Nachhaltiges Eventmanagement: Heute und morgen

Jedes Event soll einzigartig sein. Und es soll besondere Erlebnisse schaffen. Doch wie gelingt das bei nachhaltigen Veranstaltungen? Jonas Krapf spricht über aktuelle Entwicklungen im nachhaltigen Eventmanagement und über ein ganz besonderes Management-Werkzeug.

Ob die intensive Berichterstattung um die ausverkaufte Coldplay-Tournee, lokale Initiativen wie die Sustainable Meetings Berlin oder erste Schritte einer nachhaltigeren Ausrichtung der Internationalen Automobil-Ausstattung (IAA) in München: In der Event-Branche ist Nachhaltigkeit mehr als ein Buzzword. Und vieles spricht dafür, dass sich die Transformation auch 2023 fortsetzt. 

Der Wahnsinn: Ressourcenverbrauch

Anwohnerinnen und Anwohner in Berlin oder München wissen, welche Probleme der Autoverkehr hin zu einem Fußballstadion verursacht. Vermüllte Wiesen und ungenutzte Speisereste sorgen nach jedem Festival-Sommer für wiederkehrende Diskussion. Wer schon einmal ein Event ausgerichtet oder besucht hat, kennt das alles. Eine Erhebung für das Österreichische Umweltzeichen für Green Meetings und Green Events aus dem Jahr 2019 zeigt, dass bereits bei einfachen Kongressveranstaltungen pro Person durchschnittlich circa 1,5 kg Altpapier, 2,5 kg Restmüll, 100 l Abwasser und 200 kg CO2e anfallen. Hochgerechnet auf die Anzahl an Teilnehmenden und die Häufigkeit solcher Veranstaltungen ist abzusehen, welche Auswirkungen Events haben können.

Bei temporären Ereignissen findet ein übermäßiger Ressourcenverbrauch statt, der bewusst in Kauf genommen wird. Schließlich soll jedes Event einzigartig sein und einen speziellen Zweck erfüllen. 

All diese Erfahrungen führen uns vor Augen: bei temporären Ereignissen findet ein übermäßiger Ressourcenverbrauch statt, der bewusst in Kauf genommen wird. Schließlich soll jedes Event einzigartig sein und einen speziellen Zweck erfüllen. Darauf wird zum Teil schon monate- bis jahrelang hingearbeitet. Doch in einer Zeit, in der Klimaproteste zunehmen, Sponsoring-Aktivitäten bei (Groß) Veranstaltungen immer kritischer beleuchtet werden und durch Inflation auch die finanziellen Ressourcen schwinden, ist diese unbedachte Umsetzung alles andere als zeitgemäß.

Nachhaltigkeit als Frage der wirtschaftlichen Existenz

Lange war Nachhaltigkeit einfach „nice to have“. Inzwischen geht es bei der nachhaltigen Ausrichtung von Veranstaltungen aber um nicht weniger als um die wirtschaftliche Existenz. Die Transformation der Branche hat längst Auswirkungen auf die betriebswirtschaftliche Stabilität. Die Neuausrichtung und regulatorische Erweiterung durch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die EU-Taxonomie sowie ESG-Standards beeinflussen strategische Entscheidungen in Einkaufs- und Berichtsprozessen von Unternehmen und wirken sich unmittelbar auf Projekte der Live-Kommunikation aus.

Genauso wie Sicherheits- und Hygienekonzepte werden auch Nachhaltigkeitskonzepte künftig ein integraler Bestandteil der Anforderungen an Events sein. 

Ämter und Behörden arbeiten im Zuge der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie daran, nachhaltige Aspekte als Muss-Kriterium in die Genehmigungsverfahren von Veranstaltungen einfließen zu lassen. Das wird nicht nur temporäre Outdoor-Veranstaltungen betreffen, sondern wird bis in die städtischen Kongresshäuser durchdringen. Genauso wie Sicherheits- und Hygienekonzepte werden auch Nachhaltigkeitskonzepte künftig ein integraler Bestandteil der Anforderungen an Events sein. 

