Leitsatz

Verwendet eine Stadt ihren Marktplatz sowohl für wirtschaftliche wie auch für hoheitliche Zwecke, kann sie diesen nicht in vollem Umfang ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zuordnen und ist deshalb nur anteilig zum Vorsteuerabzug berechtigt.

 

Normenkette

§ 15 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4, § 2 Abs. 1 und Abs. 3 UStG, Art. 16 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1, Art. 168 Buchst. a, Art. 173 Abs. 2 Buchst. c EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine Stadt mit staatlicher Anerkennung als Heilbad und dem Recht, die Bezeichnung "Bad" im Stadtnamen zu führen. In den Streitjahren 2009 und 2010 errichtete die Klägerin in der Stadtmitte auf dem Gelände eines ehemaligen Supermarktes einen als "Marktplatz" bezeichneten Platz, bestehend aus einer Bühnenanlage mit Zuschauertribüne, Ruhebänken sowie einem Geräte‐ und Abstellraum. Weiterhin wurden Basaltsäulen errichtet und Hinweistafeln angebracht, die über die Bedeutung des Badeortes informieren. Schließlich ließ die Klägerin einen Wasserlauf mit zwei Brunnen erstellen, den Platz entsprechend befestigen, gärtnerisch gestalten und teilweise umzäunen. Im Zuge der Baumaßnahmen wurde auf dem an den Marktplatz angrenzenden Kurpark eine öffentliche Toilettenanlage errichtet. Nach Abschluss der Baumaßnahmen wurde der Marktplatz im Frühjahr 2010 im Rahmen eines Bürgerfestes eingeweiht. Die Klägerin machte den Abzug der auf die Umbaukosten für den Marktplatz in 2009 (120.541,65 EUR) und in 2010 (10.462,34 EUR) entfallenen Vorsteuerbeträge geltend. Dem folgte das FA nicht. Es fehle an einem hinreichenden objektiven Zusammenhang der Nutzung des Marktplatzes im Rahmen des Betriebs gewerblicher Art "Kurbetrieb". Das FG wies die Klage ab, da die Klägerin eine Zuordnung nicht rechtzeitig dokumentiert habe (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 9.6.2016, 6 K 1797/13, Haufe-Index 10148943, EFG 2017, 244).

 

Entscheidung

Der BFH hob das Urteil des FG auf und wies die Sache an das FG zurück. Das FG habe den Vorsteuerabzug zu Unrecht mit der Begründung versagt, dass es an einer rechtzeitigen Dokumentation einer Zuordnungsentscheidung fehle. Die Sache sei nicht spruchreif. Die Feststellungen des FG reichten nicht aus, um beurteilen zu können, ob die Klägerin aus den Kosten für die Errichtung und Gestaltung des sog. Marktplatzes einen (anteiligen) Vorsteuerabzug geltend machen könne.

 

Hinweis

1. Bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts (jPdöR) erfordert der Vorsteuerabzug bei einer gemischten Verwendung für Zwecke des Unternehmens und für Hoheitszwecke keine zeitnahe Dokumentation einer Zuordnungsentscheidung. Diese hat der Unternehmer für Zwecke des Vorsteuerabzugs nur zu treffen und zu dokumentieren, wenn ein Zuordnungswahlrecht besteht. Das Zuordnungswahlrecht besteht nur im Fall einer privaten Mitverwendung eines unternehmerisch genutzten Gegenstandes und somit nicht bei einer Mitverwendung für Hoheitszwecke.

2. Der BFH ist früher davon ausgegangen, dass bei einer jPdöR auch ein Kurbetrieb zum Unternehmen gehören kann (BFH, Urteil vom 26.4.1990, V R 166/84, BFHE 161, 182, BStBl II 1990, 799; BFH, Urteil vom 1.10.1981, V R 34/76, UR 1982, 32; BFH, Urteil vom 18.8.1988, V R 18/83, BFHE 154, 269, BStBl II 1988, 971). Dies beruhte auf einer körperschaftsteuerrechtlich geprägten Sichtweise, die auch für ­das Umsatzsteuerrecht als maßgebend angesehen ­wurde.

Demgegenüber geht der BFH in nunmehr ständiger Rechtsprechung davon aus, dass eine jPdöR unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben nur Unternehmer ist, wenn sie eine wirtschaftliche und damit nachhaltige Tätigkeit zur Erbringung entgeltlicher Leistungen (wirtschaftliche Tätigkeit) ausübt, die sich innerhalb ihrer Gesamtbetätigung heraushebt. Handelt sie dabei auf privatrechtlicher Grundlage durch Vertrag, kommt es auf weitere Voraussetzungen nicht an. Handelt sie dagegen auf öffentlich-rechtlicher Grundlage, ist sie nur Unternehmer, wenn eine Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen füh­ren würde (BFH, Urteil vom 15.4.2010, V R 10/09, BFH/NV 2010, 1574, BFH/PR 2010, 383, BFHE 229, 416: BFH, Urteil vom 1.12.2011, V R 1/11, BFH/NV 2012, 534, BFH/PR 2012, 121, BFHE 236, 235).

3. Ist eine jPdöR mit einem Kurbetrieb nach Maßgabe der vorstehenden Kriterien für Zwecke der Umsatzsteuer unternehmerisch tätig, richtet sich die Möglichkeit eines Vorsteuerabzugs aus Investitionskosten danach, ob der hierfür erforderliche direkte und unmittelbare Zusammenhang zum Kurbetrieb besteht. Geht es um Kosten für die Herstellung eines Marktplatzes, der der Öffentlichkeit zur Nutzung offensteht, spricht dies gegen einen derartigen Zusammenhang, sodass eine Sondernutzung durch Kurgäste ausgeschlossen sein dürfte. Gegen den Zusammenhang kann auch anzuführen sein, dass die Errichtung und die hier aufgewendeten Kosten ohne Einfluss auf die Höhe des Kurbeitrags sind.

4. Wäre ein Zusammenhang zur hoheitlichen Überlassung an die Öffentlichkeit wie auch ein Zu­sammenhang zum Kurbetrieb zu bejahen, käme es zu einer Vorsteueraufteilung...

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