Social Real Estate

ESG-Kriterien sorgen in der Immobilienwelt noch immer für viel Wirbel: Wozu zum Beispiel soll der Aspekt "S" für Soziales gut sein? Eine neue Studie will Licht ins Dunkel bringen und zeigt auf, wie sich Social Real Estate auf die Mieten und die Wertsteigerung von Immobilien auswirkt.

Soziales Engagement zahlt sich aus, laut einer neuen Studie auch für Vermieter und Investoren. Mieter seien bereit, einen Preisaufschlag für Social Real Estate zu zahlen, zudem böte das "S" für Soziales unter den ESG-Kriterien Chancen zur Steigerung der Immobilienwerte. Dafür müssen die S-Kriterien im Gebäudebestand und in der Unternehmensführung berücksichtigt werden.

Das ist ein Fazit aus dem "PMRE-Monitor 2023", den das Competence Center Process Management Real Estate (CC PMRE) gemeinsam mit der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin und der Unternehmensberatung CCTM in einer Vorabversion vorgestellt hat. Befragt wurden für die Analyse Immobilienexperten und Studierende. Die sogenannte Generation Z als die Mitarbeiter von Morgen nehmen in der Marktstudie einen besonderen Stellenwert ein.

Doch was bedeutet eigentlich Social Real Estate? Die wesentlichen Erkenntnisse der Studie lassen sich in zehn Punkten zusammenfassen.

1. Rendite: Für Social Real Estate machen Investoren Abstriche

Rund ein Prozent weniger Rendite wird laut Studie bei sozialen Immobilien für das Gemeinwohl in Kauf genommen. Der Gestaltungsspielraum für Social Real Estate ist demnach groß. Als Beispiel wird der "Quay Quarter Tower" in Sydney genannt: Öffentlich zugängliche Erdgeschossbereiche und Außenanlagen, Gastronomie mit einer Vielzahl an Ernährungsvarianten oder eine integrierte Apotheke sind nur einige Aspekte.

2. Wohnen: Für Klima und Mobilität zahlen Mieter auch mal mehr

Wohnungsmieter sind der Umfrage zufolge bereit, für soziale Immobilien einen Preisaufschlag in Höhe von 4,3 Prozent zu zahlen. Besonders hoch ist die Zahlungsbereitschaft bei den Kategorien Gesundheit für Nutzer (5,4 Prozent), bei nachhaltiger Gebäudequalität (5,3 Prozent) und Mobilität (5,3 Prozent) - damit ist eine gute Erreichbarkeit mit ÖPNV oder Fahrrad gemeint.

3. "S"-konforme Büros sind auf Gesundheit ausgerichtet

Die Generation Z stellt in der Umfrage die höchsten Ansprüche an "S"-konforme Büros (58 Prozent) und klassifiziert sie sogar als Jobauswahlkriterium. Besonders stark gewichtet werden die Kategorien Gesundheit (67 Prozent) – die Aspekte Licht, Akustik, Kühlung, Luftqualität und nachhaltiges Mobiliar spielen hier eine Rolle – und Mobilität (64 Prozent). Im Detail umfasst der Faktor Mobilität die Erreichbarkeit der Immobilie per PKW, die Anbindung an den ÖPNV, das Rad- und Fußwegenetz und die Nähe zu einem Mobility Hub. Die Vernetzung der Nutzer spielt kaum eine Rolle (37 Prozent). Auch eine Mieter-App oder ein aktives Mieter- oder Quartiersmanagement bringen den Untersuchungen zufolge keine Pluspunkte.

4. 15-Minuten-Stadt: Hier ist ein Mietaufschlag drin

Für gute Einkaufsmöglichkeiten, Arbeitsplätze, Bildung, Kultur oder Grünanlagen in unmittelbarer Nähe des Wohnorts würden Mieter einen Preisaufschlag von bis zu 4,5 Prozent zahlen, heißt es in der Studie. Für das Büro ist das Umfeld weniger wichtig: als relevant bezeichneten das nur 42 Prozent der Umfrageteilnehmer. Die Gewöhnung an das mobile Arbeiten macht sich bemerkbar: Das Büro wird seltener aufgesucht, dafür sind Cafés im Umfeld des Homeoffice geschätzt. Bei der Neuplanung von Büroobjekten spielt jedoch auch das kulturelle Umfeld eine besonders große Rolle.

