Digitale Geschäftsmodelle erfordern auch eine digitale Weiterentwicklung der Prozesse und Systeme zur Unternehmenssteuerung . Wie „digital solutions“ künftig die Qualität und die Effizienz im Controlling steigern können, zeigten Stefan Tobias und Dr. Johannes Isensee in Form eines Zukunftsbildes. 

„Steering Business Digitally“ – 10 Thesen für eine digitale Unternehmenssteuerung

Welches Unternehmen ist derzeit nicht in der Bewertung der eigenen Konsequenzen für Strategie, Geschäftsmodelle und Unternehmensprozesse oder bereits schon in der Umsetzung konkreter Maßnahmen? Der Aufbruch zum digitalen Unternehmen hat – wie z. B. bei Bayer – vielerorts begonnen:

Die Entwicklungen im Business rücken das Thema „Digitalisierung“ auch auf die Agenda der CFOs, so Stefan Tobias (Partner bei Horváth & Partners und verantwortlich für die Initiative „Steering Business Digitally“). Damit müssen eigentlich alle Prozesse und Systeme im Finanzbereich auf den Prüfstand; denn Daten und der intelligente Umfang damit seien künftig das Kapital im digitalen Wettbewerb. Gelingt es, diese möglichst granular und funktionsübergreifend bereitzustellen und auszuwerten, erschließen sich daraus auch für das Controlling vielversprechende neue Lösungen für eine erfolgreichere Steuerung.

Bei Horváth & Partners hat man sich daher sehr früh mit den Herausforderungen einer digitalen Steuerung auseinandergesetzt. Heute fassen zehn Thesen die Erwartungen der Experten für Digital Finance & Controlling zusammen. Wichtig hierbei, so Stefan Tobias: die drei Cluster „Inhalte und Prozesse“, „Technologie“ sowie „Organisation“ dürfen nicht isoliert betrachtet werden; denn sie bedingen sich gegenseitig (s. Abb. 1 in der Bilderserie). Erforderlich ist ein ganzheitliches Konzept gepaart mit einem pragmatischen Umsetzungsplan: Nur so können schnelle Erfolge und Impulse für die weitere Entwicklung erzielt werden. 

„Steering Labs“ zur kreativen Entwicklung und Umsetzung digitaler Use Cases

Neben digitalen Vorreiter-Unternehmen wie Zalando, die seit ihrer Gründung auf einem digitalen Geschäftsmodell basieren, haben nun auch erste Unternehmen der „old economy“ begonnen, konkrete digitale Lösungen im Controlling aufzubauen. Dies mündet den Horváth-Beratern zu Folge im Aufbau eigener Teams und Strukturen in Form sogenannter „Digital Steering Labs“. In diesen Labs können Fachbereiche ungezwungen und kreativ an digitalen „Use Cases“, wie bspw. automatischen Prognosemodellen, arbeiten, die später quasi mit Serienreife „analoge“ Prozesse ersetzen bzw. ergänzen können („Digital Factory“). Unterstützt werden die Fachbereiche von “Data Scientists“, die über entsprechende Methodenkenntnisse zur Modellierung und Analyse großer Datenmengen verfügen (s. Abb. 2 in der Bilderserie).

Reporting 4.0 – digital und agil

Im zweiten Teil des gemeinsamen Vortrags ging Dr. Johannes Isensee, bei Horváth & Partners Experte für Management Reporting und KPI-Steuerung, auf zukünftige Anforderungen für die Entwicklung eines „digitalen Reportings“ ein. Danach ist und bleibt das Reporting eine wichtige Schnittstelle zwischen Management und Controlling, doch Art und Umfang des Reportings, so Isensee, werden sich schon in naher Zukunft deutlich verändern. Während Berichte heute oft noch einen eher dokumentierenden Charakter haben, werde sich das künftige Reporting zu einem zentralen Steuerungsportal entwickeln, welches sowohl Controlling als auch Management auf Basis umfangreicher Datentöpfe gänzlich neue Möglichkeiten bietet (s. Abb. 3 in der Bilderserie).  

Berichte und tägliches Entscheiden wachsen über agile KPI-Modelle zusammen

Eine zentrale Herausforderung dabei ist, dass „Bericht“ und „Entscheidung“ künftig näher zusammenwachsen – sich besser unterstützen müssen. Das Berichtswesen, wie wir es heute noch kennen, muss hierfür um detaillierte Informationen aus operativen Prozessen und Abläufen sinnvoll ergänzt werden: Immer kürzere Steuerungszyklen erfordern, zentrale Informationen in Echtzeit.

Um Abweichungen bzw. Entwicklungen in diesen komplexen Strukturen dennoch schnell zu erkennen, sei eine Abkehr von den heute starren, deterministischen KPI-Modellen und Berichten erforderlich. Moderne Systeme sind künftig in der Lage, Auffälligkeiten und Zusammenhänge selbst zu erkennen und kontext- bzw. situationsspezifisch KPIs zu erkennen und entsprechende Berichte zu erzeugen. Diese dann statistisch ermittelten KPI-Modelle können gleichzeitig auch für „Digital Forecasts“ (jederzeit für einzelne KPIs automatisch über Big Data ermittelte Hochrechnungen) genutzt werden und damit den Zukunftsgehalt im Reporting steigern; ohne hierfür weiter auf manuelle Prognosen angewiesen zu sein (s. Abb. 4 in der Bilderserie). Anhand eines Beispiels zeigte Dr. Isensee, wie bspw. die Personalkosten bei einem Automobilhersteller in der Fertigung durch Big Data automatisch prognostiziert werden können.

