Rz. 12

Insbesondere für folgende Bereiche hat der Gesetzgeber bei Einführung der MwSt – teils nach langen Debatten – eine Steuerermäßigung ausdrücklich abgelehnt:

  1. Anzeigen in Zeitungen und Zeitschriften,
  2. Energie (Gas, elektrischer Strom, Wärme). Allerdings ist nach § 28 Abs. 5 und 6 UStG der ermäßigte USt-Satz von 7 % befristet vom 1.10.2022 bis 31.3.2024 auf die Lieferungen von Erdgas und Fernwärme anzuwenden,
  3. Gebrauchtwaren. Allerdings ist für die Umsätze gebrauchter Kfz ab 1.7.1990 und für die Umsätze von Gebrauchtwaren, Sammlungsstücken, Kunstgegenständen und Antiquitäten ab 1.1.1995 eine sog. Differenzbesteuerung eingeführt worden,
  4. Getränke (Frucht- und Gemüsesäfte, Traubenmost, Wein und Bier),
  5. Krankenanstalten und Altersheime, soweit nicht nach § 4 Nr. 16 UStG steuerfrei,
  6. Makler (Immobilien-, Hypotheken- und Finanzierungsmakler) sowie Hausverwalter,
  7. Städtereinigung und Müllabfuhr durch private Unternehmer,
  8. Verzehr an Ort und Stelle. Allerdings unterliegt der Verzehr von Speisen innerhalb von Restauraurationsdienstleistungen befristet vom 1.7.2020 bis 31.12.2023 nach § 12 Abs. 2 Nr. 15 UStG dem ermäßigten Steuersatz,
  9. Wohnungsbau (Zwischensteuersatz von 7 %).
 

Rz. 13

Auch eine generelle Steuerermäßigung für Dienstleistungen hat der Gesetzgeber bei Einführung der MwSt abgelehnt. Er hat sich vielmehr für eine gleichmäßige Endbelastung der Preise für Waren und Dienstleistungen entschieden. Maßgebend hierfür waren folgende Erwägungen[1]:

  • Im Vordergrund stand die Absicht, den Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Warenlieferungen und Dienstleistungen zu entgehen, eine umfangreiche Kasuistik zu vermeiden und das Steuersystem soweit als möglich von Ausnahmen freizuhalten.
  • Eng damit verbunden war die Sorge, eine Begünstigung der Dienstleistungen werde die Notwendigkeit nach sich ziehen, den allgemeinen Steuersatz zu erhöhen.
  • Ein ermäßigter Steuersatz für Dienstleistungen wurde ferner als unzweckmäßig angesehen, weil die umsatzsteuerliche Begünstigung von Dienstleistungen, die in Warenlieferungen eingehen, gegenüber dem Endabnehmer ohne Wirkung bleibt ("Nachholwirkung").
  • Darüber hinaus wurde befürchtet, dass Werklieferungen rechnerisch in Warenanteil und steuerbegünstigten Dienstleistungsanteil aufgespalten und dadurch Wettbewerbsstörungen hervorgerufen würden.
  • Zugleich sollte die Rationalisierung zwecks günstiger Befriedigung des Massenbedarfs nicht dadurch behindert werden, dass ein steuerlicher Anreiz geschaffen würde, nicht das fertige Produkt zu kaufen, sondern lediglich das Material, um daraus das Produkt steuerbegünstigt selbst herstellen zu lassen.
  • Der Wirtschaftsverkehr und die Buchhaltung sollten nicht durch Verwendung verschiedener Regelsteuersätze für Dienstleistungen und Warenlieferungen erschwert werden. Ebenso wollte man der Finanzverwaltung die Arbeit mit unterschiedlichen Steuersätzen ersparen.
  • Schließlich sollte die nicht unmittelbar dienstleistende gewerbliche Tätigkeit nicht diskriminiert werden, weil sie ebenso wie Dienstleistungen letztlich auf menschlicher Arbeit beruht.

Das BVerfG hat die Entscheidung des Gesetzgebers gegen eine generelle Steuerermäßigung für Dienstleistungen ausdrücklich für verfassungsgemäß erklärt.[2]

 

Rz. 14

Seit dem Jahr 1997 wurde erneut die Einführung eines ermäßigten Steuersatzes für arbeitsintensive Dienstleistungen sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene diskutiert.[3] Mit der Richtlinie 1999/85/EG des Rates v. 22.10.1999[4] ist den EU-Mitgliedstaaten zunächst befristet bis zum 31.12.2005 die Möglichkeit eingeräumt worden, auf bestimmte arbeitsintensive Dienstleistungen einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz anzuwenden. Die Laufzeit dieses Experiments ist durch die Richtlinie 2006/18/EG des Rates v. 14.2.2006[5] bis zum 31.12.2010 verlängert worden. Durch die Richtlinie 2009/47/EG v. 5.5.2009[6] ist diese Möglichkeit einer Steuerermäßigung allen EU-Mitgliedstaaten zeitlich unbefristet eingeräumt worden (§ 12 UStG Rz. 94). MWv 6.4.2022 ergibt sich die Möglichkeit einer Steuerermäßigung für bestimmte arbeitsintensive Dienstleistungen aus Art. 98 Abs. 1 und 2 i. V. m. Anhang III MwStSystRL (§ 12 UStG Rz. 106j ff.). Die Bundesrepublik Deutschland hat bisher bewusst keinen Gebrauch von dieser Steuerermäßigungsmöglichkeit gemacht. Die Bundesregierung schätzte seinerzeit die Steuermindereinnahmen für die nun möglichen Steuerermäßigungen der in Anhang III der MwStSystRL aufgeführten arbeitsintensiven Dienstleistungen auf insgesamt 2,8 Mrd. EUR jährlich.[7]

 

Rz. 15

Der Bundesrat hat in dem von Baden-Württemberg eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes[8] vorgeschlagen, für die Dauer von zwei Jahren einen Nullsteuersatz (Steuerbefreiung mit Vorsteuerabzug) für die Lieferungen von Tageszeitungen – anstelle des ermäßigten Steuersatzes – zu gewähren, um den wirtschaftlichen Schwierigkeiten vor allem der kleineren und mittleren Zeitungsverlage Rechnung zu tragen. Entsprechend der Stellungnahme der Bundesregierung[9] hat der Deutsche Bundes...

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