Rz. 163

Stand: 5. A. – ET: 12/2018

Unternehmer, die steuerfreie Umsätze mit Vorsteuerabzugsverbot tätigen, versuchen oftmals, durch besondere Sachverhaltsgestaltungen in den Genuss des Vorsteuerabzugs zu gelangen. Diese Sachverhaltsgestaltungen unterliegen der Prüfung des Rechtsmissbrauchs gemäß § 42 AO. Eine rechtsmissbräuchliche Sachverhaltsgestaltung, die zum Ausschluss des Vorsteuerabzugs führt, liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn sie weder durch wirtschaftliche noch durch sonst beachtliche außersteuerliche Gründe gerechtfertigt ist. Ertragsteuerliche Gründe, wie z. B. die Inanspruchnahme der steuerfreien Rücklage nach § 6b EStG, sind keine anzuerkennenden Rechtfertigungsgründe (vgl. zur Problematik BFH vom 09.11.2006, Az: V R 43/04, BStBl II 2007, 344). Im Urteilssachverhalt ging es um eine Bank, die Gesellschafterin einer von ihr gegründeten Personengesellschaft war und dieser im Wege der Sacheinlage ein unbebautes Grundstück übertragen hatte. Die Personengesellschaft errichtete auf diesem Grundstück ein Geschäftshaus, das speziell auf die Bedürfnisse der Bank zugeschnitten war, und vermietete das Gebäude nach dessen Fertigstellung steuerpflichtig an die Bank. Das Ziel der Vorschaltung der Personengesellschaft bestand darin, den Vorsteuerabzug aus der Errichtung des Gebäudes geltend zu machen. Ohne diese Gestaltung hätte die Bank infolge ihrer steuerfreien Ausgangsumsätze kein Recht auf Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen können. Der BFH sah in der Gestaltung einen Fall des Steuermissbrauchs, da keine außersteuerlichen Gründe ersichtlich waren.

 

Rz. 164

Stand: 5. A. – ET: 12/2018

In einem Fall zum Vorsteuerabzug aus Lieferungen in einem Umsatzsteuerkarussell hat der BFH im Anschluss an zwei Urteile des EuGH (vom 12.01.2006, Rs. C-354/03, C-355/03 und C-484/03, Optigen, EuGHW 2006, I-483, vom 06.07.2006, Rs. C-439/04 und C-440/04, Axel Kittel, UR 2006, 594) entschieden, dass Unternehmer, die alle Maßnahmen treffen, um zu gewährleisten, dass ihre Umsätze nicht zu einer Steuerhinterziehung führen, auf die Rechtmäßigkeit ihrer Umsätze vertrauen können, ohne befürchten zu müssen, ihr Vorsteuerabzugsrecht zu verlieren. Im Streitfall ging es um die Lieferung von Mobiltelefonen im Rahmen eines Umsatzsteuerkarussells. Dies liegt vor, wenn Handelsware nach einem Gesamtplan unter Einbeziehung mehrerer Unternehmer, die sich z. T. in mehreren EU-Mitgliedstaaten befinden, in einer Lieferkette verkauft wird, und ein Unternehmer planmäßig die ihm in Rechnung gestellte Vorsteuer geltend macht, seine Umsätze jedoch nicht erklärt und verschwindet, bevor es zur Steuerfestsetzung kommt. Sofern der betreffende Unternehmer nicht weiß und auch nicht wissen kann, dass er in eine Lieferkette einbezogen worden ist und daher auch die Tatpläne seiner Vor- bzw. Nachlieferanten nicht kennt, ist ihm der Vorsteuerabzug zu gewähren (vgl. BFH vom 19.04.2007, Az: V R 48/04, DStR 2007, 1524). Die Behaftung eines anderen Umsatzes in der Lieferkette mit einem Umsatzsteuerbetrug hat jedoch grundsätzlich keine Auswirkungen auf das Vorsteuerabzugsrecht. Von besonderer Bedeutung für die Gesamtbeurteilung sind die persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen der Unternehmer untereinander. Je näher sich der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer und ein Missing Trader stehen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit der Kenntnis von der Einbindung in einen Umsatzsteuerbetrug (vgl. BFH vom 19.05.2010, Az: XI R 78/07, UR 2010, 952). Zu den Grenzen für die Verfolgung von Vorsteuerbetrug bei Karusellgeschäften vgl. Spatscheck/Spilker, DB 21/2018, 1239.

 

Rz. 165

Stand: 5. A. – ET: 12/2018

Ein umsatzsteuerlicher Gestaltungsmissbrauch liegt nach Ansicht des FG Münster vor, wenn der Erwerber eines Grundstücks auf Grund der Option des Verkäufers zur Umsatzsteuer einen Vorsteuerabzug hat, diesen jedoch bewusst erst zu dem Zeitpunkt geltend macht, als feststeht, dass die Umsatzsteuerschuld des Verkäufers infolge seiner zwischenzeitlich eingetretenen Vermögenslosigkeit nicht mehr realisiert werden kann. Im Urteilsfall war der Grundstückskäufer über die schlechte Finanzlage des Verkäufers informiert (vgl. FG Münster vom 08.03.2007, Az: 5 K 1992/03 U, EFG 2007, 1562).

 

Rz. 166

Stand: 5. A. – ET: 12/2018

Aus Scheinrechnungen, denen keine tatsächlichen Leistungen zu Grunde liegen, kann kein Vorsteuerabzug geltend gemacht werden, da das UStG nur tatsächliche wirtschaftliche Vorgänge erfasst (vgl. BFH vom 10.12.2008, Az: XI R 57/06, BFH/NV 2009, 1156). Ein Vorsteuerabzug aus Scheinrechnungen im Billigkeitsweg kommt nicht in Betracht, wenn der Rechnungsempfänger die Zahlungsunfähigkeit des Rechnungsausstellers nicht belegt. (FG Berlin-Brandenburg vom 17.08.2016, Az. 7 K 7246/14, DStRE 12/2017, 749. Seit 20.10.2016 anhängig unter BFH Az. V R 50/16.)

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