Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorsteuerabzug aus Rückvergütungen einer Genossenschaft an ihre Mitglieder

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Beschließt eine Genossenschaft, die von ihren Mitgliedern angelieferte Milch aufbereitet, im Jahr der Vereinnahmung eines Grundstücksveräußerungspreises, neben der Auszahlung einer Dividende eine sich an der Milchliefermenge orientierende Rückvergütung, sind die in den Gutschriften ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge als Vorsteuern abziehbar, wenn die Rückvergütung als nachträgliche Erhöhung des vereinbarten Entgelts für Milchlieferungen zu beurteilen ist.

2. Für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung der Rückvergütung ist grundsätzlich auf die konkreten rechtlichen Beziehungen, nicht jedoch auf Höhe und Angemessenheit der Rückvergütung abzustellen.

3. Unerheblich ist auch, ob das Entgelt für die Rückvergütung aus dem operativen Geschäft der Genossenschaft stammt. Anders als die Verteilung des Reingewinnes – die wie im Streitfall durch die Ausschüttung einer Dividende erfolgen kann – richtet sie sich nicht nach der Anzahl der von dem Mitglied gezeichneten Geschäftsanteile oder nach der Höhe der Einzahlungen und stellt keine Form der Gewinnverteilung dar.

 

Normenkette

UStG 1999 § 17 Abs. 1 S. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 1 Abs. 1

 

Tenor

1. Unter Aufhebung des Umsatzsteuerbescheids vom 14. Juli 2006 und der Einspruchsentscheidung vom 04. Oktober 2006 wird die Umsatzsteuer für 2004 auf einen Negativbetrag von 138.958,22 EUR festgesetzt.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt das Finanzamt.

3. Die Revision wird zugelassen.

4. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist der Vorsteuerabzug aus Rückvergütungen der Klägerin an ihre Mitglieder.

Bei der Klägerin handelt es sich um eine im Jahr 1938 gegründete Genossenschaft, deren Unternehmensgegenstand im Wesentlichen darin besteht, die von ihren Mitgliedern angelieferte Milch aufzubereiten, zu lagern und zu verschiedenen Milchprodukten zu verarbeiten (vgl. § 2 Satzung der Klägerin). Nachdem der Geschäftsumfang bedingt durch den Umstrukturierungsprozess in der Landwirtschaft kontinuierlich abnahm, veräußerte die Klägerin im Jahr 2001 ein von ihr im Jahr 1940 bebautes Grundstück zu einem Kaufpreis von 2.889.866 EUR, der am 1. Oktober 2002 vereinnahmt wurde.

Für das Wirtschaftsjahr 2001 war zunächst eine Warenrückvergütung für angelieferte Milch der Genossenschaftsmitglieder von einem Pfennig je Kilogramm vereinbart worden. Am 24. Juni 2002 habe die Generalsversammlung der Genossenschaft die Auszahlung einer Dividende beschlossen, die den Mitgliedern nach Höhe ihrer Beteiligung und unabhängig von getätigten Milchlieferungen ausbezahlt wurden. Im November 2002 wurde von Vorstand und Aufsichtsrat eine zusätzliche Milchgeldnachzahlung von 30 Pfennig je Kilogramm angelieferter Milch festgelegt (TOP 2 des Protokolls vom 6. November 2002, blaue Heftung FA). Mit Datum vom 15. Dezember 2003 erteilte die Klägerin den jeweiligen Mitgliedern eine „berichtigte Abrechnung/Warenrückvergütung für das Jahr 2001” in Höhe von 30 Pfennig je angelieferte KG Milch mit Ausweis der hierauf entfallenden Mehrwertsteuer. Die Zustellung der Gutschriften erfolgte im April 2004.

Aufgrund einer Umsatzsteuersonderprüfung (Bericht vom 19. März 2004, blaue Heftung FA) erkannte das Finanzamt (FA) die von der Klägerin geltende gemachte Vorsteuer von 139.064 EUR nicht an. Das FA vertrat die Auffassung, dass das Entgelt für die Rückvergütung nicht aus dem operativen Geschäft stamme und deshalb nicht als umsatzsteuerliche Entgeltberichtigung zu behandeln sei.

Mit Bescheid vom 6. August 2004 setzte das FA die Umsatzsteuer für April 2004 auf 0 EUR, mit Bescheid vom 14. Juli 2006 die Umsatzsteuer für das Jahr 2004 auf 105,78 EUR fest.

Das dagegen gerichtete Einspruchsverfahren hatte keinen Erfolg. Mit Entscheidung vom 4. Oktober 2006 verwarf das FA den Einspruch gegen die Festsetzung der Umsatzsteuer April 2004 als unzulässig und wies den Einspruch gegen den Umsatzsteuerjahresbescheid 2004 als unbegründet zurück.

Mit der hiergegen eingelegten Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass die Erfüllung des Förderauftrags als Zweck und Ziel der Genossenschaft aufgrund der Besonderheiten des Genossenschaftsrechts im Vordergrund ihres Handelns stehe. Sie sei verpflichtet, Überschüsse an ihre Mitglieder in Form von Rückvergütungen weiterzugeben. Dabei handle es sich nach Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) um eine spezielle Form der Überschussverteilung, die sich auf die verschiedenen Geschäftssparten der Genossenschaft beziehen müsse. Im Streitfall bezögen sich die gewährten Rückvergütungen auf die Milchverwertung der Genossenschaft und damit auf die mit den Mitgliedern getätigten Umsätze. Somit liege eine nachträgliche Änderung der Bem...

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