Rz. 46

Stand: 5. A. Update 4 – ET: 04/2023

Verkauft ein Brezelverkäufer auf dem Oktoberfest in Festzelten "Wiesnbrezn" an die Gäste des personenverschiedenen Festzeltbetreibers, ist der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 % für Lebensmittel anzuwenden. Der BFH weist damit die Rechtsauffassung der bayerischen Finanzverwaltung zurück, die im Verkauf der Brezeln durch den Brezelverkäufer einen restaurantähnlichen Umsatz gesehen hatte, der dem Regelsteuersatz von 19 % unterliegen sollte (BFH vom 03.08.2017, V R 15/17).

 

Sachverhalt

Im Streitfall pachtete die Klägerin (K) während des Oktoberfestes Verkaufsstände in mehreren Festzelten an. Die von ihr beschäftigten "Breznläufer" gingen durch die Reihen des Festzelts und verkauften die Brezeln an die an Bierzelttischen sitzenden Gäste des Festzeltbetreibers.

Das Finanzamt sah hierin umsatzsteuerrechtlich eine sog. sonstige Leistung, die dem Regelsteuersatz unterliege. Es sei ein überwiegendes Dienstleistungselement gegeben, weil der K die von den Festzeltbetreibern bereitgestellte Infrastruktur, bestehend aus Zelt mit Biertischgarnituren und Musik, zuzurechnen sei. Das Finanzgericht bestätigte dies.

Der BFH hob das Urteil der Vorinstanz auf und gab der Klage statt. Der Verkauf der Brezeln führt umsatzsteuerrechtlich zu einer Lieferung der Backwaren, die ermäßigt zu besteuern ist. Die in den Festzelten aufgestellten Biertischgarnituren, bestehend aus Tischen und Bänken, dienten den eigenen Gastronomieumsätzen des Festzeltbetreibers. Damit handelte es sich aus der Sicht der K um fremde Verzehrvorrichtungen, an denen der K kein eigenes Mitbenutzungsrecht zugestanden hat. K hat keine Verfügungs- oder Dispositionsmöglichkeit in dem Sinne erlangt, dass sie Besuchern Sitzplätze im Festzelt zuweisen konnte. Nach der "Realität" im Bierzelt ist auch nicht davon auszugehen, dass Personen, die ausschließlich Brezeln von K erwarben, zur Nutzung der Biertischgarnituren berechtigt gewesen wären, ohne zusätzliche Leistungen des Festzeltbetreibers in Anspruch nehmen zu müssen.

Der Sachverhalt des Besprechungsurteils dürfte in der Praxis häufiger vorkommen, als man zunächst annimmt. Immer wieder überlassen Veranstalter – z. B. die Betreiber von Opern- und Theaterhäusern – den Verkauf von Snacks u. dergleichen Dritten und stellen Infrastruktur (vor allem Sitzgelegenheiten) rein tatsächlich zur Verfügung. Der BFH stellt klar, dass dies einer Umsatzsteuerbegünstigung nicht entgegensteht.

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