Interview über nachhaltiges Eventmanagement

Veranstaltungen bringen Menschen zusammen. Doch wie steht es um nachhaltiges Eventmanagement? Im Interview spricht Jonas Krapf, Chief Sustainability Officer bei NIYU, über den Weg zur Nachhaltigkeit, einzigartige Erlebnisse und warum nicht jede Innovation sichtbar ist.

Wir reden in sämtlichen Wirtschaftsbereichen über Nachhaltigkeit. Eventmanagement ist keine Ausnahme. Wo steht die Branche aktuell?

Auch wir sehen Anfänge der Transformation. Es gibt viele Vorreiterinnen und Vorreiter, die intrinsisch motiviert handeln. Sie untersuchen das Thema Nachhaltigkeit seit Jahren und ermöglichen uns eine Blaupause, um auf ihren Fehlern aufzubauen und besser zu werden. Auch die Nachfrage nach Vorträgen auf Fachmessen wächst. Das Bewusstsein ist da, offen bleibt nur die nachhaltige Umsetzung. Andere wollen ihr Handeln tatsächlich anpassen, doch es fehlt ihnen an konkreten Vorstellungen. Eine kleine, skeptische Gruppe hinterfragt dagegen, ob Veranstaltungen und Nachhaltigkeit wirklich zusammenpassen. Sie gilt es noch zu überzeugen. Nachhaltigkeit ist gekommen, um zu bleiben, das werden auch die Letzten merken.

Nachhaltigkeit ist gekommen, um zu bleiben. Das werden auch die Letzten merken.

Aus welcher Richtung weht der stärkste Wind?

Die Branche ist nicht homogen, da müssen wir differenzieren. Kultur, Sport und Industrie haben unterschiedliche Schwerpunkte, Zielgruppen und Stakeholder. Ein großer Pull-Faktor bei Theatern oder Opernhäusern sind die gesetzlichen Regularien im Zuge der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. Diese Häuser gehören zu Kommunen oder Ländern und verpflichten sich somit zumindest indirekt der Strategie. Bei großen Musikfestivals fragen Gäste, wie es um Line-up, Infrastruktur oder Müllmengen steht. Bei Kongressen oder Messen, wo sich Unternehmen nachhaltig präsentieren, müssen wir Nachhaltigkeit direkt an Kundinnen und Kunden vermitteln. Und bei Massenevents wie Spielen der Deutschen Fußball Liga fordern einige Sponsorinnen und Sponsoren mehr Nachhaltigkeit.

Green Events zwischen Nachhaltigkeit und Einzigartigkeit

Kritische Gäste äußern Anregungen und Wünsche. Wie finde ich heraus, was davon sinnvoll ist?

Bei Nachhaltigkeit geht es nicht nur um Klimaschutz. Ob sich etwas sinnvoll umsetzen lässt, ist abhängig von der Art der Veranstaltung, von der Größe und dem, was ich mit meinem Event vermitteln möchte. Beim wichtigen Thema CO2 gibt es große Hotspots wie Logistik, Transport, Catering und Energieverbrauch. Hier gibt es immer etwas zu verbessern, manches ist einfacher, anderes schwieriger umzusetzen. Dann spielt auch die Wesentlichkeitsanalyse eine Rolle. Selbst ein kurzes Infoevent oder ein Familientag, die nur wenig Energie verbrauchen, werden womöglich von einem Unternehmen im Bereich erneuerbare Energien veranstaltet. Dann lohnt sich ein Mehraufwand beim Energiemanagement, denn das hat eine konkrete Verbindung zum Unternehmen. In der Lebensmittelbranche hat Catering einen hohen Stellenwert, bei Sportvereinen das soziale Engagement. Wir müssen die größten Hotspots betrachten, aber auch individuelle Entscheidungen treffen, je nachdem, was wir kommunizieren wollen. 

Alle wollen einzigartige Events schaffen. Wie passt das mit Nachhaltigkeit zusammen?

