Rz. 163

[Autor/Stand] Grundsätzlich können nur Verkäufe berücksichtigt werden, die weniger als ein Jahr vor dem Bewertungsstichtag erzielt worden sind.

 

Rz. 164

[Autor/Stand] Stichtag für die Bewertung von Wertpapieren und Anteilen an Kapitalgesellschaften für Zwecke der Vermögensteuer bis zum Veranlagungszeitpunkt 1.1.1995 und der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens, solange Gewerbekapitalsteuer erhoben wurde, war jeweils der 31. Dezember eines Kalenderjahres (§ 112 BewG a.F.). Für die Festsetzung der Erbschaft- und der Schenkungsteuer ist Bewertungsstichtag der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§§ 11, 1 Abs. 2 ErbStG). Während Börsenkurse für Wertpapiere, die zum Börsenhandel zugelassen sind, regelmäßig zu diesen Stichtagen festgesetzt sind, finden Verkäufe von Anteilen an Kapitalgesellschaften regelmäßig nicht an diesen Stichtagen statt. Die Rechtslage über den Zeitpunkt der Verkäufe, von denen der gemeine Wert zum Stichtag abzuleiten ist, ist vor der Änderung des § 11 BewG durch das VStRG vom 17.4.1974 und nach dem Wirksamwerden dieses Gesetzes (mit Wirkung ab dem 1.1.1974) verschieden.

 

Rz. 165

[Autor/Stand] Bis zum 31.12.1972 bestand keine zeitliche Grenze dahin, wie weit ein Verkaufsfall vor dem maßgebenden Stichtag liegen darf, um als Bewertungsgrundlage dienen zu können. Aufgrund der Rechtsprechung mussten die Verkaufsfälle jedoch "zeitnah zum Stichtag" oder "stichtagsnah" liegen.[4] In diesem Kommentar und zum Teil durch die Rechtsprechung der Finanzgerichte wurde die Auffassung vertreten, dass Verkäufe, die länger als ein Jahr vor dem Stichtag liegen, nicht Bewertungsgrundlage sein können.[5]

 

Rz. 166

[Autor/Stand] Aufgrund der ab 31.12.1973 geltenden Fassung des § 11 Abs. 2 BewG dürfen für die Ableitung des gemeinen Wertes aus Verkäufen nur solche Verkäufe herangezogen werden, die weniger als ein Jahr, vom Stichtag an gerechnet, zurückliegen.

a) Jahresfrist – Ableitung des Werts eines GmbH-Anteils aus einem Verkauf

 

Rz. 167

[Autor/Stand] Fall: Die Klägerin ist die Miterbin ihrer Ende Dezember 2002 verstorbenen Mutter (Erblasserin). Zum Nachlass gehörten Anteile an einer GmbH, die aufgrund einer Betriebsaufspaltung zum (Sonder-)Betriebsvermögen einer Besitz-Personengesellschaft rechneten. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 27.11.2001 hatte der Gesellschafter X seine Geschäftsanteile an der GmbH i.H.v. nominell 3 000 DM (= 6 % des Stammkapitals) zum Preis von 750 000 DM mit Wirkung zum 31.12.2001 an die Erblasserin verkauft und abgetreten. In der Urkunde heißt es, der Kaufpreis sei nach dem Stuttgarter Verfahren ermittelt worden. Das Finanzamt legte der Erbschaftsteuerfestsetzung den aus dem Verkauf zwischen X und der Erblasserin abgeleiteten gemeinen Wert zugrunde. Klage[8] und Revision der Klägerin blieben erfolglos.

Der BFH[9] führte im Wesentlichen aus: Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 BewG i.d.F. vor 2009 (a.F.) seien Anteile an Kapitalgesellschaften, für die ein Börsenkurs nicht bestehe, mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Lasse sich der gemeine Wert nicht aus Verkäufen ableiten, die weniger als ein Jahr zurücklägen, so sei er unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft zu schätzen (§ 11 Abs. 2 Satz 2 BewG a.F.). Die Ermittlung des gemeinen Werts aufgrund von Verkäufen setze voraus, dass diese weniger als ein Jahr vor dem Bewertungsstichtag stattgefunden hätten. Die Jahresfrist sei – ausgehend vom Bewertungsstichtag – nach § 108 AO i.V.m. §§ 187 ff. BGB rückwärts zu berechnen. Der in § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG a.F. verwendete Begriff "Verkäufe" stelle auf den Abschluss der schuldrechtlichen Verträge, also auf den jeweiligen Kaufvertrag i.S.d. § 433 BGB ab.[10] Eine Ausnahme gelte jedoch für Sachverhalte, bei denen der Vertragsschluss kurze Zeit (d.h. innerhalb einer nach Wochen zu bemessenden Zeitspanne) vor dem nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG a.F. maßgeblichen Zeitraum stattgefunden habe und die Vertragsbeteiligten im Kaufvertrag den Kaufpreis für die nicht notierten Anteile an einer Kapitalgesellschaft nach einem Zeitpunkt bemessen hätten, der innerhalb des Zeitraums des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG a.F. liege. Diese Ausnahme sei im Hinblick darauf gerechtfertigt, dass § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG a.F. die Ermittlung des Werts nicht notierter Anteile vorrangig an der Wertbestätigung am Markt ausrichten wolle. Werde dem Verkauf ein Preis zugrunde gelegt, der für einen Zeitpunkt innerhalb des Zeitraums des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG a.F. bestimmt werde, könne aus diesem Preis auch der Wert für den späteren Stichtag abgeleitet werden.

Für die Ableitung des gemeinen Werts nicht notierter Anteile genüge auch der Verkauf eines einzigen Anteils, wenn Gegenstand dieses Verkaufs nicht nur ein Zwerganteil sei, dessen Verkaufspreis für den gemeinen Wert der übrigen Anteile nur einen begrenzten Aussagewert habe.[11] Von einem Zwerganteil sei die Rechtsprechung bisher in Fällen ausgegangen, in denen ein nur unbedeutender Teil eines Geschäftsanteils an einer GmbH verkauft worden sei (wird n...

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