als Fußballspieler

Niederlagen und Erfolge, Druck, Teamarbeit und Fan­­gesänge. All das steckt im Profisport. Nils Petersen, Rekord-Joker des SC Freiburg, spricht offen über die Privi­legien eines Profifußballers, aber auch über die Kehr­seite: Selbst­zweifel, Tief­punkte und den Umgang damit.

Jubelnde Fanmassen, exorbitante Gehälter – das ist definitiv eine Seite des Profifußballs. "Wir haben viele Privilegien und einen hohen Lebensstandard", gibt Nils Petersen, Ex-Stürmer beim Sportclub Freiburg, völlig offen zu. Was aber viele nicht sehen: "Wir zahlen auch einen Preis dafür. Wir ordnen wirklich alles dem Erfolg unter." Privatzeit sei limitiert, der Leistungsdruck jeden Tag präsent, so Petersen. Denn der Platz in der Mannschaft ist nicht stabil und die Zeit als aktiver Fußballer zudem eine begrenzte. "Mir war immer klar: Wenn ich sport­lich nicht mehr meinen eigenen Ansprüchen genüge, will ich aufhören." Und so gab der Profi mit 34 Jahren selbstreflektiert sein Karriereende bekannt.

"Ich habe nie gezielt nach dem Höchs­ten gestrebt"

Die Passion zum Fußball wurde Nils Petersen in die Wiege gelegt. "Ich bin neben dem Fußballplatz groß geworden", erzählt er. Sein Vater war Fußballtrainer, die vier Jahre ältere Schwester auch Fuß­ballerin. Mit 15 Jah­ren wechselte Petersen dann auf das Sportinternat nach Jena, wo er sein Abitur machte. "Es war die schönste Zeit in meinem Leben", platzt es aus dem 34-Jähri­gen heraus. "Ich hatte nur Gleichgesinnte um mich, alle Sport­arten waren vertreten, die Wege zum Sportplatz waren kurz." Das Ziel Bundesliga hatte sich Petersen trotz guter För­derung aber nicht gesetzt. "Ich habe nie gezielt nach dem Höchs­ten gestrebt. Ich bin aber dankbar, dass es geklappt hat."

Geduld beschreibt Nils Petersen als einen der Schlüssel seiner Profikarriere. "Ich bin auch oft durch ein Tal gegangen, habe nicht gespielt oder saß auf der Bank. Aber ich hatte Geduld." Er sei kein Typ mit spitzen Ellbogen gewesen. Das habe sich auch nie verändert. "Ich bin nie zum Lautsprecher geworden." Erfolge aber erlebte er als Belohnung, als Beweis dafür, dass sich Geduld auszahlt. Seinen Durchbruch sieht der Fußballer selbst in seinem zweiten Jahr bei Energie Cottbus in der Bundesliga.

"Das Gefühl, selbst über meine Zukunft zu bestimmen, war wie eine innere Befreiung und eine zentrale Lernerfahrung für mich." – Nils Peter­sen

Der Wechsel zum Sportclub Freiburg war für Nils Peter­sen ein wichtiger Meilenstein. Er entschied be­wusst und mit Einverständnis des Ex-Vereins in Bremen, fest in den Breisgau zu wechseln. "Das Gefühl, selbst über meine Zukunft zu bestimmen, war wie eine innere Befreiung und eine zentrale Lernerfahrung für mich." Der direkte Aufstieg mit Freiburg ein Jahr nach dem Ab­stieg gehört bis heute – neben den Olympischen Spielen und den Erfahrungen mit der Nationalmannschaft – zu den Höhepunkten seiner Karriere. Auch und vor allem als Team. 

Die Rolle des Jokers schätzen lernen

Petersen gilt als der beste Joker der Liga. Keine einfache Aufgabe, diesen Druck in den letzten Spielminuten auszuhalten. Doch die Fans haben ihn dafür gefeiert. Und wertgeschätzt, dass er das Team unterstützt hat, selbst wenn er keinen Platz in der Startelf bekam. Auch für Petersen selbst war es ein Prozess, die Rolle des Jokers anzunehmen. "Natürlich spielt man am liebsten von Beginn an. Aber mir wurde klar, wie wichtig alle Teile des Teams sind. Ich habe die Rolle angenommen und dadurch einen guten Umgang damit entwickelt", erklärt Petersen. 

An den Höhepunkten seiner Karriere wie 2018, als Petersen im vorläufigen WM-Kader der Nationalmannschaft stand, erlebte der Stürmer auch seine größten Tiefpunkte. "Ich hatte alles, was ich wollte. Gleichzeitig fühlte ich mich mental ausgelaugt. Darum habe ich eine Therapie gemacht", so Petersen. "Mein Fußballerleben war immer von Zweifeln geprägt. Ich habe mir im Leistungs­sport negative Emotionen oft nicht erlaubt, mir Druck gemacht. Offen damit umzugehen, hat viel verändert." Erfahrung und Gespräche waren der Weg dahin.

Leben ohne Karrieredruck noch ungewohnt

Im Mai 2023 absolvierte Petersen sein letztes Spiel für den SC Freiburg. Der Abschied, die Fangesänge waren für ihn bewegend. "Diese Wertschätzung war das Schönste. Da wusste ich: Meine Arbeit hat sich gelohnt", verrät der Fußballer. Auch in Zukunft will er als Zuschauer bei jedem Spiel sein. "Das Team, die gemeinsame Routine, das vermisse ich am meisten." Das Leben ohne Karrieredruck ist noch ungewohnt für ihn. "Ich habe 20 Jahre Druck erlebt, das ist noch in mir drin." Über seinen Werdegang hat Nils Petersen auch das Buch "Bank-Geheimnis" geschrieben. Dem Sportclub bleibt der Sympathieträger erhalten, er wird dort ein Ausbildungsprogramm absolvieren.

Dieser Beitrag ist erschienen in neues lernen, Ausgabe 5/2023, das Fachmagazin für Personalentwicklung. Lesen Sie das gesamte Heft auch in der App personalmagazin - neues lernen.


Das könnte Sie auch interessieren:

Kolumne: Die Disziplinlüge

"Solange ich entscheide, habe ich die Macht über die Situation" – Interview mit Kati Wilhelm

Gender Pay Gap im Fußball: Was ein WM-Titel wert ist

Schlagworte zum Thema:  Personalentwicklung, Teamarbeit