Remanufacturing, Refurbish und Reuse

Innerhalb der Circular Economy gibt es besonders wichtige Wachstumsmärkte, die den Weg zu einer dekarbonisierten und kreislauffähigen Wirtschaft ebnen sollen. Im zweiten Teil dieser Reihe zur Circular Economy geht es um Remanufacturing, Refurbish und Reuse.

Eine Circular Economy trägt dazu bei, die Lebensdauer von Produkten zu steigern, Ressourcen zu schonen und Abfälle zu reduzieren. Das dient dem Klima- und Umweltschutz und leistet auch einen wesentlichen Beitrag dazu, Knappheitsprobleme zu lösen und die Abhängigkeit von erforderlichen (kritischen) Ressourcen zu minimieren. In einer Studie haben wir insgesamt sieben zirkuläre Wachstumsmärkte identifiziert. Vier davon beziehen sich auf die für die Circular Economy konstitutiven 9-R-Strategien (wir haben eine weitere R-Strategie ergänzt), drei beschreiben verschiedene Dienstleistungsmodelle. 

Im ersten Teil unserer Reihe haben wir die Recycling-Strategie vorgestellt. Und zwar am Beispiel der Rückgewinnung von Rohstoffen aus Traktionsbatterien. In diesem zweiten Teil geht es um Strategien, die zum Ziel haben, bereits im Einsatz befindliche Produkte innerhalb des Wirtschaftssystems zu halten, ihre Lebensdauer zu verlängern oder ihre Nutzung zu intensivieren. Wenn die Produkte wirklich am Ende ihres Lebens angekommen sind beziehungsweise für ihren ursprünglichen Einsatz nicht mehr infrage kommen, dann erlaubt Repurpose eine anderweitige Verwendung, mit Recycling lassen sich Rohstoffe zurückgewinnen. So schließt sich der Kreis.

Remanufacturing: Maschinen wiederaufbereiten

Wofür steht Remanufacturing? Es bedeutet, Maschinen und Komponenten durch Demontage, Reinigung und Reparatur so wiederaufzuarbeiten, dass sie „wie neu“ sind. In der Folge müssen weniger neue Assets produziert werden, wodurch nicht nur der Verbrauch von Material, sondern auch von Energie und Wasser sinkt. In der industriellen Produktion lassen sich so im Schnitt 80 Prozent der Materialien, 85 Prozent der Energie und 86 Prozent des Wassers einsparen. Hinzu kommt: Wiederproduzierte Maschinen und Komponenten verursachen geringere Herstellungskosten, doch haben identische Qualität. Das macht sie sowohl für Hersteller als auch für Anwender attraktiv.

In der Industrie ist Remanufacturing bereits in vielen Bereichen eine etablierte Praxis, etwa bei Motorsteuergeräten, Anlassern und Einspritzsystemen, bei Bremssatteln und Lichtmaschinen. Doch es gibt noch viel ungenutztes Potenzial, zum Beispiel im Automotive-Aftermarket. Insgesamt verspricht die Marktentwicklung in Europa ein relevantes Umsatzwachstum von 29,8 auf circa 100 Milliarden Euro. Ob und inwieweit das Wachstum erreicht werden kann, hängt sehr von der Akzeptanz von wiederaufbereiteten Maschinen und Komponenten ab. Und die wiederum lässt sich steigern durch eine entsprechende Kommunikation, gute Analysemöglichkeiten und regulatorische Faktoren.

Einen Impact auf die Akzeptanz haben auch Best Practices. Beispielsweise bereitet die Unternehmensgruppe Liebherr schon seit Jahren gebrauchte Antriebskomponenten nach industriellen Standards auf und erhält so neuwertige Teile. Reinigung, Befundung, Wiedermontage, Test, Wiederaufbereitung oder Reparieren lautet der Prozess, an dessen Ende die Komponenten in verschiedensten Liebherr-Maschinen eingebaut werden – von Baumaschinen über Bergbaufahrzeugen bis hin zu maritimen Kranen. Dabei generiert das Remanufacturing – den Aerospace-Bereich ausgenommen – heute einen Umsatz von etwa 350 Millionen Euro.

