Rz. 1

Die Regelung wurde durch das Anhörungsrügengesetz (AnhRügG) v. 9.12.2004[1] mit Wirkung ab 2005 eingefügt. Durch das Gesetz v. 12.12.2007[2] wurde mit Wirkung v. 1.7.2008 Abs. 2 S. 5 a. F. (Verweis auf den sog. Vertretungszwang nach § 62a FGO a. F.) als überflüssig gestrichen, da die Vertretungsbefugnisse in Verfahren vor dem BFH durch § 62 FGO n. F. neu geregelt wurden.

Die Vorschrift bezweckt, bei unanfechtbaren Entscheidungen des FG oder des BFH dem Gericht, das die Entscheidung getroffen hat, im Wege der Selbstkontrolle einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG zu beheben. Die Regelung betrifft lediglich die Verletzung des rechtlichen Gehörs. Sie dient nicht dazu, darüber hinaus die Richtigkeit der Entscheidung zu überprüfen.[3] Zugleich wird damit eine Entlastung des BVerfG erreicht, das sich nicht mit dem vom Ausgangsgericht einfacher zu prüfenden und ggf. zu behebenden Verfahrensmangel zu befassen hat. Die Regelung betrifft nicht über die Gehörsverletzung hinausgehende Rechtsverstöße. Die Anhörungsrüge ist daher abzugrenzen gegenüber der Gegenvorstellung (Rz. 2ff.) und der Verfassungsbeschwerde (Rz. 29ff.).

Die Vorschrift entspricht den Vorgaben des Plenumsbeschlusses des BVerfG v. 30.4.2003, 1 PBvU 1/02, BVerfGE 107, 395. Gleichzeitig wurde der bisherige § 321a ZPO geändert und wurden wortgleich § 152a VwGO, § 155a SGG und § 78a ArbGG geschaffen, sodass die Anhörungsrüge in den Prozessordnungen übereinstimmend gefasst ist. Das BVerfG hatte beanstandet, dass die von der Rspr. außerhalb der Verfahrensordnungen entwickelten Rechtsschutzmöglichkeiten bei Verletzung des rechtlichen Gehörs durch eine mit ordentlichen Rechtsbehelfen nicht mehr anfechtbare Entscheidung im Wege einer Gegenvorstellung oder einer sog. außerordentlichen Beschwerde dem Gebot der Rechtsmittelklarheit nicht entsprächen. Bei der auf Richterrecht basierenden Gegenvorstellung und der außerordentlichen Beschwerde seien die Messbarkeit und Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns nicht gewährleistet. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Rechtsbehelfs müssten daher gesetzlich geregelt und für den Bürger in ihren Voraussetzungen erkennbar sein. Das BVerfG hatte daher dem Gesetzgeber aufgegeben, bis Ende 2004 einen Rechtsbehelf zur Rüge des rechtlichen Gehörs durch die Fachgerichte zu schaffen, soweit dies nicht bereits durch § 321a ZPO a. F. geschehen sei. Dies sollte auch der Entlastung des BVerfG dienen sowie den Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde berücksichtigen.

Die Entscheidung des BVerfG betrifft unmittelbar nur die Durchsetzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.[4] Sie enthält jedoch darüber hinaus allgemeine Grundsätze für die Ausgestaltung des Rechtsschutzes bei Verletzung von Verfahrensgrundrechten und für das Rechtsschutzsystem allgemein.

§ 133a FGO regelt ausschließlich die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs. Sonstige schwerwiegende Verfahrensfehler oder materielle Rechtsverstöße fallen nicht unter die Regelung, auch wenn sie mit der Gehörsverletzung zusammenhängen. Für nicht der Anhörungsrüge zuzuordnende Fälle "greifbarer Gesetzwidrigkeit" der Entscheidung lässt der BFH die Rüge mit der gesetzlich nicht geregelten Gegenvorstellung zu (Rz. 2f.). Die früher anerkannte "außerordentliche Beschwerde" ist seit Einfügung des § 133a FGO unstatthaft (Rz. 4f.).

Die Anhörungsrüge führt nicht zur Anrufung der höheren Instanz (kein Devolutiveffekt) und sie hat keine aufschiebende Wirkung (kein Suspensiveffekt). Nach § 133a Abs. 6 i. V. m. § 131 Abs. 1 S. 2 FGO kann jedoch die Vollziehung einstweilen ausgesetzt werden.

[1] BGBl I 2004, 3220.
[2] BGBl I 2007, 2840.

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