5. Social Real Estate: Alle Assetklasse müssen transformiert werden

Für Büroimmobilien (72 Prozent) und Wohngebäude (69 Prozent) rechnen die Studienautoren mit dem höchsten Transformationsaufwand bezüglich der "S"-Kriterien. Shopping-Center etwa landen in der Rangfolge erst auf Platz 6 (58 Prozent). Soziale Standards in den Lieferketten wären eine Absage an Fast Fashion und würden eine Neuorientierung im Mietermix bedeuten. "Wichtig ist daher eine umfassende Analyse der S-Kriterien für alle Gebäudetypen", heißt es in der Studie.

6. Soziale Immobilien: "S" kostet, bringt aber höhere Erträge

Die erwartete Steigerung der Erlöse für "S"-konforme Immobilien liegt laut Studie bei acht Prozent und bei Fondsprodukten 8,7 Prozent. Auf der Ausgabenseite verteuern sich allerdings die Baukosten um 10,8 Prozent, die Betriebskosten um 10,3 Prozent und die Transformationskosten zur Umstellung der Geschäftsprozesse um 10,1 Prozent. Auch die IT-Kosten steigen (plus neun Prozent), weil zusätzliche Datenfelder zur Abbildung der "S"-Kriterien in den IT-Systemen installiert werden müssen – auch für das ESG-Reporting.

7. Wertsteigerungspotenzial mit "S"-Kriterien um knapp zehn Prozent

Die S-Kriterien lassen Immobilienwerte um 9,6 Prozent steigen, so die Studienautoren. Eine unzureichende Umsetzung könne allerdings zu Schäden führen. Beispiel: Diversifikation kann eine guten Mieterdurchmischung bedeuten, im negativen Fall aber zur "Ghettobildung" führen. Wertverluste werden über alle Kategorien mit minus 19,2 Prozent beziffert.

8. Sozialverträgliche Mieten: nicht ohne staatliche Anreize

Die Sicherstellung von bezahlbarem Wohnraum ist ein wesentliches Ziel der EU-Taxonomie. Knapp ein Drittel (32 Prozent) sagen aber, dass das nicht zu erreichen sei. Auch die Bereitschaft der Mieter, für einen sozialen Mietermix mehr zu zahlen, ist gering: Mehr als 2,6 Prozent zusätzlich sind nicht akzeptiert. Die Studie kommt zu dem Schluss: Anreize vom Staat, gesetzliche Vorgaben und Unterstützung aus dem Kapitalmarkt sind nötig. Blaupause Singapur: Eine der teuersten Städte der Welt verzeichnet den höchsten Anteil an Sozialwohnungen. Die Wohnungsbaubehörde "Housing and Development Board" (HDB) subventioniert etwa Eigentumswohnungen und achtet dabei auf einen Mix aus Kulturen und Einkommensschichten.

9. Hitze und Gesundheit: Nur noch raus aus der Stadt?

Seit Beginn der Corona-Pandemie haben die deutschen Metropolen stark an Sogwirkung verloren (minus zwölf Prozent), während ländliche Regionen an Attraktivität gewonnen haben (plus drei Prozent), heißt es in der Studie. Wohnungen in Innenstädten sind aufgrund von Hitzeentwicklungen (das nannten 59 Prozent der Befragten als Grund) sowie wegen Lärm- und Luftverschmutzung (64 Prozent) unbeliebt. Die Ablehnung von Dachgeschosswohnungen stieg der Studie zufolge innerhalb von zwei Jahren um 19 Prozent auf nun 71 Prozent.

10. Soziales Engagement fördert Mitarbeiterbindung

Der Implementierungsgrad der "S"-Kriterien ist laut Umfrage aktuell noch unterdurchschnittlich (41Prozent). Dabei weisen soziale Arbeitgeber deutlich bessere Ergebnisse auf als andere. "Die Jugend will Gesundheit, die Wirtschaft soziales Engagement", heißt es. Einig sind sich fast alle (88 Prozent) bei der Unternehmenskultur: Sie ist Jobauswahlkriterium und Grund, den Job zu wechseln.

PMRE-Monitor 2023: Methodik

An der Studie "PMRE-Monitor 2023" haben 239 Experten der Immobilienwirtschaft, 174 Studierende immobilienwirtschaftlicher Studiengänge aus Deutschland und 35 Studierende übergreifender Fachrichtungen aus dem internationalen Umfeld beteiligt. Die Herkunftsländer reichen von den USA über den Nahen Osten bis nach China. Insgesamt umfasst die Stichprobe 448 Teilnehmer.

Die Ergebnisse der Marktanalyse mit dem Titel "Social Real Estate: The Attraction of Social Action" stehen ab dem 7. März zum kostenlosen Download bereit. Herausgeberinnen sind Prof. Dr. Marion Peyinghaus und Prof. Dr.- Ing. Regina Zeitner.


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