Rz. 1139

Die EU-Kommission hat am 18.1.2018 einen neuen Richtlinienvorschlag zur Modernisierung der ermäßigten Mehrwertsteuersätze vorgelegt.[1] Danach sollen die EU-Mitgliedstaaten zwar weiterhin nur 2 ermäßigte Steuersätze anwenden können, die mindestens 5 % betragen müssen.[2]

Darüber hinaus würde das Unionsrecht den Mitgliedstaaten, aber auch die Einführung eines superermäßigten Steuersatzes (unter 5 %) erlauben, sowie die Einführung eines sog. Nullsatzes, also einer Steuerbefreiung mit Vorsteuerabzug.[3]

 

Rz. 1140

Im Gegensatz zum bisherigen Recht wäre die Anwendung ermäßigter Steuersätze aber nicht mehr nur auf bestimmte Umsätze beschränkt. Der bisherige Anhang III MwStSystRL soll gestrichen werden, mit der Folge, dass der Anwendungsbereich ermäßigter Steuersätze den Mitgliedstaaten völlig offen steht. Lediglich nach Art. 98 Abs. 3 Unterabs. 2 MwStSystRL i. V. m. einem neuen Anhang IIIa MwStSystRL soll ein Umsatzkatalog geschaffen werden, für den die Anwendung ermäßigter Steuersätze nicht gestattet ist. Hierunter fallen u. a. Leistungen, die der Differenzbesteuerung unterliegen, wie Reiseleistungen, Lieferungen von Gebrauchtgegenständen, Lieferungen bei Auktionen, Lieferungen von Edelmetallen, Juwelen und Schmuck, Lieferungen alkoholischer Getränke und von Tabakerzeugnissen, Lieferungen, Vermietungen und Reparaturen von Fahrzeugen, ausgenommen bestimmte Fahrzeuge für soziale Zwecke, Lieferungen von Kraftstoff, Öl, Gas und Schmierölen, Waffen, Munition, von Datenverarbeitungsgeräten, elektronischen und optischen Erzeugnissen, Uhren, Elektrogeräten, Möbeln, Musikinstrumenten, Kunstgegenständen sowie Finanz- und Versicherungsdienstleistungen und Spiel- und Wettdienstleistungen.

 

Rz. 1141

Diese Liste enthält nach dem Kommissionsvorschlag die verbrauchsteuerpflichtigen Gegenstände sowie Gegenstände und Dienstleistungen, bei denen die Anwendung von ermäßigten Sätzen oder einem Nullsatz zu Wettbewerbsverzerrungen führen könnte. Die Liste soll gemäß der statistischen Güterklassifikation in Verbindung mit den Wirtschaftszweigen strukturiert sein und wurde um bestimmte Verbrauchsgüter ergänzt, um die größere Flexibilität für die Mitgliedstaaten auszugleichen. Der neue Art. 98 Abs. 3 MwStSystRL soll regeln, dass die Mitgliedstaaten darauf achten müssen, dass die ermäßigten Sätze und der Nullsatz den Endverbrauchern zugutekommen und im allgemeinen Interesse sind. Der "Endverbraucher" ist nach dem Kommissionsvorschlag die Person, die Gegenstände oder Dienstleistungen für den persönlichen Gebrauch (im Gegensatz zu einer wirtschaftlichen Tätigkeit) erwirbt und daher die Steuerschuld trägt. Daher sollen derartige Sätze nicht auf Leistungen angewendet werden dürfen, die nur als Zwischenprodukt genutzt werden. Dadurch werde die Anwendung auf Leistungen nicht ausgeschlossen, die als Zwischenprodukt genutzt werden, wenn diese Gegenstände oder Dienstleistungen i. d. R. an Endverbraucher verkauft werden. In diesem Zusammenhang bleibt aber unklar, ob die ermäßigten Steuersätze bzw. der Nullsatz tatsächlich nur auf der Endhandelsstufe angewandt werden dürfen und nicht auch bei B2B-Umsätzen. Wäre dies der Fall, müsste der Unternehmer bei jedem Umsatz wissen, ob sein Kunde ein Abnehmer ist, der die Leistung für sein Unternehmen verwendet, oder ein Endverbraucher.

 

Rz. 1142

Nach dem neuen Art. 99a MwStSystRL sollen die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, dass bei der Festsetzung des Normalsteuersatzes (der mindestens 15 % betragen muss) und der ermäßigten Steuersätze sichergestellt sein muss, dass der nach Art. 4 der VO (EWG, Euratom) Nr. 1553/89 berechnete gewogene mittlere Satz stets mehr als 12 % beträgt. Der gewogene mittlere Mehrwertsteuersatz eines Mitgliedstaats soll nach dem Kommissionsvorschlag alle geltenden Steuersätze berücksichtigen. Jeder Steuersatz solle entsprechend dem wertmäßigen Anteil der Umsätze, auf die dieser Steuersatz angewendet wird, als Prozentsatz des steuerpflichtigen Gesamtumsatzes gewogen werden. Der gewogene mittlere Satz funktioniert als Einnahmenschutz, weil bei der Berechnung nur diejenigen Umsätze berücksichtigt werden sollen, für die kein Vorsteuerabzug möglich ist. Dazu gehören hauptsächlich Leistungen an Endverbraucher, aber auch Leistungen an nichtunternehmerische Wirtschaftsbereiche wie öffentliche Einrichtungen.

 

Rz. 1143

Weiter enthält der Kommissionsvorschlag die Abschaffung aller derzeit bestehenden Übergangsregelungen für einzelne Mitgliedstaaten betreffend ermäßigte Steuersätze. Die Art. 101, 102, 103 und 104a MwStSystRL sollen gestrichen werden, weil deren Bestimmungen durch die neuen Vorschriften überflüssig werden. Die Art. 94, 316 Abs. 1 Buchst. c, 378 Abs. 2 Buchst. b und Art. 387 MwStSystRL sollen infolge der Aufnahme von Lieferungen im Rahmen der Differenzbesteuerung für Gebrauchtgegenstände, Kunstgegenstände und Sammlungsstücke in den neuen Anhang IIIa MwStSystRL gestrichen werden. Die EU-Kommission ist der Auffassung, dass in einem endgültigen Mehrwertsteuersystem für alle Mitgliedstaat...

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