Rz. 77

Stand: 5. A.

Der Deutsche Steuerberater Verband e. V. sieht die Einführung des zertifizierten Steuerpflichtigen zu Recht kritisch (vgl. DStV, Stellungnahme S 01/18 vom 16.02.2018, a. a. O.):

Zitat

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II. Der zertifizierte Steuerpflichtige als Bestandteil des Mehrwertsteuersystems ist als kritisch zu bewerten:

Die EU-Kommission plant, den sog. zertifizierten Steuerpflichtigen einzuführen. Dieser stellt ein Novum im Mehrwertsteuersystem dar. Die neuen positiv zu sehenden Provisorien sollen nur dem zertifizierten Steuerpflichtigen zugutekommen. Auch in der Übergangsphase profitiert der zertifizierte Steuerpflichtige. Als Empfänger wendet er im grenzüberschreitenden Warenverkehr das Reverse-Charge-Verfahren an. Der DStV lehnt diese Entwicklungen ab.

1. Hoher Umstellungsaufwand droht

Die Implementierung des Qualitätsmerkmals "zertifizierter Steuerpflichtiger" wird mit einem hohen Umstellungsaufwand für die Betroffenen verbunden sein. Steuerpflichtige müssen beispielsweise zunächst prüfen, ob sie die notwendigen Voraussetzungen erfüllen. Sie müssen danach ein Antragsverfahren durchlaufen und letztlich sicherstellen, dass keine Änderungen eintreten, die den Status gefährden. Das bindet Kapazitäten. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen werden hier Mühe haben, entsprechende Ressourcen vorzuhalten.

2. Zweiklasseneinteilung von Steuerpflichtigen und Wettbewerbsverzerrung zu befürchten

Die Voraussetzungen, die ein zertifizierter Steuerpflichtiger nachweisen muss, um den Status zu erlangen, sind sehr umfangreich. Kleine Unternehmen würden diese Nachweise deutlich schwerer erbringen können als große Konzernunternehmen, da sie weniger Personalressourcen haben. Kleine Unternehmen, die aufgrund des zu hohen Aufwands auf die Zertifizierung verzichten müssten, könnten darüber hinaus automatisch in Verdacht geraten, weniger zuverlässige Geschäftspartner zu sein. Dies könnte unweigerlich zu einer Benachteiligung, zum Beispiel bei etwaigen Ausschreibungsverfahren, führen. Der Rückschluss, dass gegenüber nicht zertifizierten Steuerpflichtigen erhöhtes Misstrauen geboten ist, kann eine fatale Signalwirkung im grenzüberschreitenden Warenverkehr setzen. In Folge würde statt des verfolgten Ziels, den Binnenmarkt zu stärken, die gegenteilige Wirkung erreicht. Der grenzüberschreitende Handel würde insoweit erschwert. Der DStV lehnt solche Auswirkungen ausdrücklich ab.

Die Zweiklasseneinteilung würde zu einer unnötigen Wettbewerbsverzerrung am Markt führen. Diese würde den funktionierenden Binnenmarkt einschränken. Es besteht zudem die Gefahr, dass die Mitgliedstaaten die Voraussetzungen für das Antrags- und Kontrollverfahren unterschiedlich streng auslegen. So kann es zu zusätzlichen Verzerrungen im Wettbewerb kommen.

3. Rechtsstreitigkeiten durch unklare Anforderungen zu erwarten

Auch die Voraussetzungen, die ein Steuerpflichtiger erfüllen muss, um die Zertifizierung zu erhalten, rufen mehr als nur ein Fragezeichen hervor. Sie orientieren sich stark an den Voraussetzungen des Art. 39 Buchst. a bis c des Zollkodex der Europäischen Union (UZK). Dieser regelt die Bewilligung des Status eines sog. zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten (ZWB) im Unionszollrecht.

An dieser Stelle weist der DStV darauf hin, dass das Motiv des ZWB rein zollrechtlicher Art ist. Es ist kein Instrument der Einnahmensicherung. Vielmehr dient es der Gefahrenabwehr, also der Sicherheit bei der Bewegung der Ware. Daher erscheint eine so starke Anlehnung an die Vorschriften des UZK für Zwecke der Mehrwertbesteuerung zweifelhaft.

Im Zollrecht wird die Regelung des Art. 39 UZK durch Durchführungsverordnungen ergänzt, die die Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale erleichtern. Für Zwecke der Einführung des zertifizierten Steuerpflichtigen im Mehrwertsteuersystem fehlen bislang sämtliche Konkretisierungen. Der DStV fordert hier dringend Abhilfe, falls das Merkmal des zertifizierten Steuerpflichtigen verwirklicht werden soll.

Warum bedarf es solcher Konkretisierungen? Ein Beispiel: Antragsteller dürfen zur Erreichung des Status keine schwerwiegenden oder wiederholten Verstöße gegen die steuer- oder zollrechtlichen Vorschriften sowie keine weiteren Straftaten im Rahmen ihrer Wirtschaftstätigkeit begangen haben. Für Zwecke der Mehrwertbesteuerung ist bislang völlig unklar, ab wann ein Verstoß als "schwerwiegend" zu qualifizieren ist.

Auch ist nicht klar, ob, etwa wie im Zollrecht (vgl. Art. 24 UZK-IA), unter "Antragsteller" auch leitende Angestellte in die Prüfung einbezogen werden können. Hierzu ist zu sagen, dass insbesondere die Abfrage von Steueridentifikationsnummern von Mitarbeitern im Rahmen der Neubewertung von zollrechtlichen Bewilligungen stark umstritten ist. Das Finanzgericht Düsseldorf hat in diesem Zusammenhang dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Frage vorgelegt, ob eine solche Abfrage überhaupt mit geltendem Datenschutzrecht vereinbar ist (EuGH, anhängiges Verfahren, Az. C-496/17).

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