Inhaltlich breiter und tiefer – direkter Durchgriff in die operative Datenwelt

Mit den neuen Datenmengen und den skizzierten Steuerungsanforderungen wird das Reporting der Zukunft inhaltlich breiter aufgestellt sein, indem stärker als bisher auch finanzielle operative Daten gemeinsam mit Finanz- und bspw. Kundendaten berichtet werden können. Gleichzeitig, und dies zeigte erneut das Beispiel des Bayer-Konzerns, wird aber auch die Datentiefe deutlich höher sein und einen direkten Durchgriff auf die Belegebene ermöglichen. Entsprechend ist die ERP und Data Warehouse-Landschaft zu gestalten, um detaillierte Drill-downs aus Management Cockpits zu ermöglichen.

Reports als Portal für Simulation, Maßnahmencontrolling und Zusammenarbeit

Neben allen inhaltlichen Entwicklungen müssen sich mit der Art der Nutzung der Berichte die BI-Tools wandeln. Berichte werden in Zukunft anders aufgerufen, gelesen und zur Entscheidungsfindung eingesetzt. Während Standardreporting, Analyse & Simulation sowie Forecasting heute prozessual und systemisch meist noch isoliert sind, werden diese in BI-Tools künftig deutlich stärker integriert ablaufen. Das Reporting der Zukunft sollte sich hier mindestens durch drei Faktoren auszeichnen:

  1. Möglichkeit zur Simulation und Prognose: Berichte zeigen Ist und Erwartete Prognosen auf und bieten dem Nutzer direkte Simulationsmöglichkeiten, auf Basis der im System verfügbaren transaktionalen Daten. Simulationen und Szenarien können im System nutzerindividuell gespeichert und genutzt werden.
  2. Maßnahmenreporting und -tracking: Um definierte Szenarien zu erreichen sind Maßnahmen in der Organisation erforderlich, diese sollten nicht nur bei der Simulation konkret abgebildet werden, sondern auch im Reporting im Sinne einer Fortschritts- und Ergebniskontrolle auswertbar sein.
  3. Unterstützung von Workflows und Zusammenarbeit: Reporting-Tools müssen Entscheidungen in global verteilten Strukturen künftig besser unterstützen. Das heißt Ergebnisse individueller Analysen und Berichte müssen in flexiblen Workflows gemeinsam nutzbar sein und damit datengetriebene Kollaboration unterstützen.

„Data Scientist wanted“ – Erweiterung des Rollenmodells im Controlling

Das Digitale Reporting führt damit nach der Trennung von klassischen transaktionalen Tätigkeiten von denen des Business Partners zur Entwicklung einer dritten Kompetenz. Dies ist im Rollenbild des Data Scientists gebündelt. Sie müssen Controlling und Business im Umgang Big Data unterstützen und komplexe Rechenmodelle anwendungsgerecht zur Verfügung stellen. Die Diskussion bei der Konferenz zeigt, dass Data Scientists nicht zwangsläufig im Controlling angesiedelt sein müssen; eine enge und synergetische Zusammenarbeit zwischen beiden Akteuren (bspw. in Form eines Digital Steering Labs) für die digitale Steuerung aber unabdingbar wird.

Zusammenfassend lässt sich folgendes festhalten:

  • Das heutige finanzielle Standardreporting wird auch in Zukunft bestehen, doch in Umfang und Bedeutung abnehmen. Ergänzend kommen operative Daten mittels agiler KPI-Modelle und Reports hinzu, die eine tägliche Steuerung mit intelligenten Modellen ermöglichen.
  • Das zentrale Reporting wird folglich funktionsübergreifend, inhaltlich breiter aufgestellt sein. Eine höhere Informationstiefe erlaubt direkte Absprünge bis zum Einzelbeleg.
  • Reporting wird zum Steuerungsportal: Berichte unterstützen Simulationen auf Basis der detaillierten Ist-Daten. Workflows und Social Media Funktionen steigern die Interaktivität der Steuerung.
  • Die Effizienz insbesondere im Standardreporting muss durch Automatisierung gesteigert werden. Für Analyse und die Entwicklung von „Digital Solutions“ arbeiten Controller und Data Scientists eng zusammen.
  • Die Möglichkeiten und Nutzen der Digitalisierung hängen vom Kapital „Daten“ und „Digital Intelligence“ ab. Eine frühzeitige und möglichst granulare Zusammenführung und Harmonisierung relevanter Daten entscheidet heute über den Erfolg von morgen.

Einstieg in digitale Steuerung und Reporting 4.0

Wie Digitalisierungsstrategien im Business muss auch die Digitalisierung der Unternehmenssteuerung einen positiven Business Case nachweisen. Die Zusammenführung der Daten, der Aufbau entsprechender Lösungen und Systeme stellen einen Aufwand dar, der sich durch bessere, schnellere und aufwandsarme Steuerungsprozesse rechtfertigen muss. Eine Analyse der Bedarfe und Möglichkeiten (inkl. Bewertung der Datenbasis), so die Horváth-Berater, kann durch „Digital Maturity Assessement“ häufig leicht identifiziert werden. Zudem lassen sich erste „Use Cases“ schnell aufsetzen, um Erfahrungen zu sammeln und erste Nutzen zu realisieren.

Kurzvorstellung Horváth & Partners

Horváth & Partners ist eine internationale Management Beratung für Unternehmenssteuerung und Performance Steigerung. Mit der jährlichen Fachkonferenz Reporting sowie dem Horváth & Partners Reporting Netzwerk veranstaltet Horváth & Partners jährlich das führende Expertenforum für Management Reporting.

Hier geht's zur Bilderserie "Digitale Steuerung und Reporting 4.0 – Der Controller im „Steering Lab“"