Rz. 16

Der EuGH hat in einem Verfahren zum dänischen Umsatzsteuerrecht darauf erkannt, dass ein Verwerter aus von Privat angekauften Alt- und Schrottfahrzeugen ausgebaute Gebrauchtteile unter den weiteren Voraussetzungen des Art. 311 MwStSystRL – in Deutschland: § 25a UStG – differenzbesteuert verkaufen darf.

2.2.1 Sachverhalt

 

Rz. 17

Kläger (K) des Ausgangsverfahrens ist ein dänischer Autoverwerter, dessen Haupttätigkeit im Handel mit gebrauchten Autoteilen aus Altfahrzeugen besteht. Die Tätigkeit schließt ferner die Behandlung der Fahrzeuge unter Umwelt- und Abfallgesichtspunkten ein, was eine Voraussetzung für die Berechtigung zur Entnahme von Ersatzteilen ist. Einen kleineren Teil des Gesamtumsatzes des Unternehmens macht schließlich der Verkauf von Metallschrott (Eisen) aus, der nach der Behandlung und der Entnahme der Autoteile zurückbleibt.

Im Ausgangsverfahren streitbefangen ist der Erwerb der Fahrzeuge von Privatpersonen. K ersuchte dazu die dänischen Steuerbehörden um eine verbindliche Auskunft darüber, ob die Sonderregelung für Gebrauchtgegenstände auf ihre im Wiederverkauf gebrauchter Autoteile bestehende Tätigkeit insoweit Anwendung findet.

Die Steuerbehörden verneinten dies und wurden darin in erster Instanz durch ein Finanzgericht bestätigt. Dagegen legte K beim vorlegenden Berufungsgericht Rechtsmittel ein. Das Gericht ersuchte den EuGH um Vorabentscheidung und wies den Sachverhalt ergänzend darauf hin, dass keine Angaben dazu verfügbar seien, wie sich die Einkaufspreise für die Fahrzeuge zusammensetzten und insbesondere wie der Wert der Autoteile, des Metallschrotts und der für die Behandlung der Fahrzeuge unter Umwelt- und Abfallgesichtspunkten vorgesehenen Verschrottungsprämie festgesetzt und in den Verkaufspreis einbezogen werde.

2.2.2 Entscheidung

 

Rz. 18

Der EuGH hält die Differenzbesteuerung für anwendbar. Nach dem Wortlaut von Art. 311 Abs. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2006/112 "Gebrauchtgegenstände"

  • bewegliche körperliche Gegenstände, die
  • in ihrem derzeitigen Zustand oder
  • nach Instandsetzung

erneut verwendbar sind.

 

Rz. 19

Aus dieser Bestimmung folgt nicht, dass der dort verwendete Begriff "Gebrauchtgegenstände" bewegliche körperliche Gegenstände, die in ihrem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung erneut verwendbar sind, ausschließt, wenn sie von einem anderen Gegenstand stammen, dessen Bestandteile sie waren. Dass ein gebrauchter Gegenstand, der Bestandteil eines anderen Gegenstands ist, von diesem getrennt wird, stellt nämlich die Einstufung des entnommenen Gegenstands als "Gebrauchtgegenstand" nicht in Frage, sofern er "in seinem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung" erneut verwendbar ist.

2.2.2.1 Die Gegenstände haben ihre Funktion beibehalten

 

Rz. 20

Für die Einordnung als "Gebrauchtgegenstand" ist demnach nur erforderlich, dass dem gebrauchten Gegenstand unverändert die Funktionen zukommen, die er im Neuzustand hatte, und dass er daher in seinem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung erneut verwendbar ist.

 

Rz. 21

Dies ist bei den streitbefangenen Autoteilen der Fall, weil ihnen, auch wenn sie vom Altfahrzeug getrennt werden, unverändert die Funktionen zukommen, die sie im Neuzustand hatten, und sie somit zu denselben Zwecken erneut verwendbar sind.

2.2.2.2 Die Gegenstände haben ihre Identität beibehalten

 

Rz. 22

Das Vorbringen der dänischen Regierung, die Einordnung als "Gebrauchtgegenstand" setze eine Identität zwischen dem angekauften und dem verkauften Gegenstand voraus, was beim Ankauf eines vollständigen Kraftfahrzeugs und dem Wiederverkauf von Teilen, die aus diesem Fahrzeug entnommen wurden, nicht der Fall sei, ist nicht geeignet, eine solche Auslegung in Frage zu stellen. Denn ein Kraftfahrzeug besteht aus einzelnen Teilen, die zusammengefügt wurden und daher auch wieder voneinander getrennt und in ihrem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung wiederverkauft werden können.

2.2.2.3 Vermeidung einer Doppelbesteuerung

 

Rz. 23

Die Nichtanwendung dieser Regelung auf Ersatzteile, die aus von Privatpersonen angekauften Altfahrzeugen entnommen wurden, liefe dem Ziel der Sonderregelung der Differenzbesteuerung zuwider, das nach dem 51. Erwägungsgrund der MwStSystRL u. a. darin besteht, auf dem Gebiet der Gebrauchtgegenstände Doppelbesteuerungen zwischen Steuerpflichtigen zu vermeiden.

Würden Lieferungen solcher Ersatzteile durch einen steuerpflichtigen Wiederverkäufer mit Mehrwertsteuer belegt, hätte dies nämlich eine Doppelbesteuerung zur Folge, weil

  • zum einen im Verkaufspreis dieser Teile schon zwangsläufig die beim Kauf des Fahrzeugs entrichtete Mehrwertsteuer berücksichtig wurde, und
  • zum anderen, weil dieser Betrag weder von dieser Person noch vom steuerpflichtigen Wiederverkäufer abgezogen werden konnte.

2.2.2.4 Ermittlung der Differenz

 

Rz. 24

Die dänische und die griechische Regierung weisen auf Schwierigkeiten hin, die sich bei der Bestimmung der Steuerbemessungsgrundlage der Differenz (Handelsspanne) und insbesondere des Einkaufspreises der einzelnen Ersatzteile nach Art. 315 MwStSystRL ergeben könnten.

Etwaige praktische Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Anwendung der Differenzbesteuerung können es nach Auffassung des EuGH jedoch nicht rechtfertigen, bestimmte Gruppen steuerpflichtig...

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