Rz. 737

Kernelemente sind die unionsweite Festlegung eines Umsatzhöchstbetrages von 85.000 EUR, bis zu dem die Mitgliedstaaten kleine Unternehmen von der MwSt befreien können, sowie die Ausdehnung der nationalen Kleinunternehmerregelungen auf Unternehmer aus anderen EU-Mitgliedstaaten. Damit bleibt es eine nationale Entscheidung, ob und in welcher Höhe (bis zum Maximalbetrag) Kleinunternehmen befreit werden. Gibt es aber eine solche Befreiung, steht sie unter denselben Bedingungen auch Unternehmen aus dem europäischen Ausland offen.

Zentraler Punkt der Regelung ist der neu gefasste Art. 284 MwStSystRL. Danach können (optionale Regelung) die Mitgliedstaaten die Lieferung von Gegenständen und die Dienstleistungen in ihrem Hoheitsgebiet, die von in diesem Hoheitsgebiet ansässigen Unternehmern bewirkt werden, deren diesen Umsätzen zuzurechnender Jahresumsatz in diesem Mitgliedstaat den für die Anwendung dieser Steuerbefreiung von diesen Mitgliedstaaten festgelegten Schwellenwert nicht übersteigt, von der Steuer befreien. Dieser Schwellenwert darf 85.000 EUR oder den Gegenwert in Landeswährung nicht übersteigen. Die Mitgliedstaaten können anhand objektiver Kriterien unterschiedliche Schwellenwerte für verschiedene Wirtschaftsbereiche festlegen. Keiner dieser Schwellenwerte darf jedoch 85.000 EUR oder den Gegenwert in Landeswährung übersteigen. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass ein Unternehmer, der für die Inanspruchnahme mehrerer sektorspezifischer Schwellenwerte infrage kommt, nur einen dieser Schwellenwerte in Anspruch nehmen kann. Bei den von einem Mitgliedstaat festgelegten Schwellenwerten wird nicht zwischen in dem Mitgliedstaat ansässigen und nicht in dem Mitgliedstaat ansässigen Unternehmern unterschieden (Art. 284 Abs. 1 MwStSystRL).

Nach dieser Regelung könnte Deutschland die bisherige Schwelle von 22.000 EUR für in Deutschland ansässige Kleinunternehmen auf bis zu 85.000 EUR anheben, was wegen der damit verbundenen Haushaltsmindereinnahmen fiskalisch aber kaum denkbar ist.

 

Rz. 738

Mitgliedstaaten, die eine Steuerbefreiung nach Art. 284 Abs. 1 MwStSystRL eingeführt haben, gewähren diese Steuerbefreiung auch für Umsätze, die in ihrem eigenen Hoheitsgebiet durch in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Unternehmmer bewirkt werden, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind (Art. 284 Abs. 2 MwStSystRL):

  1. der Jahresumsatz dieses Steuerpflichtigen in der Unionübersteigt 100.000 EUR nicht;
  2. der Betrag der Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen in dem Mitgliedstaat, in dem der Steuerpflichtige nicht ansässig ist, übersteigt nicht den Schwellenwert, der in diesem Mitgliedstaat für die Gewährung der Steuerbefreiung für in diesem Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige gilt.

Nach dieser Regelung muss Deutschland, da es eine Kleinunternehmergrenze kennt, die Kleinunternehmerregelung auch auf nicht in Deutschland aber in anderen EU-Mitgliedstaaten ansässige Unternehmer (auf deren Antrag im Ansässigkeitsstaat) anwenden, wenn der Jahresumsatz des Unternehmers in der gesamten Union nicht mehr als 100.000 EUR beträgt und der Jahresumsatz dieses Unternehmers in Deutschland nicht die in Deutschland geltende Kleinunternehmerschwelle übersteigt. Ein in Deutschland ansässiger Kleinunternehmer darf aber (wenn er hinsichtlich seiner Umsätze in Deutschland den deutschen Schwellenwert nicht überschreitet) nach wie vor die deutsche Kleinunternehmerregelung anwenden, auch wenn sein Gesamtumsatz den unionsweiten Schwellenwert (100.000 EUR) übersteigt.

Ungeachtet des Art. 292b MwStSystRL[1] muss ein Unternehmer, um die Steuerbefreiung in dem Mitgliedstaat, in dem er nicht ansässig ist, in Anspruch nehmen zu können,

  1. den Mitgliedstaat der Ansässigkeit vorab benachrichtigen, und
  2. darf nur in dem Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, in Bezug auf die Anwendung der Steuerbefreiung identifiziert werden.
 

Rz. 739

Die Mitgliedstaaten können dazu die individuelle MwSt‐Identifikationsnummer, die dem Unternehmer für die Erfüllung seiner Pflichten aufgrund des internen Systems bereits zugeteilt wurde, verwenden oder auf die Struktur einer MwSt-Nummer oder einer anderen Nummer für die Zwecke der Identifizierung nach dem vorstehenden Buchstaben b zurückgreifen. Die individuelle Identifikationsnummer muss das Suffix "EX" umfassen, oder dieses Suffix "EX" ist an diese Nummer anzufügen (Art. 284 Abs. 3 MwStSystRL). Diese Regelung bedeutet, dass Unternehmer, die die Kleinunternehmerregelung in einem Mitgliedstaat, in dem sie nicht ansässig sind, in Anspruch nehmen wollen, verpflichtet sind, den Mitgliedstaat, in dem sie ansässig sind, entsprechend vorab zu benachrichtigen. Aus Gründen der Vereinfachung und der Senkung der Befolgungskosten sollen solche Unternehmer nur im Mitgliedstaat der Ansässigkeit eine individuelle Nummer erhalten. Diese Nummer kann, muss aber nicht die individuelle MwSt-Identifikationsnummer sein. Die Nummer muss aber das Suffix "EX" (steht für exemption – Befreiung -) enthalten.

 

Rz. 740

Der Unternehmer unterrichtet d...

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