Rz. 40

Stand: 5. A. – ET: 12/2018

Der BFH hatte darüber zu entscheiden, ob die Leistungen der Wechselstuben (an Flughäfen) als Lieferungen oder sonstige Leistungen zu qualifizieren sind und unter welchen Voraussetzungen ihnen ein Vorsteuerabzug möglich ist.

 

Sachverhalt:

Die Klägerin (A) betreibt auf einem deutschen Flughafen Wechselstuben – u. a. zum An- und Verkauf ausländischer Banknoten und Münzen (Sortengeschäft).

A machte in den Streitjahren 1994–1999 Vorsteuerbeträge aus Leistungen geltend, die zur Ausführung von Sortengeschäften mit im Drittlandsgebiet ansässigen Kunden verwendet wurden. Den Anteil des Geschäfts mit Drittlandskunden ermittelte A, indem sie die Kunden bei jeder Transaktion zu ihrer Ansässigkeit befragte. Die so erhobenen Daten hat A elektronisch gespeichert und für jeden Umsatzsteuer-Voranmeldungszeitraum einen "Report" erstellt.

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, bei den Sortengeschäften handle es sich um Lieferungen, die nach § 4 Nr. 8 Buchst. b UStG steuerfrei seien. Damit sei ein Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG grundsätzlich ausgeschlossen und im Streitfall auch über § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b UStG nicht möglich, da A keinen Ausfuhrnachweis führen könne.

Das Hessische FG gab der Klage statt (Hessisches FG vom 25.11.2008, Az: 6 K 1627/03, EFG 2009, 1066). Mit dem Sortengeschäft erbringe A keine Lieferungen, sondern vielmehr sonstige Leistungen. Die Vorsteuerbeträge, die auf Leistungen an Drittlandskunden verwendet würden, seien unter den weiteren Voraussetzungen über § 15 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b abziehbar. Als Nachweis für die Ansässigkeit der Kunden im Drittlandsgebiet seien die Befragung der Kunden und eine entsprechende Dokumentation ausreichend.

 

Rz. 41

Stand: 5. A. – ET: 12/2018

Der BFH teilt die Auffassung des FG. Ein Unternehmer, der in- und ausländische Banknoten und Münzen i. R. v. Sortengeschäften an- und verkauft, führt keine Lieferungen, sondern sonstige Leistungen aus. Dabei hat der BFH die Würdigung des FG, die Kundenbefragung und eine entsprechende Dokumentation seien ein ausreichender Nachweis für die Ansässigkeit im Drittlandsgebiet, nicht beanstandet. Insbesondere seien die Bestimmungen über Buch- und Belegnachweise bei Ausfuhrlieferungen (§§ 8 und 17 UStDV 1993/1999) auf den Nachweis des Wohnsitzes des Empfängers einer sonstigen Leistung i. S. d. § 3a Abs. 3 S. 3 UStG 1993/1999 nicht analog anwendbar (BFH vom 19.05.2010, Az: XI R 6/09, UR 2010, 821).

 

Rz. 42

Stand: 5. A. – ET: 12/2018

Für die Entscheidung, ob dem Betreiber einer Wechselstube ein Vorsteuerabzug zu gewähren ist, ist zunächst zu klären, ob es sich bei dem Geldumtausch (Sortengeschäft um eine Lieferung oder um eine sonstige Leistung handelt; hiervon hängt ab, ob die Wechselstube ihre Leistungen

  • als Lieferungen im Inland (§ 3 Abs. 7 S. 1 UStG),
  • als sonstige Leistungen im Ausland (§ 3 Abs. 9, § 3a Abs. 3 S. 3 UStG a. F.)

erbringt.

 

Rz. 43

Stand: 5. A. – ET: 12/2018

Lieferungen eines Unternehmers sind Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht, § 3 Abs. 1 UStG). Sonstige Leistungen sind nach § 3 Abs. 9 UStG solche, die keine Lieferungen sind. Auch wenn die Wechselstube dem Kunden an den Scheinen und Münzen in der anderen Währung die Verfügungsmacht verschafft, ist zu berücksichtigen, dass das Umsatzsteuerrecht nur Leistungen im wirtschaftlichen Sinn erfasst, d. h. Leistungen, bei denen ein Interesse des Entrichtenden verfolgt wird, das über eine reine Entgeltentrichtung hinausgeht (vgl. BFH vom 31.07.1969, Az: V 94/56, BStBl II 1969, 637). Dient die Übertragung eines Gegenstands lediglich dazu, die Übertragung eines Rechts oder eine bestimmte Nutzung zu ermöglichen, steht regelmäßig die Dienstleistung im Vordergrund (vgl. BFH vom 03.06.2009, Az: XI R 34/08, BFH/NV 2009, 2062, BFH/PR 2010, 15).

 

Rz. 44

Stand: 5. A. – ET: 12/2018

Der wirtschaftliche Gehalt des Geldwechselns besteht darin, dem Kunden zu ermöglichen, die im Bargeld verkörperte Kaufkraft in einem bestimmten Staat zu nutzen. Die dem Geld zukommende Eigenschaft, Wertmaßstab für Güter aller Art zu sein, wird von einer Währung in eine andere transferiert. Dem Leistungsempfänger kommt es darauf an, Kaufkraft einer bestimmten Währung zu erhalten. Danach liegt die wirtschaftliche Leistung einer Wechselstube in der Dienstleistung des Umtauschs, die steuerbar ist, wenn dafür ein Entgelt entrichtet wird (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG). Bestätigt sieht der BFH sich insoweit durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichts (EuG) und des EuGH (Nachweise unter Tz. 25 ff. des Besprechungsurteils). So hat insbesondere der EuGH darauf erkannt, dass Devisengeschäfte Dienstleistungen sind. Devisen seien – so der EuGH – keine "körperlichen Gegenstände" i. S. d. Art. 5 der 6. EG-RL (nunmehr Art. 14 MwStSystRL), da es sich um Geld handle, das gesetzliches Zahlungsmittel sei (EuGH vom 14.07.1998, Rs. C-172/96, ...

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