Leitsatz

1. Übernachtet ein Kraftfahrer in der Schlafkabine seines Lkw, sind die Pauschalen für Übernachtungen bei Auslandsdienstreisen nicht anzuwenden. Liegen Einzelnachweise nicht vor, sind die tatsächlichen Aufwendungen zu schätzen.

2. Bei Kraftfahrern im Fernverkehr erfüllen weder der Lkw-Wechselplatz noch das Fahrzeug die Merkmale einer regelmäßigen Arbeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG.

 

Normenkette

§ 9 Abs. 1 Satz 1, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG

 

Sachverhalt

K war im internationalen Fernverkehr als Fernfahrer in Deutschland, Dänemark, Schweden, Belgien, Niederlande, Luxemburg, Frankreich und Spanien tätig. Er konnte in der Schlafkabine seines Lkw ­übernachten. Mit seiner ESt-Erklärung machte er u.a. Übernachtungspauschalen in Höhe von 5 EUR für 220 Tage = 1.100 EUR und teilweise Fahrten zum Lkw-Wechselplatz nach Dänemark als Reisekosten (8 Monate × 4 Fahrten x 132 km × 2 × 0,30 EUR = 2.534,40 EUR) geltend. Das FA berücksichtigte die Übernachtungspauschalen nicht und behandelte die Fahrten zum Lkw-Wechselplatz als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (8 × 4 × 132 km × 0,30 EUR = 1.267,20 EUR). Ks Klage, bei der es nur noch um die Übernachtungskosten ging, war erfolglos (FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 30.6.2011, 5 K 108/10, Haufe-Index 2802501, EFG 2012, 31).

 

Entscheidung

Der BFH hob aus den unter den Praxis-Hinweisen erläuterten Erwägungen die Vorentscheidung auf. Das FG wird nun im zweiten Rechtsgang schätzen und die neue Rechtsprechung zur regelmäßigen Arbeitsstätte anwenden müssen.

 

Hinweis

Der Besprechungsfall handelt von der jedenfalls für das Speditionsgewerbe nicht unwichtigen Frage, welche Werbungskosten typischerweise Fernfahrern entstehen und damit letztlich auch, welche Reisekosten ihnen der Arbeitgeber steuerfrei erstatten kann.

1. Zu den nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG als Werbungskosten grundsätzlich abziehbaren beruflich veranlasste Reisekosten gehören auch Übernachtungskosten. Die Pauschalen für "Übernachtungen im Ausland" (H 40 LStH) kamen allerdings hier ersichtlich nicht in Betracht. Denn sie sind nur anzuwenden, soweit sie nicht zu einer offensichtlich unzutreffenden Steuerfestsetzung führen. Davon war hier auszugehen. Weitere Beispiele dazu finden sich auch in der jüngeren Rechtsprechung (BFH, Beschlüsse vom 9.5.2005, VI B 3/05, BFH/NV 2005, 1550; vom 12.11.2009, VI B 66/09, BFH/NV 2010, 884; Urteil vom 8.7.2010, VI R 24/09, BFH/NV 2011, 112, BFH/PR 2011, 42).

2. Führen Pauschalen zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung, bedeutet dies allerdings nicht, dass ein Werbungskostenabzug deshalb grundsätzlich ausgeschlossen ist. Denn dann kommen die allgemeinen Grundsätze zur Anwendung. Sind Aufwendungen dem Grunde nach unstreitig entstanden, ist deren Höhe zu schätzen. Das führt hier dazu, dass typischerweise entstehende Kosten, hier etwa Dusche, Toilette, Reinigung der Schlafgelegenheit, auch anzusetzen sind. Beachten Sie: Der BFH gibt hierfür auch gleich den Fingerzeig, dass 5 EUR täglich nicht überhöht erscheinen.

3. Der Besprechungsfall liefert dann noch ein weiteres Anschauungsbeispiel für die Anwendung der neuen Rechtsgrundsätze zur regelmäßigen Arbeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG. Wie schon in den Urteilen zu Rettungsassistenten und Feuerwehrmännern, die in Notarztwagen zum Einsatz kommen (BFH, Urteile vom 19.1.2012, VI R 36/11, BFH/NV 2012, 837, BFH-PR 2012, 180 und VI R 23/11, BFH/NV 2012, 845, BFH-PR 2012, 181), war hier auch der Fernfahrer nicht in einer betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers eingesetzt. Und der Lkw-Wechselplatz, der hier nicht dem Arbeitgeber zugeordnet war, wäre auch dann keine regelmäßige Arbeitsstätte gewesen, wenn er eine Einrichtung des Arbeitgebers gewesen wäre. Denn der Fernfahrer erbringt den Schwerpunkt seiner Tätigkeit offensichtlich nicht am Lkw-Wechselplatz, sondern eben auf der Straße im Lkw selbst.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 28.3.2012 – VI R 48/11

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