Frag Uschi! Personas im Nachhaltigkeitsmanagement

Personas sind fiktive, aber dennoch realitätsnahe prototypische Stellvertreter einer Personengruppe mit ähnlichen Bedürfnisstrukturen. In der Nachhaltigkeitskommunikation umschreibt ein Persona-Profil vor allem die typischen Eigenschaften, Vorgehensweisen und Erwartungshaltungen, quasi das „Strickmuster“ der anvisierten Individuen mit ihren charakteristischen Motiven und Präferenzen.
Es ersetzt die klassische Zielgruppendenke, die meist nur demografische Daten berücksichtigt, durch eine Art menschliche Gestalt mit Herz und Seele, in die man sich gut hineinversetzen kann. Dieses Vorgehen ermöglicht zudem, die Dinge aus der Warte einer entsprechenden Person zu sehen - und zu erspüren. So lässt sich besser abschätzen, welche Art Ansprache für einen jeweiligen Typ die richtige ist.
Die Ursprünge des Persona-Konzepts
Ursprünglich stammt das Persona-Konzept aus dem Kundenbeziehungsmanagement. Dort spricht man von User Personas, Customer Personas und Buyer Personas. Später wurde es ins Personalwesen übernommen, wodurch Candidate Personas, Employee Personas und schließlich Learner Personas entstanden. Sogar im Zukunftsmanagement, etwa im Zuge der Erstellung von Zukunftsbildern, werden Personas genutzt.
So tun Personas auch in der Kommunikationsarbeit des Sustainability Managements sehr gute Dienste, insbesondere deshalb, weil man bei der Ansprache einen quasi realen Menschen vor Augen hat. Denn nicht die Soziografie, sondern die Psychografie ist entscheidend, wenn es um den Erfolg von Kommunikationsangeboten geht.
Den Menschen hinter der Maßnahme verstehen
Personas helfen vornehmlich den Mitarbeitenden im Nachhaltigkeitsbereich, die nur indirekt mit „Kunden“ in Berührung kommen, den Menschen hinter der Sache zu sehen. Hierdurch lernt man, in der mündlichen und schriftlichen Kommunikation so zu sprechen, wie die Zielgruppe spricht, damit sie sich wirklich verstanden fühlt.
Ferner wird es so möglich, methodisch die Konzepte, -formate und -kanäle zu wählen, die ein solches Individuum wählen würde. Und das kann je nach Persönlichkeitstypus, Generationszugehörigkeit, Lebensumstände und Bildungsstand sehr verschieden sein.
Schließlich entgeht man damit auch der Gefahr, bei einer zu treffenden Entscheidung von sich selbst und seinen eigenen Vorlieben auszugehen. Vielmehr versetzt man sich emotional in die Situation der Zielpersonen und nimmt deren Sichtweise ein.
Wie ihr Sustainability-Personas entwickelt
Personas werden idealerweise mit einem Vornamen, einem Gesicht, ihren Kenntnissen, einem prototypischen Werdegang und einem Privatleben versehen. So wie echte Menschen hat auch eine Persona Ziele, Werte, Ansichten, Routinen, Interessen, Meinungen, Befürchtungen, Wünsche und Ängste. Je mehr Eigenschaften einer Persona zugeschrieben werden, desto klarer wird das Gesamtbild, und desto besser lässt sich sicherstellen, dass die angedachten Kommunikationsmaßnahmen fruchten.
Personas werden entwickelt, indem man passende Menschen innerhalb und außerhalb des Unternehmens direkt befragt, seine eigenen Erfahrungen einbringt und seinen gesunden Menschenverstand nutzt. Nicht Annahmen, sondern Fakten sind dabei entscheidend. Deshalb sollten die gewonnenen Erkenntnisse durch aktuelle Studien, Forschungsergebnisse und passendes Datenmaterial angereichert werden. Die wichtigsten Aspekte werden auf ein Plakat übertragen und so optisch sichtbar gemacht.
