1 Allgemeines

 

Rz. 1

Die Vorschrift regelt für den Fall der Todeserklärung[1] eines Verschollenen den für die Besteuerung zugrunde zu legenden Todestag. Abweichend von § 9 Abs. 2 und 3 VerschG wird der Verschollene bis zur Rechtskraft der Todeserklärung als lebend behandelt. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass Besteuerungsverfahren für Zeiträume, die ganz oder teilweise in die Zeit nach dem festgestellten Todeszeitpunkt fallen, wieder aufgerollt und gegenüber dem Verschollenen ergangene Steuerfestsetzungen gegenüber den Erben wiederholt werden müssen.[2] Die Vorschrift gilt für alle Steuerarten und sowohl für das materielle als auch für das formelle Steuerrecht.

[2] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 49 AO Rz. 1; Schmieszek, in Gosch, AO/FGO, § 49 AO Rz. 2; Klein/Ratschow, AO, 15. Aufl. 2020, § 49.

2 Rechtskräftige Todeserklärung des Verschollenen

2.1 Verschollenheit

 

Rz. 2

§ 49 AO regelt den Todeszeitpunkt "bei Verschollenheit". Nach § 1 Abs. 1 VerschG ist verschollen, wessen Aufenthalt während längerer Zeit unbekannt ist, ohne dass Nachrichten darüber vorliegen, ob er in dieser Zeit noch gelebt hat oder gestorben ist, sofern nach den Umständen hierdurch ernstliche Zweifel an seinem Fortleben begründet werden.[1] Verschollen ist hingegen nicht, wessen Tod nach den Umständen nicht zweifelhaft ist.[2] § 49 AO betrifft somit nur solche Fälle, in denen der Tod des Verschollenen zweifelhaft ist, nicht hingegen solche, in denen der Tod gewiss und nur der Todeszeitpunkt ungewiss ist.[3]

2.2 Beschluss über die Todeserklärung

 

Rz. 3

Nach § 2 VerschG kann ein Verschollener unter den Voraussetzungen der §§ 3 bis 7 VerschG im Aufgebotsverfahren für tot erklärt werden. Das Aufgebotsverfahren, das als Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit[1] in die sachliche Zuständigkeit der Amtsgerichte fällt[2], wird nur auf Antrag eingeleitet.[3] Antragsberechtigt sind neben der Staatsanwaltschaft der gesetzliche Vertreter des Verschollenen, der Ehegatte, der Lebenspartner, die Abkömmlinge und die Eltern des Verschollenen sowie jeder andere, der ein rechtliches Interesse an der Todeserklärung hat.[4]

Nach § 23 VerschG wird der Verschollene durch Beschluss für tot erklärt. In dem Beschluss wird der Todeszeitpunkt festgestellt. Das ist der nach den Ermittlungen für den Tod wahrscheinlichste Zeitpunkt[5] oder wenn sich ein solcher nicht angeben lässt, der nach § 9 Abs. 3 VerschG festzustellende Zeitpunkt. Die Todeserklärung begründet gem. § 9 Abs. 1 S. 1 VerschG die widerlegbare Vermutung, dass der Verschollene in dem im Beschluss festgestellten Zeitpunkt gestorben ist. Solange ein Verschollener nicht für tot erklärt ist, wird nach § 10 VerschG vermutet, dass er bis zu dem in § 9 Abs. 3, 4 VerschG genannten Zeitpunkt weiter lebt oder gelebt hat.

Rechtskräftig wird der Beschluss über die Todeserklärung, wenn die Frist für die Einlegung der sofortigen Beschwerde[6] fruchtlos verstrichen oder diese unanfechtbar zurückgewiesen worden ist. Auch nach Eintritt der Rechtskraft kann der Beschluss nach § 30 VerschG aufgehoben werden, wenn der Verschollene die Todeserklärung überlebt hat. In diesem Fall entfallen die Wirkungen der Todeserklärung rückwirkend.

 

Rz. 4

Keine Todeserklärung i. S. v. § 49 AO ist die gerichtliche Feststellung des Todes und des Todeszeitpunkts nach § 39 VerschG, die in Fällen erfolgen kann, in denen die Todeserklärung im Hinblick auf § 1 Abs. 2 VerschG (s. Rz. 2) unzulässig, eine Eintragung im Sterberegister aber nicht erfolgt ist. Der Beschluss begründet die Vermutung, dass der Tod in dem darin festgestellten Zeitpunkt eingetreten ist.[7] Diese Vermutung ist auch für die Besteuerung maßgebend.[8]

Rz. 5 einstweilen frei

3 Rechtsfolgen für die Besteuerung

 

Rz. 6

Nach ganz überwiegender Ansicht wird der Verschollene, solange er nicht durch rechtskräftigen Beschluss für tot erklärt worden ist, als lebend behandelt[1], und zwar auch dann, wenn die Todesfeststellung nur mangels eines Antrags unterbleibt.[2] Das Fehlen der Todesfeststellung begründet danach eine unbegrenzte Lebensvermutung für den Verschollenen.[3]

Nach anderer Ansicht beschränkt sich der Regelungsgehalt des § 49 AO auf den Fall, dass ein Beschluss über die Todeserklärung ergeht. Nur für diesen Fall schiebe die Vorschrift den darin festgestellten Todeszeitpunkt für Zwecke der Besteuerung auf die Rechtskraft des Beschlusses hinaus. Zivilrechtlich stelle § 10 VerschG unter Bezugnahme auf die Fristen des § 9 VerschG nur eine begrenzte Lebensvermutung auf. Nach deren Ablauf müsse derjenige, der sich auf das Fortleben des Verschollenen berufe, dieses beweisen, umgekehrt derjenige, der aus dem Ableben Rechte herleite, den Eintritt des Todes beweisen. Von dieser Rechtslage sei auch für Zwecke der Besteuerung auszugehe...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge