Rz. 31

Man muss diese Beispiele so verstehen, dass der Regelsteuersatz dafür auch gelten soll, wenn es sich nach herkömmlicher Auffassung eigentlich um unselbstständige Nebenleistungen zur Beherbergung handelt. Insofern hat sich der Gesetzgeber bewusst und absichtsvoll von der Entscheidung des BFH v. 15.1.2009[1] distanziert, welche das Frühstück als unselbstständige Nebenleistung zur Übernachtung angesehen hat, jedenfalls bei der Anwendung des § 25 UStG für Reiseleistungen. Nieskens[2] will das Urteil des EuGH vom 18.1.2018 – es ging um die Anerkennung der Aufteilung einer Führung durch ein Stadion in zwei getrennte Umsätze, die der EuGH ablehnt – so verstehen, dass das Frühstück bei § 12 Abs 2 Nr. 11 UStG als Nebenleistung zur Beherbergung anzusehen sei und damit der Steuersatz für die Beherbergung als Hauptleistung auch für das Frühstück zu gelten habe. Das gibt das EuGH-Urteil vom 18.1.2018 aber nicht wirklich zwingend her. Der nationale Gesetzgeber ist unionsrechtlich nicht daran gehindert, bei einem Leistungspaket die einzelnen Leistungen unterschiedlichen Steuersätzen zu unterwerfen.[3]

 

Rz. 32

Bereits durch das BFH-Urteil v. 24.4.2013[4] schien geklärt, dass § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG ungeachtet der rechtspolitischen Diskussion eine unionsrechtlich erlaubte Regelung enthält. Das ist durch das EuGH-Urteil vom 18.1.2018 nicht zweifelhaft geworden. Die MwStSystRL kennt z. B. in Anhang III Nr. 10a die Zulässigkeit eines ermäßigten Steuersatzes für arbeitsintensive Dienstleistungen, die sich aber nicht auf das verwendete Material beziehen darf. Diese Dienstleistungen sind als einheitliche Leistung zu betrachten, die aus verschiedenen Leistungselementen zusammengesetzt sind und für diese verschiedenen Elemente darf es auch verschiedene Steuersätze geben. Deshalb ist es nicht sinnvoll, dem EuGH zu unterstellen, er habe in dem Urteil vom 18.1.2018[5] das Ende des Aufteilungsgebots postuliert.

Im Fall des EuGH wurde letztlich nur darüber entschieden, ob überhaupt nur eine Hauptleistung vorlag, sodass sich die Frage des Steuersatzes für eine Nebenleistung nicht mehr stellte.[6]

 

Rz. 32a

Dennoch hat der V. Senat des BFH am 26.5.2021[7] dem EuGH die Frage vorgelegt, ob das Aufteilungsgebot des § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG vor dem Hintergrund des EuGH-Urteils v. 18.1.2018 unionsrechtlich zulässig ist. Der XI. Senat des BFH hat im Hinblick hierauf mit Beschluss v. 7.3.2022 in einem einschlägigen Streitfall die Aussetzung der Vollziehung angeordnet, weil es durch den Vorlagebeschluss des V. Senats ernstliche Zweifel i. S. v. § 128 Abs. 3 i. V. m. § 69 FGO an der Rechtslage gibt. Es ist zu hoffen, dass der EuGH den Spielraum der nationalen Gesetzgeber bei der Schaffung von Aufteilungsgeboten zur Abgrenzung von komplexen Umsätzen mit verschiedenen Steuersätzen nicht zu sehr einschränkt.

 

Rz. 32b

Die hier dargestellte Diskussion um das Aufteilungsgebot hat in der Zeit vom 1.7.2020 bis 31.12.2022, in der gem. § 12 Abs. 2 Nr. 15 UStG für die "Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen mit Ausnahme der Abgabe von Getränken" der ermäßigte Steuersatz gilt, keine praktische Bedeutung für diese Umsätze, wenn sie im Zusammenhang mit den in § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG beschriebenen Leistungen stehen. Beim Standardfall "Frühstück im Hotel" gilt der ermäßigte Steuersatz bei der Annahme eines selbstständigen Umsatzes "Frühstücksabgabe" dann nur für die Speisen, nicht für Getränke wie Kaffee, Tee, Säfte. Müsste man die Frühstücksabgabe hingegen insgesamt als unselbstständigen Teil eines komplexen Umsatzes "Beherbergungsleistun" ansehen, dann wären auch die Getränke von der Steuerermäßigung gem. § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG umfasst. So wäre es dann auch in der Zeit nach dem 31.12.2022; der Regelsteuersatz gem. § 12 Abs. 1 UStG würde dann durch die breite Geltung der speziellen Ermäßigung gem. § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG verdrängt – entgegen dem klaren Willen des deutschen Gesetzgebers.

 

Rz. 33

Der BFH hat die Stromlieferung auf einem Campingplatz als unselbstständige Nebenleistung angesehen.[8] Damit bestätigte er die anders lautende Anweisung in Abschn. 78 Abs. 3, Abschn. 76 Abs. 5 UStR 2008 nicht.[9] Abschn. 12.16 Abs. 7 UStAE liegt damit seit dem 1.10.2009 aber auf der Linie des BFH.

 

Rz. 34

Nach diesen Grundsätzen muss nun z. B. die entgeltliche Überlassung von Parkplätzen für den Gast eines Hotels als nicht begünstigt angesehen werden, so zutreffend Abschn. 12.16. Abs. 4 UStAE. Auf der Campingfläche hingegen ist das Abstellen von Zugfahrzeugen zu Wohnwagen von der begünstigten "Vermietung einer Campingfläche" umfasst, denn es gehört zum Campieren dazu, dass man mit seinem Fahrzeug auf die Campingfläche fahren und dieses dort stehen lassen kann; so Abschn. 12.16. Abs. 7 UStAE.

[1] BFH v. 15.1.2009, V R 9/06, BFH/NV 2009, 863, UR 2009, 319. Durch BMF v. 4.10.2010, BStBl I 2010, 490, hatte die Verwaltung angeordnet, dass das Urteil nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus angewandt werden sollte. Diese Auffassung hat sie durch das in Rz. 29a erwähnte BMF v...

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