Wir müssen das Rad nicht immer neu erfinden. Im Eventdesign führt die Forderung nach Einmaligkeit dazu, dass in die Location erst eine Blackbox gebaut wird, in der wiederum ein eigenes, einmaliges Setup entsteht. Noch bevor die eigentlichen Eventbauten beginnen, ist dann bereits viel infrastrukturelles Material vorhanden. Die Einzigartigkeit können wir aber auch durch die Arbeit mit der Location selbst herauskitzeln. Absichtlich weniger zu machen, hat einen sichtbaren Impact. Zum Beispiel, indem wir das Stahlgerüst nicht mit schwarzem Molton abhängen, sondern in ein Lichtkonzept integrieren. Das Publikum nimmt das positiv wahr, denn es hat so etwas noch nicht gesehen. Gleichzeitig spart das Kosten. Die größte Herausforderung ist, kreativ mit dem zu arbeiten, was da ist. Bei individuellen Dekorationsbauten hingegen lohnt sich ein Blick auf Angebote der Modulbauweise: Im Messebau lassen sich mithilfe von Standardsystemen achtzig bis neunzig Prozent des Bodens oder der Wand bauen. Nur die letzten zehn Prozent kommen mit Sonderformen dazu. So etwas ist wiederverwertbar und lässt sich in Einzelteile zerlegen. 

Die größte Herausforderung ist, kreativ mit dem zu arbeiten, was da ist.

Wo wird das Balancieren zwischen Einzigartigkeit und Nachhaltigkeit knifflig?

Ein wiederkehrender Diskussionspunkt ist die Erwartungshaltung von Gästen sowie von Veranstalterinnen und Veranstaltern. Hier steht oft das Catering im Zentrum. Ein Gala-Event mit tausend Personen trägt allein durch das Catering einen großen CO2-Rucksack. Schon in der Vorabbilanzierung lässt sich darstellen, welche Umweltauswirkungen etwa die Entscheidung pro oder kontra vegetarisch-veganes Angebot hat. Aber darf ich meinem Publikum, das vermeintlich gerne Fleisch isst, ein vegetarisches oder veganes Buffet anbieten? Der Schlüssel liegt auch hier darin, zu kommunizieren und offenzulegen, warum ich mich so entschieden habe. Der Gast wird somit nicht erst vor Ort damit konfrontiert, sondern wurde vorab auf diesem Weg mitgenommen. Das lässt sich attraktiv gestalten, es gibt nämlich auch sehr gutes, vegetarisches Catering. Hierfür muss ich mich aber eng mit dem Cateringunternehmen abstimmen oder einen neuen Dienstleistenden suchen. Ein innovatives Speise-Angebot zahlt auch auf die Einzigartigkeit der Veranstaltung ein. 

Nachhaltiges Eventmanagement und Kommunikation

Was hat die Norm ISO 20121 mit alledem zu tun?

Die ISO 20121 ist ein wichtiges Rahmenwerk, um sich dem nachhaltigen Veranstaltungsmanagement anzunähern. Im Gegensatz zu vielen praktischen Handreichungen steht die Norm für das große Ganze und die Frage, wie ich strategisch meine Veranstaltung hin zu Nachhaltigkeit manage. Ich muss bei mir selbst anfangen und mich nach meinem Ziel, meiner Vision fragen. Die Norm hilft bei Stakeholder-Analysen und dabei, wie ich Dienstleistende einbringe. Also ein Ansatz der Managementzertifizierung, der mich sauber durch den Prozess führt, aber so komplex ist, dass ich ihn nicht mit einer standardisierten, zweiseitigen Checkliste abarbeiten kann.

Auch 2023 stehen große Musikfestivals mit mehr als 60.000 Menschen an. Haben Massenevents überhaupt noch eine Zukunft?