Wozu ein Persona-Steckbrief nützlich ist
Das Plakat, manchmal auch Steckbrief oder Empathie-Karte genannt, kann an die Bürowand oder auf eine Pappfigur gepinnt werden, so dass jeder fortan mit beinahe echten Menschen zu tun hat. So wird auch unterstützt, dass alle ein gemeinsames Verständnis für die jeweilige Zielperson haben, wenn sie an Nachhaltigkeitsprojekten arbeiten, Texte formulieren und Kommunikationskanäle für die Ansprache bespielen.
Und immer könnt ihr euch gemeinsam fragen, was die Persona, zum Beispiel Uschi genannt, von einer Sache hält, oder wie sie sich an den einzelnen Interaktionspunkten fühlt. So gelingt es, den Menschen in der anonymen Masse zu sehen, individueller vorzugehen und den „Nerv“ der entsprechenden Zielpersonen zu treffen.
Schließlich lassen sich etwaige Vorhaltungen auf die Persona projizieren. Aus „Da hast du einen Fehler gemacht!“ wird: „Uschi (= die Persona) hätte sich sicher gewünscht, dass ...“ Insgesamt verschafft ihr euch so eine Menge Vorteile im Vergleich zu den Unternehmen, die Kommunikationsmaßnahmen einfach nach „Schema F“ abhandeln.
Wie ihr Personas in Entscheidungen involviert
In einem Unternehmen, mit dem ich zusammengearbeitet habe, sitzt Uschi, die prototypische Stellvertreterin einer weiblichen Zielpersonengruppe, als lebensgroße Schaufensterpuppe mit im Meetingraum. Und jedes Mal, wenn es um Entscheidungen geht, wird Uschi gefragt, was sie davon hält und ob das, was angedacht wurde, so gut ist, dass sie darauf anspricht und im besten Fall sogar weiterempfiehlt.
Reihum übernimmt ein Meetingteilnehmender die Aufgabe, für Uschi zu sprechen, und in dieser Rolle zuzustimmen, abzulehnen, Bedenken zu äußern oder Vorschläge einzubringen. So kann es für alle im Raum zu einem Perspektivenwechsel kommen. Durch den Rollentausch macht sich die sprechende Person zudem selbst weniger angreifbar. Sie vertritt nicht ihre persönliche Meinung, sondern die von Uschi.
Personas via World-Café-Konzept entwickeln
Ein Workshop, bei dem man sich wie die Profiler mit detektivischem Gespür an das treffsichere Kreieren von Personas macht, bringt über den Nutzen hinaus richtig viel Spaß. Dazu eignet sich zum Beispiel das World-Café-Konzept. Dazu benötigt ihr pro Persona, die ihr erarbeiten wollt, einen Tisch. Darauf breitet ihr eine beschreibbare Tischdecke oder Flipchart-Papier aus und legt Marker, Stifte, Klebepunkte usw. bereit. Erläutert den Teilnehmenden die Aufgabe und verteilt sie auf die Tische.
Pro Tisch teilt ihr einen Gastgeber ein. Erlaubt ist alles, was konstruktiv zum Thema beiträgt, also Texte, Bilder, Collagen und so fort. Nach 20 Minuten beendet ihr die erste Runde und bittet die Gruppen, jeweils einen Tisch weiterzuziehen, um sich der nächsten Persona zu widmen. Nur die Gastgeber:innen bleiben an ihren Tischen, begrüßen die Ankommenden, resümieren das bisher Gesammelte und starten einen erneuten Diskurs.
Um wie viele Personas es insgesamt geht? Beginnt mit drei oder vier, um euch nicht gleich beim Start schon zu verzetteln. Holt unbedingt auch Kollegen aus dem Marketing mit hinzu. Und Achtung: Ein Persona-Profil ist immer nur eine Momentaufnahme zum Zeitpunkt der Erstellung. Wie ein echter Mensch, der sich weiterentwickelt, verändert sich auch die Persona. Eine Aktualisierung der Profile ist deshalb von Zeit zu Zeit nötig.
Die Elemente eines Persona-Steckbriefs
Der Steckbrief einer prototypischen Persona umfasst folgende Elemente:
- Name und Foto: Wie heißt er oder sie typischerweise? Wie sieht ein typischer Vertreter beziehungsweise eine Vertreterin der betrachteten Zielgruppe aus? Hierzu verwendet ihr am besten ein passendes Foto von einer Bilderagentur oder beauftragt damit eine KI. Oder ihr lasst eine entsprechende Person zeichnen.
