Leitsatz

Empfänger nach Deutschland geschmuggelter Zigaretten und damit Steuerschuldner kann nach § 19 Satz 2 TabStG auch derjenige sein, der die Zigaretten erst nach der Beendigung des Vorgangs des Verbringens von einer daran beteiligten Person bezogen und in Besitz genommen hat.

 

Normenkette

§ 19 Satz 2 TabStG a.F., § 370 Abs. 1 Nr. 2, § 374 AO, Art. 6 Abs. 1, Art. 7, Art. 9 Abs. 1 Richtlinie 92/12/EWG

 

Sachverhalt

Der Kläger wurde mit rechtskräftigem Urteil wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in vier Fällen zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Nach den Fest­stellungen des Strafgerichts hatte er von einer Schmugglerorganisation mehrfach geschmuggelte Zigaretten übernommen, um sie weiterzuverkaufen. Das HZA nahm den Kläger gesamtschuldnerisch mit drei weiteren Schuldnern wegen Tabaksteuer in Anspruch.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG urteilte, der Steueranspruch ergebe sich aus § 19 Satz 1 TabStG a.F. Im Streitfall seien Zigaretten ohne deutsche Steuerzeichen außerhalb eines Steueraussetzungsverfahrens zu gewerblichen Zwecken aus einem anderen Mitgliedstaat in das deutsche Steuergebiet verbracht worden. Der Kläger habe die Zigaretten als Empfänger in Besitz genommen, sodass er nach § 19 Satz 2 TabStG a.F. Steuerschuldner geworden sei (FG Hamburg, Urteil vom 24.5.2011, 4 K 30/11, Haufe-Index 2731551).

 

Entscheidung

Aus den in den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen hat der BFH die Revision des Klägers zurückgewiesen.

 

Hinweis

1. Werden Tabakwaren aus dem steuerrechtlich freien Verkehr eines Mitgliedstaats der EU in unzulässiger Weise (d.h. ohne Verwendung deutscher Steuerzeichen) zu gewerblichen Zwecken nach Deutschland verbracht oder versandt ("geschmuggelt"), entsteht die Tabaksteuer. Nach § 19 Satz 2 TabStG a.F. (jetzt neu geregelt in § 23 Abs. 1 TabStG) war Steuerschuldner neben demjenigen, der verbringt oder versendet, auch der Empfänger, sobald er Besitz an den Tabakwaren erlangt hat.

Nach der Rechtsprechung des BFH kann "Empfänger" i.S. vorgenannter Vorschrift auch derjenige sein, der zuvor in das Steuergebiet geschmuggelte und dort bereits befindliche Tabakwaren vom Verbringer oder Versender übernimmt, sie also von diesem in Empfang nimmt, um sie im Steuergebiet an andere Personen zu veräußern. Als Empfänger kann danach jede Person verstanden werden, an die etwas gerichtet ist bzw. der etwas übermittelt wird. Bei der Bestimmung des verbrauchsteuerrechtlichen Abgabenschuldners geht es darum, denjenigen in Anspruch nehmen zu können, in dessen unmittelbarer Obhut sich eine Ware befindet und der daher anhand objektiver Umstände leicht ausgemacht werden kann.

2. Der BGH sieht dies etwas anders, wenn es um die Frage geht, wer im Zusammenhang mit nach Deutschland geschmuggelten Zigaretten eine Steuerhinterziehung begangen hat (BGH, Urteil vom 2.2.2010, 1 StR 635/09, BFH/NV 2010, 1405): Danachkommt als Steuerhinterzieher in Betracht, wer eine Steuererklärung hätte abgeben müssen, d.h. nach § 19 Satz 3 TabStG a.F. der Steuerschuldner, also die in § 19 Satz 2 TabStG a.F. genannten Verbringer, Versender und Empfänger. Steuerschuldner i.S. dieser Vorschrift (so der BGH) könne aber nicht derjenige Empfänger sein, der den Besitz an den Tabakwaren erst dann erlange, wenn der Verbringungs- bzw. Versendungsvorgang bereits beendet sei, wenn also die Tabakwaren nach dem Schmuggel in Sicherheit gebracht und "zur Ruhe gekommen" seien.

3. Der BFH hat sich in Anbetracht dieser BGH-Auslegung veranlasst gesehen, im Streitfall ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH mit der Frage zu richten, in welcher Weise die verbrauchsteuerrechtlichen Vorschriften des Unionsrechts (Richtlinie 92/12/EWG) den Steuerschuldner in Fällen wie den vorliegenden bestimmen (BFH, Beschluss vom 12.12.2012, VII R 44/11, BFH/NV 2013, 860).

Der EuGH hat auf diese Frage (EuGH, Urteil vom 3.7.2014, C-165/13, Gross, Haufe-Index 6993849, ZfZ 2014, 253) geantwortet, Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 92/12/EWG erlaube es, denjenigen als Schuldner der Verbrauchsteuer zu bestimmen, der zu gewerblichen Zwecken verbrauchsteuerpflichtige Waren in Besitz hält, die in einem anderen Mitgliedstaat in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt worden sind, selbst wenn diese Person nicht der erste Besitzer der Waren im Bestimmungsland sei.

4. Nach Auffassung des BFH ist der Leitsatz dieses EuGH-Urteils vorsichtiger formuliert als dessen Begründung, der in deutlicherer Weise zu entnehmen ist, dass eine Beschränkung des Schuldners der Verbrauchsteuer auf den ersten Besitzer der Waren im Steuergebiet im Widerspruch zum Zweck der RL 92/12/EWG stünde, die Mitgliedstaaten somit keine nationale Regelung treffen dürfen, die es ausschließt, Personen als Schuldner der Verbrauchsteuer in Anspruch zu nehmen, die nicht die ersten Besitzer der Waren im Bestimmungsland gewesen sind.

Damit sei (so der BFH) die gebotene richtlinienkonforme Auslegung des § 19 Satz 2 TabStG a.F. geklärt und die abweichende Ansicht des BGH jedenfalls aus verbrauchsteuerrechtlicher Sicht als überholt...

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