Rz. 1

Die Vorschrift soll durch ihre Haftungsregelung eine Möglichkeit der Realisierung von Betriebssteuerschulden für den Fall schaffen, dass in dem Betrieb dienende Gegenstände sich nicht im Eigentum des Unternehmers befinden. Betreibt ein Unternehmer sein Unternehmen mit Gegenständen, die einem Dritten (z. B. einem Vermieter) gehören, so sind diese dem Zugriff seiner Gläubiger entzogen. Der Eigentümer könnte gegen Vollstreckungsmaßnahmen erforderlichenfalls Drittwiderspruchsklage[1] erheben. Die Haftung nach § 74 AO soll diese die Vollstreckung hindernden Einwendungen für bestimmte Fälle und unter bestimmten Voraussetzungen ausschalten. Sie ermöglicht dem Steuergläubiger den Durchgriff auf das fremde Vermögen, um die aus dem Unternehmen resultierenden Steueransprüche zu sichern. Diese Durchgriffsmöglichkeit beruht auf dem Gedanken, dass der Dritte durch das Bereitstellen der Gegenstände (z. B. durch Verpachtung, Vermietung oder Leihe) zur unternehmerischen Tätigkeit objektiv beiträgt und damit an der Entstehung der Ansprüche aus dem Schuldverhältnis beteiligt ist.[2]

Die Durchgriffshaftung kann und will nicht einen allgemeinen Durchgriff auf das Vermögen solcher Personen zulassen, die ihre Gegenstände in anderen Unternehmen nutzen lassen. Die Haftung ist daher zur Beschränkung und Konzentration auf die wichtigsten Fallgruppen weiter davon abhängig, dass zwischen dem Eigentümer des Gegenstands und dem Unternehmer bzw. dem Unternehmen, dem der Gegenstand dient, ein bestimmtes Näheverhältnis besteht. Dies nimmt die Vorschrift bei einer wesentlichen Beteiligung des Eigentümers am Unternehmen an. Dabei wird diese Beteiligung durch eine besondere Fiktion ausgeweitet (vgl. Rz. 9–12). Die Vorgängervorschrift § 115 RAO hatte darüber hinaus die Angehörigenbeziehung zwischen Eigentümer und Unternehmer einbezogen. Durch die Nichtwiederaufnahme dieser Fallgruppe kann auf diese auch nicht mehr zurückgegriffen werden. Das gilt auch für die beherrschende Stellung i. S. d. § 74 Abs. 2 S. 2 AO, die nicht ohne Weiteres der Angehörigeneigenschaft entnommen werden kann.

BVerfG v. 14.12.1966, I BvR 496/65, BStBl III 1967, 7 hat die Verfassungsmäßigkeit der Durchgriffshaftung des § 74 AO bestätigt.[3]

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