Absolut. Positiv besetzte Großveranstaltungen, wo es um Feiern und Zusammensein geht, übernehmen eine wichtige gesellschaftliche Rolle und zahlen auf soziale Nachhaltigkeit ein. Als Kommunikationstool, um Nachhaltigkeit direkt oder indirekt anzusprechen, sowie als Multiplikator, um Wandel zu promoten und Menschen zu überzeugen. Von Headlinern über Touchpoints wie Anreise oder Catering. Wegen der Gesetzeserweiterung wird auch Mehrweg noch eine große Rolle spielen. Gleichzeitig merken Veranstalter von Outdoor-Festivals, dass sie direkt von den Klimaveränderungen betroffen sind. Man denke an Unwetter, die zu Festivalabbrüchen führen, oder an Dürreperioden und Hitzephasen. Mit den Risiken steigen auch die Versicherungspolicen. Resilienz und Klimafolgenanpassungen spielen daher eine immer wichtigere Rolle. Am wichtigsten ist aber, dass schon viele Festivals damit experimentieren, den Einfluss zu reduzieren. Sie arbeiten mit Beratungen an Zertifizierungen auf Basis der ISO 20121. Sie bieten Kompost-Toiletten an oder denken über hybrides Energiemanagement nach. All das gilt es zügig umzusetzen.

Positiv besetzte Großveranstaltungen, wo es um Feiern und Zusammensein geht, übernehmen eine wichtige gesellschaftliche Rolle und zahlen auf soziale Nachhaltigkeit ein.

Die Zukunft nachhaltiger Events

Welche Herausforderungen warten auf die Branche?

Inflation und Fachkräftemangel sind allgegenwärtig. Nachhaltigkeit kann hier sogar ein Lösungsansatz sein. Viele sagen, Nachhaltigkeit sei zu teuer und nicht umsetzbar. Aber die Unternehmen, die Zertifizierungen durchlaufen haben und damit seit Jahren arbeiten, sagen das genaue Gegenteil. Natürlich braucht es zunächst eine Investition. Das Durchdenken und das Neuaufsetzen von Prozessen hilft, effektiver und effizienter zu arbeiten. Am Schluss können wir Kosten radikal senken. Nachhaltigkeit ist Maxime und Chance, um sich in Krisen zu behaupten. Darüber hinaus greifen Gesetze die Branche an unterschiedlichen Stellen an. Die Mehrwegpflicht wird freie Cateringbetriebe wie große Stadien treffen. Und die Berichterstattung betrifft ab dem kommenden Jahr schrittweise auch den Mittelstand der Branche. 

Welche Innovationen spielen in der Eventbranche künftig eine größere Rolle?

Was Teilnehmende nicht mitbekommen, ist etwa das hybride Energiemanagement. Momentan wird alles geplant, was es zu planen gibt. Über Hospitality, Catering oder Technik kommt man auf eine maximale Summe an benötigtem Strom. Es gibt dann die nötigen Anschlüsse oder es kommt ein Aggregat dazu. Das ist eine blauäugige Herangehensweise. Energiemanagement wird wichtiger, denn Energie ist ein Treiber von Kosten und CO2-Emissionen. Das bietet wahnsinnige Möglichkeiten zur Einsparung. Ein durchdachtes Energiekonzept behandelt Lastspitzen und Timing, also die Frage, was passiert und was passiert wann? Auch die Nachfrage nach Akkupuffern zur Ausstattung von Nebenschauplätzen steigt. Zudem gibt es bereits Probetests mit E-Fahrzeugen. Die Gäste reisen an und stellen ihr Auto bereit, um die Main-Show zu verstromen und um Lastspitzen abzupuffern. Ihr Auto erhalten sie dann wieder vollgeladen zurück. Das Event wirkt nach außen gleich, nur der Strom ist sauber.

Ein durchdachtes Energiekonzept behandelt Lastspitzen und Timing. Also die Frage, was passiert und was passiert wann?

Und was könnte sich im Kleinen verändern?

Eine unglaubliche Kreativität bergen die Giveaways. Nach einem Kongress erhalten alle eine Tüte voller Kugelschreiber oder Blöcke. Was können wir da anders machen? Der fünfte To-Go-Becher bringt mir nichts, einer davon reicht. Wir wollen den Gästen trotzdem einen Erinnerungswert nachhause mitgeben. Viele Anbieterinnen und Anbieter sprechen daher über nachhaltige Giveaways mit einem positiven Impact, zum Beispiel in Form von Spenden oder etwas zum Anfassen, was zum Beispiel mit einem Projekt zusammenhängt. Das sind kleine Maßnahmen, die jeden berühren und Kreativität signalisieren. Ich bin immer wieder überrascht von den ausgefuchsten Ideen meiner Kolleginnen und Kollegen.

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