Wettbewerbsvorteile sichern: „Early Adopter“ und „First Mover“

Aber auch kritische Teilnehmende, Gäste und Außenstehende beginnen zu hinterfragen: Warum ist die Podiumsdiskussion „male only“ besetzt? Wieso sind die Wegeführungen nicht barrierefrei? Und wo bleiben die vegan-vegetarischen Cateringvariationen? Der gesellschaftliche Wandel wirkt sich also auch auf die Veranstaltungsbranche aus. Das zeigt sich insbesondere dann, wenn die Veranstaltung von einem Unternehmen ausgerichtet wird, das bereits unter kritischer Beobachtung steht – man denke an bestimmte Industriezweige, die Lebensmittelproduktion oder den Energiesektor.

Wer zu spät auf die Bedürfnisse der Zielgruppe reagiert, verpasst die Chance, als innovatives Unternehmen wahrgenommen zu werden.

Gleichzeitig sollten auch die Interessen und Belange der Zielgruppe genau bekannt sein: Bei einer Recruiting-Veranstaltung für junge Nachwuchskräfte können wir eher von einem höheren Bewusstsein für nachhaltige Ernährung oder für Gendergerechtigkeit ausgehen. Unachtsamkeiten fallen dann stärker ins Gewicht. Viele Veranstaltungen sind noch nicht auf die Bedürfnisse im Detail ausgerichtet: Veranstalterinnen und Veranstalter können daher in diesem Bereich als „early adopter“ und „first mover“ wertvolle und langfristig wirksame Sympathiepunkte erwerben. Wer zu spät auf die Bedürfnisse der Zielgruppe reagiert, verpasst die Chance, als innovatives Unternehmen wahrgenommen zu werden.

Der Weg zur nachhaltigen Veranstaltung

Nachhaltigkeit bedeutet im Event-Kontext nicht zwangsläufig Verzicht, sondern vielmehr einen bewussten und intelligenten Einsatz von Ressourcen. Gleichbedeutend sind dabei ökonomische, ökologische sowie soziale Aspekte. Der Weg zur nachhaltigen Veranstaltung ist immer als Prozess zu verstehen und nicht als einmalig abzuschließende Handlung. Echte Nachhaltigkeit ist das Produkt konsistenter Handlungen, kein schneller 100 m-Lauf.

Echte Nachhaltigkeit ist das Produkt konsistenter Handlungen, kein schneller 100-Meter-Lauf.

Die Umsetzung von Veranstaltungen ist in der Regel ein komplexer Prozess, in dem zu unterschiedlichen Zeitpunkten unterschiedliche Stakeholder eingebunden werden. Für die Nachhaltigkeit von Events sind in der Konsequenz zwei große Schwerpunkte zu berücksichtigen: Die innerbetriebliche Nachhaltigkeit der einzelnen Akteurinnen und Akteure sowie die Planung und Umsetzung von individuellen, veranstaltungsspezifischen Maßnahmen. 

Nachhaltige Lieferkette: von Anfang bis Ende

Zuallererst geht es um das Supply Chain Management. Haben die Dienstleistenden eine Nachhaltigkeitsstrategie? Wie behandeln sie Themen wie Arbeitssicherheit und soziale Gerechtigkeit? Setzen sie betriebsinterne Maßnahmen zum Klimaschutz um? Arbeiten die beauftragten Dienstleistenden nachhaltig, zahlt das direkt auf die Nachhaltigkeit der Veranstaltung ein. Lieferanteneigene Maßnahmen wie ein emissionsärmerer Fuhrpark oder ein Büro- und Lagerbetrieb mit zertifiziertem Ökostrom reduzieren unmittelbar den eventspezifischen CO2e-Fußabdruck. Das Stichwort lautet: Scope-3-Emissionen. 

Arbeiten die beauftragten Dienstleistenden nachhaltig, zahlt das direkt auf die Nachhaltigkeit der Veranstaltung ein.

Nachhaltigkeit ist auch ein Mindset. Geschultes Personal wird nicht nur nachhaltige Maßnahmen ohne zusätzliche Einweisungen auf dem Event umsetzen, sondern wird bereits im gemeinsamen Planungsprozess schneller innovative, nachhaltigere Lösungsansätze finden. Das gemeinsame Verständnis für die Herausforderung ist bereits vorhanden.