Refurbishing: Ein zweites Leben für Batterien

Auch beim Refurbishing geht es darum, bereits genutzte Produkte wiederaufzubereiten. Während sich das Remanufacturing vor allem auf Maschinen und Anlagen aus dem industriellen Kontext bezieht und sich bis auf die Ebene von Einzelteilen erstreckt, sind beim Refurbishing weniger komplexe Produkte gemeint, die als Ganzes betrachtet werden. Weit verbreitet sind mittlerweile wiederaufbereitete Laptops oder Smartphones. Ein Beispiel, das bislang weniger bekannt ist, dafür aber ein enormes Potenzial hat, sind Traktionsbatterien aus Elektrofahrzeugen.

So erwartet die RWTH Aachen 2030 einen Anstieg des Batterierecyclings auf 100 Gigawattstunden. Für Second-Life-Batterien wird bis 2033 ein Marktvolumen von sieben Milliarden US-Dollar prognostiziert. Was sich durch das Refurbishing erreichen lässt, zeichnet sich schon heute ab: Im Übergang zur Elektromobilität ist der Aufbau funktionierender und schnell skalierbarer Recyclingprozesse von entscheidender Bedeutung. Für das in Batterien enthaltene Lithium gibt es seitens der EU bereits Sammelziele. Als Vorstufe zum eigentlichen Recycling zählt Refurbishing zu den Schlüsselaktivitäten.

Wie das praktisch umgesetzt werden kann, zeigt das Start-up Voltfang, das gebrauchte Traktionsbatterien als stationäre Second-Life-Speichersysteme verwendet. Dafür beschafft Voltfang zunächst Batteriemodule von Erstausrüstern (OEM), die eine Restkapazität von über 80 Prozent aufweisen. Die Batterien werden zerlegt, getestet und beurteilt. Wenn alles passt, verkauft Voltfang die Batterien an Industrie- und Gewerbeunternehmen. Dort werden sie für Anwendungen wie Eigenverbrauchoptimierung, Lastspitzenkappung und Notstrombetrieb genutzt. Darüber hinaus investiert Voltfang in den Bereich der netzangebundenen Batteriespeicher, die es Anwendern erlauben, von der Netzstabilität zu profitieren und erneuerbare Energien effizienter zu nutzen.

Reuse: Gebrauchte Photovoltaik wieder in den Kreislauf integrieren

Produkte, die bereits genutzt wurden, abweichend von ihrem ursprünglichen Zweck wiederzuverwenden: Darum geht es bei Reuse. Das Unternehmen 2nd Life Solar hat das erhebliche Potenzial der R-Strategie erkannt und setzt sich intensiv mit der Wiederverwendung von Photovoltaikmodulen, speziell aus Solarparks, auseinander. Wertvoll für den Gebrauchtmarkt sind dabei aus Transportunfällen gerettete Neuwaren oder fehlerhafte Produktionschargen. Statt diese Module direkt zu verschrotten, unterzieht 2nd Life Solar sie einer Prüfung, nimmt bei Bedarf Reparaturen vor und verkauft Photovoltaikmodule schließlich weiter. Durch diese Wiederverwendung können 300 bis 350 Kilogramm CO2-Emissionen pro Modul vermieden werden.

Ein wertvoller Nachhaltigkeitsbeitrag

Remanufacturing, Refurbish und Reuse gehören zu den wichtigen Wachstumsmärkten innerhalb der Circular Economy. Alle drei Märkte bieten das Potenzial für den Aufbau zukunftsweisender zirkulärer Geschäftsmodelle. Und sie ergänzen sich prima. Innerhalb der R-Strategien gehören sie zu den technischen Strategien, mit denen bestehende Stoffströme gehandelt werden können. 

Reuse zielt dabei darauf ab, dass ein Produkt oder eine technische Anlage mit seiner bestehenden technischen und stofflichen Beschaffenheit möglichst lange und effizient genutzt werden kann. Da in den Instandhaltungs- oder Wiederaufbereitungsprozessen zusätzliche Ressourcen für die Bearbeitung und Ersatzteile aufgewendet werden müssen, sind Remanufacturing und Refurbishing weniger ressourceneffizient und haben ein geringeres Dematerialisierungspotenzial als andere Strategien. Dennoch leisten sie einen wertvollen Beitrag für Nachhaltigkeit sowie den Umwelt- und Klimaschutz.

Schlagworte zum Thema:  Kreislaufwirtschaft, Recycling, Nachhaltigkeit