Rz. 28

Vermehrt kaufen deutsche Autohändler im EU-Ausland von Privatpersonen Neufahrzeuge an, um diese dann in Deutschland an Privatkunden zu verkaufen. Auf den Verkauf wenden die Autohändler i. d. R. die kundengünstige Differenzbesteuerung an; dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Fahrzeug im EU-Ausland bereits mit Umsatzsteuer belegt wurde. Ein gravierender Fehler – und vor allem ein teurer, wie ein aktueller "Echtfall" zeigt (Weimann / Grobbel, a.a.O):

 
Praxis-Beispiel

Sachverhalt:

Im Prüfungszeitraum 2012 kaufte ein deutsches Autohaus (A) in Polen von Privatpersonen Neufahrzeuge im Wert von ca. 400.000 EUR.

Da die Fahrzeuge sämtlich an deutsche Privatkunden gingen, wollte A nur die eigene Marge (ca. 10 % = 40.000 EUR) der Umsatzsteuer unterwerfen und kalkulierte die Verkaufspreise wie folgt:

Einkaufspreis + Marge + Umsatzsteuer auf die Marge = Verkaufspreis

Die Betriebsprüfung vertritt dagegen die Auffassung, dass die Differenzbesteuerung keine Anwendung findet und dass das Gesamtentgelt der Umsatzsteuer unterliegt.

2.3.1 Steuerbelastungsvergleich: Erhebliche Mehrsteuern kommen auf das Autohaus zu

 

Rz. 29

Trifft die Auffassung der Betriebsprüfung zu, führt dies für das Autohaus zu einer ganz empfindlichen Umsatzsteuermehrbelastung, die selbstverständlich nicht (nachträglich) an den Kunden weitergegeben werden kann:

 
Praxis-Beispiel

Fortführung Sachverhalt

 
(alle Beträge in EUR)
  Autohaus Betriebsprüfung USt-Belastung
Einkaufpreise 400.000 400.000  
+ Marge 40.000 40.000  
+ 19 % auf die Marge 7.600   7.600
= Verkaufspreis 447.600    
USt lt. BP (Verkaufspreis : 119 × 19)     71.465
Steuermehrbelastung     63.865

Das Finanzamt hat Recht – ein für das Autohaus schlimmes Ergebnis, das es auf jeden Fall zu vermeiden gilt.

2.3.2 Der wirtschaftliche Hintergrund

 

Rz. 30

Zunächst stellt sich die Frage, ob solche Fälle – ein EU-ausländischer Nichtunternehmer verkauft einem deutschen Händler ein Neufahrzeug – in der Praxis überhaupt vorkommen.

Die Antwort auf diese Frage lautet eindeutig "Ja" Die Verkäufer sind in der Regel Werksangehörige der (auch) im EU-Ausland ansässigen Hersteller. Die Werksangehörigen kaufen die Fahrzeuge vergünstigt und – anders als in Deutschland – häufig ohne Haltefrist von Ihrem Arbeitgeber und verkaufen diese mit Profit an deutsche Händler weiter. Der Einkaufspreis des deutschen Händlers liegt dann immer noch weit unter dem Preis eines Einkaufs vom Hersteller.

 

Rz. 31

Derartige EU-Importe kommen vor allem aus

  • Polen (Ford, Opel, Mercedes, Renault, VW)
  • Spanien (Renault, Seat, VW)
  • Tschechien (Skoda, VW)

2.3.3 Der umsatzsteuerliche Hintergrund

 

Rz. 32

Grundsätzlich folgt die Besteuerung des Kfz-Handels den allgemeinen Regeln des Umsatzsteuerrechts. Dies gilt insbesondere für die Lieferung von

  • Neufahrzeugen an andere Unternehmer
  • Neufahrzeugen nichtunternehmerische Kunden im Inlands- und Non-EU-Geschäft
  • Kraftfahrzeugteilen.
 

Rz. 33

Sonderregeln gelten aber für die Lieferung von

 

Rz. 34

Durch diese Regelung soll erreicht werden, dass auch der Verkauf neuer Fahrzeuge von Nichtunternehmern

  • immer dort besteuert wird, wo das Fahrzeug letztendlich verwendet wird (Bestimmungslandprinzip) und
  • nicht dort, wo das Fahrzeug (zum ersten Mal) verkauft wird (Ursprungslandprinzip).
 
Achtung

Die Frage, ob die Werksangehörigen durch die Ein- und Verkäufe selbst zu einem Unternehmer werden, ist zwar interessant, stellt sich aber für den deutschen Autohändler nicht, da dann umsatzsteuerlich ein "normales" EU-Geschäft vorläge und die Steuerfolgen damit identisch wären (s. u.).

2.3.4 "Fahrzeuge" im Sinne der Sonderregeln

 

Rz. 35

Den Sonderregeln unterliegen

2.3.5 Begriff des "Neu"fahrzeugs

 

Rz. 36

Ein Kfz ist neu, wenn es

  • nicht mehr als 6.000 km zurückgelegt hat oder
  • wenn seine erste Inbetriebnahme im Zeitpunkt des Erwerbs nicht mehr als sechs Monate zurückliegt.
 

Rz. 37

Folge der 6.000 km–Grenze ist, dass auch sehr alte Fahrzeuge (z. B. Sammler- oder Ausstellungsfahrzeuge) als neu i. S. dieser Vorschrift gelten können, wenn sie wenig in Betrieb waren. Hier wird man allerdings beachten müssen, dass derartige Fahrzeuge wahrscheinlich als Ausstellungs- oder Museumsstücke nicht zur Personen- oder Güterbeförderung bestimmt sind (Abschn. 1b.1 S. 2 UStAE).

 

Rz. 38

Unklar ist der Begriff der ersten Inbetriebnahme. Definiert man diese als Zeitpunkt, zu dem das Fahrzeug vom ersten Erwerber zum ersten Mal bestimmungsgemäß benutzt wurde, wird bei zulassungspflichtigen Fahrzeugen in der Regel der Tag der ersten Zulassung maßgeblich sein. Ob dies auch auf die Tageszulassung durch Kfz-Händler zutrifft, erscheint zweifelhaft, auch wenn § 18 Abs. 10 Nr. 1 UStG anordnet, dass die für die Zulassung oder Registrierung zuständigen Behörden den Finanzbehörden die erstmalige Zuteilung eines amtlichen Kennzeichens m...

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