vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch eines im Inland wohnhaften, nichtselbständig tätigen deutschen Staatsangehörigen – Berechtigung bei Zugehörigkeit des Kindes zum Haushalt der Kindesmutter in Österreich – Bedeutung der Fiktion des Art. 60 Abs. 1 Satz 2 EGV Nr. 987/2009

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Ein im Inland wohnhafter als Beamter nichtselbständig tätiger deutscher Staatsangehöriger hat für sein bei der arbeitslosen Kindesmutter in Österreich lebendes Kind Anspruch auf Kindergeld, da ungeachtet des grundsätzlich bestehenden österreichischen Kindergeldanspruchs der Kindesmutter die nach Art. 68 EGV Nr. 883/2004 bestehende Anspruchskonkurrenz dahingehend zu entscheiden ist, dass Deutschland vorrangig für die Leistungsgewährung zuständig ist.
  2. Dem Anspruch des Vaters steht die Zugehörigkeit des Kindes zum Haushalt der in Österreich lebenden Kindesmutter nicht entgegen, da diese selbst die Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 62 Abs. 1 EStG nicht erfüllt und daher keine i. S. des § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG anspruchsberechtigte Person sein kann.
  3. Art. 60 Abs. 1 Satz 2 EGV Nr. 987/2009 bezweckt nicht, den Kindergeldanspruch eines im Inland wohnhaften Erwerbstätigen unter Hinweis auf die Zugehörigkeit des Kindes zum Haushalt eines im EU-Ausland wohnenden Familienangehörigen zu schmälern oder gänzlich ausschließen..
 

Normenkette

EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1, § 64 Abs. 2 S. 1; EGV Nr. 883/2004 Art. 11 Abs. 1, 3 Buchst. b, Art. 68 Abs. 1-2; EGV Nr. 987/2009 Art. 60 Abs. 1 S. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 08.09.2016; Aktenzeichen III R 16/13)

BFH (Urteil vom 08.09.2016; Aktenzeichen III R 16/13)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger für seinen Sohn „Z” ein Kindergeldanspruch ab Mai 2010 zusteht.

Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger, hat seinen Wohnsitz in „E-Stadt” und ist hier als „Beamter” nichtselbständig tätig. Er ist der Vater des am „...”.20”XX” geborenen „Z”, der bei seiner arbeitslosen Mutter in Österreich lebt. Die Kindesmutter hat in Österreich Anspruch auf Familienleistungen.

Nachdem der Kläger im Rahmen eines vor dem 10. Senat des FG Düsseldorf geführten Verfahrens Kindergeld für seinen Sohn für die Zeit bis November 2007 erstritten hatte, stellte er im Dezember 2010 bei der Familienkasse den Antrag, ihm Kindergeld auch für die Zeit ab Dezember 2007 zu gewähren. Mit Bescheid vom 26.05.2011 gab die Kasse diesem Antrag für die Zeit bis April 2010 statt. Für die Zeit ab Mai 2010 lehnte sie den Antrag hingegen mit der Begründung ab, dass der Kindesmutter wegen der Haushaltsaufnahme des Kindes gemäß § 64 des EinkommensteuergesetzesEStG – der vorrangige Anspruch auf Kindergeld zustehe.

Dagegen hat der Kläger nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage erhoben. Er meint, die Leistungsverweigerung sei rechtswidrig. Dies gelte zum einen, weil er sich nach der mündlichen Verhandlung in dem finanzgerichtlichen Verfahren 10 K 4771/07 Kg auf Bestands- und Vertrauensschutz berufen könne. Darüber hinaus schlage aber auch die Argumentation der Beklagten fehl, dass sein Anspruch wegen der Haushaltsaufnahme durch die Mutter ausgeschlossen sei. Nach dem Obhutsprinzip sei er sehr wohl der Berechtigte, weil er durch höchst umfangreiche Unterhaltsleistungen am meisten mit dem Kindesunterhalt belastet sei. Auch die Änderungen des EU-Rechts führten zu keinem anderen Ergebnis. Die zeitliche Anwendbarkeit dieser Änderungen werde im Übrigen auch bestritten.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.05.2011 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 25.07.2011 zu verpflichten, Kindergeld auch für den Zeitraum ab Mai 2010 zu gewähren.

Die Beklagte, die an ihrer Auffassung festhält, beantragt

Klageabweisung, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Das Gericht hat die Gerichtsakte 10 K 4771/07 Kg zum Verfahren beigezogen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der Kläger hat für seinen Sohn „Z” in Deutschland ab Mai 2010 Anspruch auf Kindergeld (§ 101 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO -).

Der Kläger hat seinen Wohnsitz im Inland (§ 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG), der Sohn hat seinen Wohnsitz in Österreich, also in einem Mitgliedstaat der EU (§ 63 Abs. 1 Satz 3 EStG). Er ist als Minderjähriger auch berücksichtigungsfähig (§ 32 Abs. 3 EStG).

Für den Kläger ist auch ausschließlich deutsches Recht anzuwenden, denn er ist in Deutschland als Beamter tätig (vgl. Art. 11 Abs. 1, Abs. 3 Buchst. b EU-VO Nr. 883/2004).

Dem inländischen Kindergeldanspruch des Klägers steht der grundsätzlich bestehende österreichische Kindergeldanspruch der Kindesmutter nicht entgegen. Die nach Art. 68 EU-VO Nr. 883/2004 bestehende Anspruchskonkurrenz ist dahingehend zu entscheiden, dass Deutschland vorrangig für die Leistungsgewährung zuständig ist. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass der Kindergeldanspruch des Klägers im Gegensatz zu dem der Kindesmutter nicht nur durch den Wohnort, sondern auch durch seine Erwerbstätigkeit in D...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Basic. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge