Rz. 74

Nach § 62 Abs. 6 S. 2 FGO kann die schriftliche Vollmacht nachgereicht werden, wenn der Bevollmächtigte sich nicht schon bei seiner ersten Verfahrenshandlung legitimiert hat (Rz. 64).

Gemäß § 62 Abs. 6 S. 3 FGO hat das Gericht den Mangel der Vollmacht, der in der Nichtvorlage der Vollmachtsurkunde liegt (Rz. 26), grundsätzlich[1] von Amts wegen zu berücksichtigen (Rz. 62). Das Gericht hat also den Nachweis der Bevollmächtigung durch Vorlage der Vollmachtsurkunde anzufordern. Eine Abweisung des Verfahrens als unzulässig ohne vorherige Aufforderung zur Vorlage verletzt den Anspruch auf rechtliches Gehör und ermöglicht damit die Anfechtbarkeit der Entscheidung[2].

 

Rz. 74a

Diese gerichtliche Aufforderung wird regelmäßig mit einer Vorlagefrist (Rz. 78) verbunden sein. Dies ist jedoch nicht zwingend geboten[3]. Unschädlich ist es auch, wenn das Gericht bei seiner Aufforderung, die Prozessvollmacht vorzulegen, nicht auf die prozessualen Folgen der Nichtvorlage (Rz. 61, 81) hinweist. Dieses Unterlassen verletzt weder den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs noch die gerichtliche Hinweispflicht nach § 76 Abs. 2 FGO[4].

 

Rz. 75

Solange der ordnungsgemäße schriftliche Nachweis der Bevollmächtigung nicht erbracht ist, handelt der angeblich Bevollmächtigte für den Beteiligten als Vertreter ohne Vertretungsmacht (Rz. 27).

 

Rz. 76

Bis zum Nachweis der Bevollmächtigung kann das Gericht nach seinem Ermessen den angeblich Bevollmächtigten vorläufig zur Prozessführung zulassen[5]. Da die Zulassung nicht ausdrücklich erfolgen muss, ist die Aufforderung zur Vorlage der Urkunde binnen einer bestimmten Frist (Rz. 78) als konkludente vorläufige Zulassung zur Prozessführung anzusehen.

Der vorläufig zugelassene Prozessvertreter hat die prozessuale Rechtsstellung eines Bevollmächtigten. Er kann die von ihm erhobene Klage, den Antrag oder das Rechtsmittel zurücknehmen[6]. Er kann das Verfahren für erledigt erklären[7]. Er ist zur mündlichen Verhandlung zu laden. Die Ladung des Beteiligten ist allerdings geboten[8].

 

Rz. 77

Eine Genehmigung der Prozessführung des vollmachtlosen Vertreters (Rz. 27) kann bis zum Ergehen eines Prozessurteils (Rz. 61) erfolgen. Damit sind alle Prozesshandlungen des bisher vollmachtlosen Vertreters – vorbehaltlich anderer Mängel der Vollmacht (Rz. 26) – wirksam[9]. Dies kann durch Vorlage der Vollmacht geschehen[10], aber auch dadurch, dass der Beteiligte selbst das finanzgerichtliche Verfahren rügelos fortführt[11].

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