- Statements: Zitiert wörtliche Aussagen, die für diese Persona typisch sein könnten. Oder listet Schlagworte auf, die ihre Werte, Standpunkte, Ansichten und Einstellungen widerspiegeln. Nennt gerne auch Marken, die die Persona typischerweise mag und als Identitätsstatements nutzt.
- Hintergrundinformationen: Hier geht es um das Alter, Kenntnisse und Expertisen, den prototypischen Werdegang, gegebenenfalls um die Nationalität und das Geschlecht. Was ist sein/ihr Lebensumfeld und beruflicher Background? Zudem geht es um die familiären Verhältnisse, die Einkommenssituation, Hobbys usw.
- Erwartungen und Ziele: Welche Anforderungen hat diese Persona an eine Kommunikationsmaßnahme? Welche (beruflichen) Ziele verfolgt sie? Was treibt sie an? Welche Probleme will sie lösen? Welchen Nutzen will sie erzielen? Welche Gefühle könnten im Spiel sein? Welche Ängste könnte die Persona haben?
- Entscheidungsprozess: Wie entscheidet diese Persona? In welchen Medien informiert sie sich? Was sind ihre wichtigsten Interaktionspunkte? Welchen Stellenwert haben offline, online und mobile für sie? Welche Impulse braucht sie? Welche Fakten und Argumente werden benötigt? Was könnte sie besonders überzeugen? Wer hat auf sie Einfluss?
- Ideale Lösung: Wie sähen ideale Kommunikationsangebote aus dem Blickwinkel einer solchen Persona aus? Von welchen Interessen wird sie geleitet? Im Rahmen welcher Emotions- und Motivsysteme trifft diese Persona ihre Wahl?
Die wesentlichen Aspekte werden, wie gesagt, auf einer Vorlage visualisiert. In einem beigefügten Playbook können alle weiteren dazugehörigen Details aufgeführt werden.
Personas können helfen, das „60-Prozent-Potenzial“ zu heben
Auch in Sachen Nachhaltigkeit agieren die Menschen verschieden. Folgen wir der Einteilung von Johanna Gollnhofer und Jan Pechmann, geht es um Öko-Fans, Öko-Muffel und den übrigen 60 Prozent. Die Einteilung basiert auf einer Kombination aus Einstellung und tatsächlich gezeigtem „grünem“ Verhalten. Die Öko-Fans und die Öko-Muffel sind dogmatisch, die 60 Prozent-Gruppe ist pragmatisch. Doch keine der Gruppen ist homogen. Die jeweilige Ausprägung lässt sich auf einer 10-Punkte-Skala präzisieren.
In der Nachhaltigkeitskommunikation geht es vor allem darum, sich um das 60 Prozent-Potenzial zu kümmern. Die Öko-Fans sind ja bereits überzeugt. Und die Öko-Muffel zu überzeugen, fällt schwer. In der 60 Prozent-Gruppe gibt es eine Vielzahl von Sichtweisen beim Thema Nachhaltigkeit. Selbst in der Generation Z gibt es starke Unterschiede. Nur wenige von ihnen sind überzeugte Klimaaktivisten – und viele kaufen Dinge, die Umweltbeschützer niemals kaufen würden. Wir müssen also weiter differenzieren.
Mit diesen zusätzlichen Informationen können wir bereits ein wenig üben, etwa so:
- Kreiert die Persona eines älteren Managers in einem klassischen Unternehmen. Er ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Sein Nachhaltigkeitslevel ist 3.
- Kreiert die Persona einer Frau mittleren Alters, deren Kinder gerade aus dem Haus sind, die sich nun sozial engagiert. Ihr Nachhaltigkeitslevel ist 9.
- Kreiert eine weiblichen ledige Persona aus der Generation Z, die Lifestyle und Shopping pflegt. Ihr Nachhaltigkeitslevel ist 4.
- Kreiert eine beruflich sehr ambitionierte männliche Persona aus der Generation Z. Er pflegt teure Hobbys. Sein Nachhaltigkeitslevel ist 6.
Dabei wünsche ich euch eine Menge Erkenntnisse – und vor allem auch Spaß.
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