Zertifizierungen als ausschlaggebender Indikator: Unternehmen können bei der nächsten Anfrage von Vergleichsangeboten am besten gleich mit abfragen, wie es um die Nachhaltigkeit im Betrieb steht. Ungeachtet der individuellen Verantwortung einzelner Akteurinnen und Akteure liegt es in erster Linie nämlich an den Initiatorinnen und Initiatoren, eine nachhaltige Umsetzung zu fordern und zu fördern.

Nachhaltigkeit beginnt auf dem weißen Blatt Papier

Erst am Veranstaltungstag zu überlegen, wo und welche Abfalleimer aufzustellen sind, welche Materialien wieder eingelagert werden und ob Lebensmittelreste gespendet werden, ist einfach zu spät. Eine nachhaltige Veranstaltung beginnt mit der ersten Konzeption. Schon die Entscheidungen zu Art und Größe der Veranstaltung wirken sich auf Nachhaltigkeits-Aspekte und die Relevanz einzelner Handlungsfelder aus: Bei einer Kongressveranstaltung mit 1.500 Teilnehmenden ist etwa die Relevanz der An- und Abreise und Übernachtung höher als bei einer Gala-Veranstaltung mit 250 Personen, wo der Anteil an Catering und Dekoration stärker wiegt.

Entscheidungen am Anfang haben das größte Einflusspotenzial auf die Nachhaltigkeit. Aber das lässt sich nur schwer einschätzen.

Jede Entscheidung im Konzept – von der Zielgruppe über den Zeitpunkt bis zur Location – schränkt die Handlungsmöglichkeiten nachhaltiger Maßnahmen weiter ein. Bei der Planung bedeutet das: Entscheidungen am Anfang haben das größte Einflusspotenzial auf die Nachhaltigkeit. Aber das lässt sich nur schwer einschätzen. Je näher die Veranstaltung rückt, desto genauer kann geplant werden, was jedoch nur Teilbereiche beeinflusst. Vor Ort ist insbesondere auf die korrekte Umsetzung der Maßnahmen zu achten – eine Nachsteuerung ist nur noch minimal möglich.

Rahmenwerk für nachhaltiges Eventmanagement: ISO 20121

Eine wertvolle Unterstützung bieten standardisierte Prozesse, wie sie in der ISO 20121 beschrieben sind. Diese Norm ist das international anerkannte, grundlegende Rahmenwerk für nachhaltiges Veranstaltungsmanagement. Die Olympischen Sommerspiele 2012 in London waren dafür gleich zu Beginn ein wichtiger Katalysator. Im Zentrum der ISO 20121 stehen keine konkreten Einzelmaßnahmen und quantitative Zielsetzungen, sondern das Wissen, um nachhaltigkeitsorientierte Managementprozesse zu etablieren.

Im Zentrum der ISO 20121 stehen keine konkreten Einzelmaßnahmen und quantitative Zielsetzungen, sondern das Wissen, um nachhaltigkeitsorientierte Managementprozesse zu etablieren.

Ob Unternehmen eine Zertifizierung nach dieser Norm in Betracht ziehen sollten, ist den Entscheiderinnen und Entscheidern überlassen. Unabhängig von der tatsächlichen Zertifizierung bietet die ISO 20121 aber auch eine Blaupause für das Eventmanagement, mit einer Gesamtübersicht, welche Stakeholder auf welche Weise mit einzubeziehen sind. Die ISO 20121 ist somit ein Management-Werkzeug, das alle in der Branche kennen sollten.

Nachhaltige Events in Zeiten der Krise

Im Jahr 2023 steht die Branche gleich vor mehreren Herausforderungen. In der anhaltenden Inflation werden eingekaufte Waren und Dienstleistungen teurer. Mit dem Fachkräftemangel steigen nicht nur die Personalkosten. Vielen finden für die eigene Veranstaltung kein oder nicht ausreichend qualifiziertes Personal. Das wachsende gesellschaftliche Bewusstsein für Nachhaltigkeit und zunehmende wirtschaftspolitische Hard Facts steigern zusätzlich die Komplexität. Fest steht jedenfalls: Erfolg und Misserfolg des Eventmanagements entscheiden sich im planerischen Detail. Jetzt ist die Zeit, aktiv zu agieren. Später kann man nur noch reagieren.

Schlagworte zum Thema:  Nachhaltigkeit, Veranstaltung